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ThyssenKrupp erlebt Milliarden-Desaster

Beim Stahl- und Industriekonzern ThyssenKrupp wurde nicht nur der halbe Vorstand ausgewechselt, sondern im jetzt abgelaufenen Geschäftsjahr auch ein Fehlbetrag in Höhe von fünf Milliarden Euro eingefahren.

Von Andreas Kolbe |
    Es ist eine Schreckensbilanz, die Deutschlands größter Stahlkonzern ThyssenKrupp vorlegt: Auf sage und schreibe fünf Milliarden Euro summieren sich die Verluste im Ende September zu Ende gegangenen Geschäftsjahr. Hinzu kommen Kartellverfahren und Korruptionsfälle. Vorstandschef Heinrich Hiesinger gab sich gar nicht erst die Mühe, die Lage zu beschönigen:

    "Es gab sicher bisher ein Führungsverständnis, in dem Seilschaften und blinde Loyalität oft wichtiger waren als unternehmerischer Erfolg. Es wurde teilweise eine Kultur gepflegt, in der Abweichungen und Fehlentwicklungen lieber verschwiegen als aktiv korrigiert wurden. Und man muss auch sagen, es herrschte wohl bei einigen die Ansicht, dass Regeln, Vorschriften und Gesetze nicht für alle gelten."

    Damit soll nun Schluss sein. Hiesinger fordert einen Kulturwandel bei dem Traditionskonzern aus Essen. Dieser sei dringend notwendig, denn das Milliarden-Desaster in Brasilien und den USA habe eindrucksvoll gezeigt, dass die Führungskultur bei ThyssenKrupp an vielen Stellen versagt habe.

    So steht ThyssenKrupp in Amerika nun vor einem Scherbenhaufen. Baukosten und Anlaufverluste für zwei neue Stahlwerke summieren sich inzwischen auf zwölf Milliarden Euro. Um die drückenden Schulden des Konzerns zu verringern, sollen die Anlagen verkauft werden.

    Doch von den Kaufinteressenten wird ThyssenKrupp deutlich weniger erhalten, als der Konzern selbst investiert hat. In der Folge musste das Unternehmen noch einmal 3,6 Milliarden Euro auf die Stahlwerke abschreiben, was den Löwenanteil des diesjährigen Rekordverlusts ausmacht.

    Ein Schrecken mit Ende, hofft man in Essen. Konzernchef Hiesinger ist zuversichtlich, den Verkauf bis zum Herbst kommenden Jahres abschließen zu können.

    "Wir mussten einfach anerkennen – und haben das auch dem Aufsichtsrat klar belegt -, dass der integrierte Verbund der beiden Werke nicht tragfähig ist. Nichtsdestotrotz konnten wir auch belegen, dass jedes Werk an sich zu den modernsten und von den Umwandlungskosten besten Unternehmen gehört. Und deshalb können sie für einen neuen Eigentümer attraktiv sein."

    Ohne die Lasten in Amerika will ThyssenKrupp dann wieder in die Zukunft blicken. Für die Aktionäre dürfte das eine Durststrecke werden. Denn erstmals seit der Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 1999 müssen sie auf eine Dividende verzichten. Für eine Ausschüttung fehlt schlicht das Geld.

    Einen Neuanfang soll es auch im Vorstand des Unternehmens geben. Wie erwartet hat der Aufsichtsrat gestern den Rauswurf des halben Vorstands beschlossen. Über eine Neubesetzung sei noch nicht entschieden, hieß es heute in Essen. Eine Mitverantwortung des Kontrollgremiums selbst an dem Milliarden-Debakel in Amerika wies Vorstandschef Heinrich Hiesinger allerdings zurück.

    "Der Aufsichtsrat ist letztendlich auf die Information des Vorstands angewiesen. Und wenn diese in der Regel deutlich zu optimistisch waren und sich gleichzeitig im Nachhinein einige Dinge als falsch herausstellen, dann muss man sagen: Der Aufsichtsrat hat zugestimmt auf Basis von Fakten, die ihm zur Kenntnis gegeben wurden, die sich danach eben als nicht tragfähig herausgestellt haben."

    Ob die frühere Konzernspitze um Ex-Chef Ekkehard Schulz für ihre Fehleinschätzungen zur Rechenschaft gezogen werden kann, soll nun noch einmal ein Gutachten klären. Es soll bis zur Hauptversammlung am 18. Januar vorliegen.

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