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THW: Transport der Hilfsgüter in die Krisengebiete verzögert sich

Die Flughäfen auf den Philippinen seien nicht auf den Transport der vielen Hilfsgüter in die Katastrophengebiete ausgerichtet, sagt Bert Schinkel-Momsen vom Technischen Hilfswerk in Manila. Erschwert werde der Transport auch durch die weit auseinanderliegenden Inseln, die nur mit Schiffen erreichbar seien, ergänzt er.

Bert Schinkel-Momsen im Gespräch mit Gerd Breker | 13.11.2013
    Gerd Breker: Die Ohnmacht der hungernden Taifun-Opfer auf den Philippinen schlägt in verzweifelte Gewalt um. Auch fünf Tage nach der verheerenden Naturkatastrophe sitzen Hunderttausende ohne Essen und Trinkwasser in den Trümmerbergen des riesigen Katastrophengebietes. Plünderungen sind an der Tagesordnung.
    Am Telefon in Manila sind wir nun verbunden mit Bert Schinkel-Momsen vom Technischen Hilfswerk. Herr Schinkel-Momsen, Sie sind uns sieben Stunden voraus, also müsste ich eigentlich Guten Abend sagen.

    Bert Schinkel-Momsen: Das ist durchaus richtig. In Deutschland würde ich jetzt wahrscheinlich bei der "Tagesschau" sitzen und das Wetter würde in vier Minuten über den Bildschirm flimmern.

    Breker: Sicherheit ist ein ganz wichtiges Thema in diesem Katastrophengebiet. Auch für Ihre Helfer?

    Schinkel-Momsen: Die Sicherheit ist auf jeden Fall auch ein Thema, mit dem wir uns hier natürlich beschäftigen. Das ist aber nicht das einzige Thema und momentan auch nicht das Thema, was alles andere überdecken würde. Inhaltlich beschäftigen wir uns zunächst damit, die Erkundungen, die notwendig sind, um überhaupt Hilfe an die richtigen Orte zu bringen, durchzuführen, und da ist momentan unser Schwerpunkt.

    Breker: Hilfe ist da, Herr Schinkel-Momsen. Die Infrastruktur steht entgegen, dass diese Hilfe auch zu den Opfern kommt.

    Schinkel-Momsen: Das ist absolut zutreffend. Die Infrastruktur, insbesondere die logistisch nutzbare Infrastruktur, ist echt ein Hindernis hier auf den Philippinen. Es kommen mehrere Problemlagen zusammen: zum einen natürlich die verheerenden Zerstörungen an Infrastrukturen wie Flughäfen und Häfen, die zum Teil nun auch wieder behoben sind, zum anderen aber natürlich auch zerklüftete, weit auseinanderliegende Inseln, die nur mit dem Schiff zu erreichen sind, und zusätzlich natürlich auch die eigentlich für deutlich kleinere Transportmengen und Menschenmengen ausgestatteten oder ausgerichteten Infrastruktur-Geschichten wie zum Beispiel Flughäfen und Häfen. Da ist man einfach gar nicht auf so große Mengen an Flugzeugen und so viele Flugzeuge eingestellt und vorbereitet, und da ist sicherlich eins der Nadelöhre momentan zu suchen.

    Breker: Es fehlt also an Transportmöglichkeiten. Sind die denn im Land vorhanden, oder müssen die von außen reingebracht werden?

    Schinkel-Momsen: Transportmöglichkeiten wie Flugzeuge haben natürlich die Philippinis traditionell schon. Das Problem ist einfach, dass zu viele Hilfsgüter transportiert werden müssen, aber die Infrastruktur wie die Flughäfen einfach gar nicht in der Lage wären, selbst wenn man genug Flugzeuge hätte, sie in der entsprechenden Zeit abzuwickeln. Das ist das, was uns berichtet wird von den Infrastruktur-Einrichtungen. Auf entsprechenden Koordinierungstreffen, die stattfinden, wird das als eins der momentanen Probleme herausgestellt, dass selbst wenn man genug Flugzeuge hat, man aber gar nicht in der Lage ist, diese Flugzeuge hinzubekommen in die Schadensgebiete, auszuladen und dann auch rechtzeitig wieder wegzukommen, und das macht es natürlich umso schwieriger.

