Im Industriekonzern Thyssenkrupp haben gerade weder der Vorstand noch der Aufsichtsrat einen dauerhaften Chef. Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner haben das Unternehmen kürzlich verlassen – im Streit mit Investoren um die zukünftige Strategie. Die Mitarbeiter fürchten, dass die Hedgefonds Thyssenkrupp zerschlagen wollen. Mitten in dieser Krise hat das Traditionsunternehmen heute Morgen Zahlen zu den ersten neun Monaten seines Geschäftsjahres vorgelegt.
Silke Hahne aus unserer Wirtschaftsredaktion: Wie lief es denn – neben den personellen Querelen – geschäftlich in den ersten drei Quartalen?
Die Bilanz ist durchwachsen, das kann man nicht anders sagen. Das gilt besonders für das gerade vergangene dritte Quartal. Da steht ein Verlust unterm Strich – von rund 130 Millionen Euro. Und das wird sich auf das gesamte Geschäftsjahr auswirken, darauf hat Thyssenkrupp ja Anfang des Monats schon mit einer Gewinnwarnung hingewiesen. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen wird wohl kaum steigen.
Der Grund dafür ist der Anlagenbau und ist der Schiffsbau – beides wird bei Thyssenkrupp in der Sparte "Industrial Solutions" geführt. Und die hat zuletzt weniger Aufträge bekommen und dadurch einen Millionenverlust verbucht. Überraschend hat Thyssenkrupp außerdem auch die Jahresziele für die eigentlich erfolgreiche Aufzug-Sparte gesenkt. Es ist aber nicht alles nur schlecht: Zum Beispiel konnte Thyssenkrupp im Vergleich zum Vorjahr zuletzt mehr Aufträge einsammeln und den Umsatz steigern.
Der Konzern steht ja wie eingangs beschrieben unter dem Druck von Investoren. Sind die Zahlen Nahrung für deren Kritik?
Man kann es schon so sehen: Kaum ist die kriselnde Stahl-Sparte fusioniert, da gerät das nächste Geschäftsfeld unter Druck. Und es beeinflusst den Gesamtkonzern negativ. Das schlägt genau in die Kerbe, die den Investoren Cevian und Elliott passt. Denn die bemängeln ja, dass die Geschäftsfelder schärfer getrennt werden müssten, um jedes einzelne auf Rendite zu trimmen. Vielleicht auch Sparten zu verkaufen, wenn sie unrentabel sind. Und so den gesamten Konzern schlanker zu machen, wie das im Manager-Sprech heißt. Natürlich auch inklusive der Verwaltung, die man verkleinern kann, wenn man die Geschäftsfelder stärker organisatorisch trennt. Diese Strategie liegt ja gerade schwer im Trend, auch bei anderen Konzernen. Also ich würde damit rechnen, dass wir im Laufe des Tages noch von diesen Investoren hören werden.
Manager und Arbeitnehmer sind ja bisher strikt gegen diesen Kurs. Was haben die den Investoren noch entgegen zu setzen?
Der Übergangschef – Finanzvorstand Guido Kerkhoff – versucht es nun mit klaren Zielvorgaben für alle Sparten, und das bis zum Geschäftsjahr 2020/2021. Dass er von "all unseren Geschäften" spricht, deutet darauf hin, dass er keine Verkäufe will. Dass er einen konkreten Zeitrahmen nennt und insbesondere in der Verwaltung die Kosten weiter senken will, ist zugleich ein Entgegenkommen an die Hedgefonds.
Sprich: Kerkhoff versucht sich hier an einem Balanceakt. Final wird sich erst zeigen, wie die Sache ausgeht, wenn sich das Macht-Dreieck aus den beiden größten Anteilseignern, der Krupp-Stiftung und Cevian, sowie dem Betriebsrat auf einen neuen Aufsichtsratschef geeinigt hat. Diese Personalie dürfte wegweisend sein – denn im Falle eines Patt hat der Chef im Aufsichtsrat immer eine doppelte Stimme. Er muss außerdem einen neuen Vorstandschef finden, der dann eine Strategie für Thyssenkrupp entwerfen – oder auch weiterführen muss.