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Tibet
China will Wiedergeburt des Dalai Lama beeinflussen

Der Dalai Lama ist mittlerweile 80 Jahre alt, und die Debatte um seine Nachfolge läuft. Ausgerechnet China möchte die Tradition der Wiedergeburt des geistlichen Oberhaupts der Tibeter bewahren. Ziel: eine Reinkarnation unter chinesischer Kontrolle.

Von Axel Dorloff |
    Der Dalai Lama.
    Der Dalai Lama hat Ende 2014 angekündigt, dass es möglicherweise keinen Nachfolger des geistlichen tibetischen Oberhauptes geben wird. China reagiert verärgert. (dpa / Sanjay Baid)
    Oft kommt er nicht nach Peking – und vor Journalisten spricht er noch seltener. Der Vorsitzende des Regionalparlaments von Tibet, Padma Choling. Wegen des Nationalen Volkskongresses ist er zurzeit als Delegierter in der chinesischen Hauptstadt. Und sagt zum Dalai Lama genau das, was die chinesische Führung immer wieder gerne wiederholt.
    "Der Dalai Lama muss seine Haltung aufgeben, das Mutterland China spalten zu wollen. Er muss sämtliche Aktivitäten stoppen, die darauf zielen, die nationale Einheit und nationale Solidarität der Volksrepublik zu gefährden. Wir werden alles dagegen tun. Die Delegierten aus Tibet sind sich in diesem Punkt alle einig."
    Alle einig, weil sie alle Peking-treu sind. Padma Choling ist – wie alle anderen tibetischen Delegierten auf dem Volkskongress – von Chinas Führung eingesetzt. Er wiederholt die offizielle Sichtweise Chinas. Und die ist eindeutig: danach gehört Tibet zu China, und der Dalai Lama gilt als gefährlicher Separatist.
    "Ihr glaubt vielleicht, er sei ein religiöser Führer. Ich denke das nicht. Vor 1959 war er ein religiöser Führer und stellvertretender Vorsitzender der Provinz.
    Nachdem er geflohen ist, hat er unser Land und die Menschen betrogen – und hat sich immer wieder an separatistischen Aktivitäten beteiligt, um Tibet vom Mutterland zu spalten."
    Chinas Interesse am Dalai Lama
    Als der Dalai Lama Ende 2014 zum ersten Mal erklärte, dass er möglicherweise der letzte Dalai Lama sei und der Nachfolger auch durch Wahl bestimmt werden könnte, reagierte die chinesische Führung verärgert. Das habe nicht der Dalai Lama zu entscheiden, so der Tenor aus Peking. Das sei Blasphemie gegen den tibetischen Buddhismus.
    Das Chinas Führung sich plötzlich zum Verteidiger der Religion aufspielt und für die Wiedergeburt plädiert, hat politische Gründe. Peking will kontrollieren, wer der 15. Dalai Lama wird, sagt die tibetische Schriftstellerin und Aktivistin Tsering Woeser. Sie hat mehrere Bücher über Tibet geschrieben, die in China verboten sind.
    "Die chinesische Regierung glaubt, wenn sie die Wiedergeburt des Dalai Lama kontrolliert, dann kontrolliert sie ganz Tibet. Aber der Dalai Lama ist das spirituelle Oberhaupt der Buddhisten. Er kann selbst entscheiden, ob er wiedergeboren wird oder nicht. Auch wenn er immer betont, dass das vom Willen der Tibeter abhängt. Ich persönlich glaube, dass es eine Reinkarnation gibt. Wenn der Dalai Lama diese Tradition aufgibt, hat das einen großen Einfluss auf Tibet. Wir Tibeter brauchen den Dalai Lama als Wiedergeburt."
    Und China hat ein klares Interesse, wenn es um die Nachfolge geht: Man möchte die Autorität des nächsten Dalai Lama für die eigene politische Position nutzen. Und das geht nur, wenn man die Nachfolge selbst regelt.
    Wie das funktioniert, hat Peking bereits beim Panchen Lama gezeigt, dem zweithöchsten spirituellen Führer der Tibeter. 1994 fanden tibetische Mönche eine Reinkarnation von ihm, einen sechsjährigen Jungen. Chinas Führung ließ den Jungen verschwinden, an seiner Stelle wurde ein anderer Junge eingesetzt, der dann in Peking erzogen wurde – ein Panchen Lama von Chinas Gnaden.