    Breker: Herr Schinkel-Momsen, Sie haben die Koordinierungsgespräche erwähnt. Wie steht es um die Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen? Arbeitet man Hand in Hand, oder ist es irgendwo auch Konkurrenz?

    Schinkel-Momsen: Dazu kann ich überhaupt keine Aussage treffen, weil ich nicht beurteilen kann, in welchem Konkurrenzgeschäft die Hilfsorganisationen tätig sind. Ich weiß, dass sehr viele Koordinierungstreffen stattfinden. Von der UN organisiert finden Koordinierungstreffen statt, es finden auch Koordinierungstreffen in den einzelnen Ortschaften statt, wo man einfach aus der Not heraus oder aus dem Mangel an notwendigen Informationen sich natürlich absolut mit Informationen gegenseitig versorgt, denn das ist momentan absolut essenziell zu wissen, wohin man überhaupt Hilfsgüter bringen muss und welche Umstände dort vorhanden sind: Ist dort eine Straße, die nicht passierbar ist, gibt es dort zum Beispiel eine Fähre, bei der ein LKW-Stau von ungefähr einem Kilometer ist. Solche Informationen tauscht man natürlich aus, um einfach die Hilfe bestmöglich an die Betroffenen zu bringen.

    Breker: Haben Sie denn schon so etwas wie eine Art Gesamtüberblick über das Katastrophengebiet?

    Schinkel-Momsen: Die Frage kann, glaube ich, einzig und allein momentan die zentrale Koordinierungsstelle auf UN-Ebene beantworten, die wiederum sich befindet in Tacloban, und ob dort dieses Gesamtbild, von dem Sie sprachen, vorhanden ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wir können einfach mangels der Bilder, der Erkundungsergebnisse dazu natürlich gar keine Aussage treffen.

    Breker: Es ist inzwischen der fünfte Tag. Langsam wird es auch ein Wettlauf gegen die Zeit.

    Schinkel-Momsen: Das ist wohl leider richtig.

    Breker: Die Amerikaner sind vor Ort, sie wollen einen Flugzeugträger dort hinschicken, der wahrscheinlich morgen eintreffen wird. Kann das helfen, muss das helfen, braucht es schweres Gerät, um etwa Straßen freizuräumen?

    Schinkel-Momsen: Ich bin mir sicher, dass die amerikanischen Streitkräfte sich das sehr gut vorher überlegt haben und auch das Land Amerika diesen Schritt sehr gut geplant hat, und es wird sicherlich sehr positive Effekte haben. Da bin ich sehr optimistisch.

    Breker: Das Technische Hilfswerk, haben wir eben Philippinen: Versorgung der Taifunopfer desolat (MP3-Audio) in dem Beitrag vom Kollegen Carsten Vick gehört, stellt Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen zur Verfügung, sicherlich eine wichtige Angelegenheit. Haben Sie denn ausreichend dieser Anlagen vor Ort, damit Sie die auch dort hinbringen können, wo sie gebraucht werden?

    Schinkel-Momsen: Morgen im Laufe des Tages wird eine Cargomaschine aus Deutschland eintreffen auf der Insel Cebu und wird dort dann mit zwei Trinkwasseranlagen nach meiner Einschätzung und nach der Einschätzung des Kollegen vor Ort, so denn alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, relativ zeitnah mit der tatsächlichen Wasserproduktion beginnen – alles natürlich unter der Voraussetzung, dass die Pläne, die wir haben, sich dann umsetzen lassen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das live aus Manila Bert Schinkel-Momsen. Er versucht, von Manila in der deutschen Botschaft dort das Technische Hilfswerk und dessen Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Herr Schinkel-Momsen, danke für dieses Gespräch und Ihnen alles Gute.

    Schinkel-Momsen: Vielen Dank und Grüße.


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