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Thüringer NSU-Ausschuss
Bericht vermutet "gezielte Sabotage"

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags erhebt schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden. In seinem Abschlussbericht kommt das Gremium zu dem Urteil: Nicht nur habe es bei den Ermittlungen gravierende Fehler gegeben - auch der "Verdacht gezielter Sabotage" stehe im Raum.

    Eine Frau blättert am 21.08.2014 im Landtag in Erfurt im Abschlussbericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses.
    Scharfe Kritik an den Sicherheitsbehörden: Der 1.800-Seiten starke Bericht des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    Der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss hat zum Abschluss seiner Arbeit noch einmal schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden des Landes erhoben. Polizei, Verfassungsschutz und Justiz hätten bei der Fahndung nach dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) so wenig zusammengearbeitet, dass man nicht mehr von unglücklichen Umständen oder Pannen sprechen könne, sagte die Ausschussvorsitzende Dorothea Marx in Erfurt.
    Die Mordserie der Neonazi-Terrorzelle hätte nach Einschätzung des Untersuchungsausschusses verhindert werden können, wenn die Ermittlungsbehörden zuvor nicht so gravierende Fehler gemacht hätten, sagte Marx weiter. Thüringen trage als Land, aus dem die mutmaßlichen Täter stammen, "eine besondere Verantwortung und eine besondere Schuld", so die SPD-Politikerin.
    Behörden begünstigten "mittelbar" rechtsextreme Strukturen
    Im heute vorgelegten 1.800 Seiten starken Bericht ist zudem von "Versagen" und vom "Verdacht gezielter Sabotage" die Rede. Dass das Terror-Trio mehrfach vor der Fahndung gewarnt worden war, liegt nahe, konnte aber vom Ausschuss nicht bewiesen werden. Dem Bericht zufolge beteiligte sich der Freistaat Thüringen jedoch mehr oder weniger bewusst daran, rechtsextreme Strukturen zu schaffen. Der neonationalsozialistische "Thüringer Heimatschutz", auf dessen Boden die drei Jenaer Bönhardt, Mundlos und Tschäpe gediehen, wurde von Tino Brandt aufgebaut, einem V-Mann des Verfassungsschutz', der dabei Teile des Verfassungsschutz-Honorars von 100.000 Euro investierte. So hat der Staat Strukturen, die er überwachen wollte, selbst mit finanziert, berichtet DLF-Landeskorrespondent Henry Bernhard.
    Landtagspräsidentin Birgit Diezel entschuldigte sich bei den Opfern des NSU: "Wir bitten Sie für die Verdächtigungen und für die lange Zeit fehlende Empathie um Verzeihung", sagte Diezel. Der rechtsextremen Terrorzelle NSU werden zehn Morde in der Zeit von 2000 bis 2007 zur Last gelegt - vorwiegend an Migranten. Das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatte 1998 untertauchen können und war erst 2011 aufgeflogen.
    (tön/dk)