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Rohstoffe in der Tiefsee
Wie der Meeresbergbau vorangetrieben werden soll

Durch die Energiewende steigt weltweit die Nachfrage nach metallischen Rohstoffen steil an. Der kleine Pazifikstaat Nauru will beim Tiefseebergbau auf Manganknollen vorangehen. Doch es gibt Warnungen, dass es dabei Umweltstandards geben müsse.

Von Dagmar Röhrlich |
    Eine Mitarbeiterin hält in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover eine Manganknolle in der Hand. Der rote Punkt markiert die Oberseite der Knolle. Die in den Manganknollen der Tiefsee ebenfalls angereicherten Metalle Kupfer, Kobalt und Nickel sowie seltenere Spurenmetalle wie Molybdän werden zur Herstellung vieler Produkte der Elektro- und Computerindustrie benötigt. (Archivbild)
    Metallschatz aus der Tiefsee - Manganknollen (picture alliance / dpa / Caroline Seidel)
    In Kingston auf Jamaika tagt derzeit der Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde. Diskutiert wird, welche Spielregeln gelten sollen, falls künftig massenhaft Rohstoffe am Grund der Ozeane gefördert werden - Manganknollen zum Beispiel, die wichtige Metalle wie Kupfer, Nickel, Kobalt und Zink enthalten, die für Elektroautos und Solarzellen gebraucht werden. Die Unterhändler stehen zeitlich unter Druck, recht schnell zu entscheiden.
    Außerhalb nationaler Hoheitsgebiete sind der Tiefseeboden und seine Bodenschätze ein „gemeinsames Erbe der Menschheit“: So steht es im Internationalen Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982. Den Auftrag, dieses gemeinsame Erbe zu verwalten, erhielt die dafür geschaffene Internationale Meeresbodenbehörde ISA.
    Sie soll die Regeln für Erkundung und potentielle Ausbeutung dieser Bodenschätze festlegen, dafür sorgen, dass ein Abbau so umweltverträglich wie möglich geschieht und dafür, dass Einnahmen und Gewinne gerecht mit anderen Staaten geteilt werden. Geregelt ist bisher die Exploration, die Suche nach Bodenschätzen.
    ISA-Generalsekretär Michael Lodge: „Dieses Genehmigungsverfahren gleicht dem für den Bergbau an Land. Sie reichen einen Antrag ein, legen ein Arbeitsprogramm vor, weisen nach, dass Sie technisch und finanziell in der Lage sind, die Arbeiten durchzuführen. Der große Unterschied besteht darin, dass jeder Bewerber um eine ISA-Lizenz von einem der Vertragsstaaten des Seerechts-Übereinkommens unterstützt werden muss – und dieses Land muss die Kontrolle über die geplante Tätigkeit haben.“

    Industrieller Abbau soll geregelt werden

    Derzeit wird mit Hochdruck an den Regularien für den industriellen Abbau gearbeitet, erklärt Carsten Rühlemann, Meeresgeologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR und Mitglied einer Rechts- und Fachkommission bei der Internationalen Meeresbodenbehörde ISA: „Der dritte Entwurf ist jetzt in einer solch fortgeschrittenen Fassung, dass tatsächlich die einzelnen Regularien Wort für Wort bei den Sitzungen der internationalen Meeresbodenbehörde, bei den Sitzungen des Rates, durchgegangen und überarbeitet werden. Also wirklich jedes einzelne Wort dieses 105 Einzelregularien umfassenden Werkes.“
    Darin geht es um Vorschriften zur Berechnung von Gebühren und Abgaben, um die Rechte und Pflichten eines Antragstellers etwa mit Blick auf die Arbeitssicherheit an Bord, um Inspektionen und den Umweltschutz. Die Verhandlungen laufen auch jetzt gerade: Der Rat tagt in Jamaika, dem Sitz der ISA. Man steht unter Termindruck. Der Grund: Im Juni 2021 hat der Inselstaat Nauru eine besondere Bestimmung geltend gemacht, weil die in dem Inselstaat ansässige Firma Nori einen Antrag auf Abbaugenehmigung zu stellen beabsichtige.
    Rühlemann: „Sie haben damit eine Regelung in Gang gesetzt, die sogenannte Zwei-Jahres-Regel, die übrigens auf Betreiben Deutschlands damals in das Seerecht aufgenommen wurde. Diese Regel besagt, dass die Meeresbodenbehörde, nachdem ein Antrag auf Abbau angekündigt wurde, innerhalb von zwei Jahren die Regularien fertigstellen muss.“

    Kritik an mangelnden Umweltstandards

    Bis zum 9. Juli 2023 müssten die im Exekutivrat der ISA vertretenen Staaten die Regelungen angenommen haben. Dieses Reglement könnte dann provisorisch angewandt werden, bis die Vollversammlung der Mitgliedsstaaten eine Entscheidung fällt, erläutert Pradeep Singh vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS in Potsdam. Er ist Experte für Meerespolitik und Seerecht: „Es ist besorgniserregend, dass wir jetzt eine Situation haben, in der es keine oder nur sehr niedrige Umweltstandards gibt und trotzdem Tiefseebergbau betrieben werden könnte.“
    Die Firma Nori gehört der kanadischen Metals Company. Dieses Unternehmen mit Sitz in Vancouver erprobt gerade mit einem umgebauten Bohrschiff den Abbau von Manganknollen im Pazifik. Doch die Erforschung der Umweltfolgen der großräumigen Rohstoff-Ernte am Grund der Tiefsee habe noch gar nicht richtig begonnen, sagt die Meeresbiologin Annemiek Vink von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: „Da ist es tatsächlich wichtig im Moment, dass gewisse Standards entwickelt werden, zum Beispiel wie eine Umweltverträglichkeitsstudie auszusehen hat, wie das Monitoring und Managementsystem auszusehen hat. Und da gibt es auf jeden Fall gute Entwürfe, die jetzt vor allem prozessorientiert sind.“
    Bis kommenden Juli werde man aber kaum fertig werden, urteilt Annemiek Vink. Dazu seien noch zu viele Fragen offen. In ihrem gestrigen Eingangsstatement erklärte die Bundesregierung deshalb bei der ISA-Ratssitzung, Deutschland werde vorerst keine Anträge auf kommerziellen Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee unterstützen und werbe für eine sogenannte „vorsorgliche Pause“, bis wichtige Umweltfragen geklärt und entsprechende Regularien formuliert wurden. Diese Pause, die auch von anderen Staaten gefordert wird, zu erreichen ist nicht trivial. Dafür könnten rechtliche Anpassungen notwendig werden – für die man die entsprechenden Mehrheiten braucht.

    Forscherin: Das Meer ist besiedelt

    Es gehe momentan "sehr schnell", sagte Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtzzentrum für Polar- und Meeresforschung, im Dlf. Gerade auf pazifischen Inseln gebe es ein großes Bestreben von Unternehmen, einfach ausprobieren zu können, ob die seltene Metallen für die Industrieproduktion aus dem Meer zu gewinnen seien. Boetius nannte es "besorgniserregend", dass noch zu wenig bekannt sei über das "Konfliktthema Vielfalt des Lebens" - etwa was seltene Arten und die Funktion von bestimmten Ökosystemen angehe. So könnten Korallenriffe gefährdet sein, würde es zu einem Abbau kommen. Die Umweltkonsequenzen eines Abbaus seien nicht genau bekannt.
    Manganknollen werden am Meeresboden in einer Tiefe von mehreren tausend Metern im Pazifik untersucht
    Manganknollen werden am Meeresboden in einer Tiefe von mehreren tausend Metern im Pazifik untersucht (picture alliance / dpa / BGR)
    "Die Meere sind besiedelt, bewohnt", betonte Boetius. Auch auf Manganknollen würden ganz bestimmte Organismen wachsen. "Der wunderschöne kleine Gespenster-Tintenfisch, der brütet und legt seine Eier auf einem Schwamm, der nur auf einer Manganknolle im Pazifik wächst. Wir müssen einfach immer denken, die Ozeane sind besiedelt, belebt. Und viele Arten kommen nur in sehr dünnen Beständen vor und sind damit leicht gefährdet." Jeder Eingriff an den Meeresboden, das sei auch aus der Schleppnetz-Fischerei bekannt, eine "Zerstörung, von der wir nicht ausschließen können, dass sie großen Schaden anrichtet", sagte die Meeresbiologin. Es müsse vor einem Abbau bewiesen werden, dass kein Schaden zu erwartet ist. Soweit sei man noch nicht, sagte Boetius.
    (Dagmar Roehrlich, Antje Boetius im Gespräch mit Ralf Krauter)