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Tierarzneimittelgesetz
Umwelthilfe: Antibiotika im Stall dringend reduzieren

Der großflächige Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung wird immer wieder kritisiert. Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe fordert vor allem die Verwendung sogenannter Reserveantibiotika drastisch zu senken. Denn auch hier breiteten sich schon Resistenzen aus, sagte sie im Dlf.

Reinhild Benning im Gespräch mit Jule Reimer |
Junge Hähnchen in einer Mastanlage bedienen sich an den Wassertränken. Zu sehen sind ausserdem die Tränkeschalen unter den Tränkenippeln, die verhindern sollen, dass der Untergrund zu feucht wird.
Die Tiere müssen so gehalten werden, dass sie nur noch im Ausnahmefall krank werden - das sei der Schlüssel, um Antibiotika in der Tierhaltung zu reduzieren, meint Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe (picture alliance / Countrypixel/ FRP)
Reserveantibiotika sollen eigentlich nur im Bedarfsfall bei schweren bakteriellen Erkrankungen eingesetzt werden, wenn Standardantibiotika wie zum Beispiel Penicilline nicht mehr wirken.
In Tierställen würden diese eigentlich nur für Menschen bestimmten Reserveantibiotika aber viel zu häufig eingesetzt, sagte Reinhild Benning, Expertin für Landwirtschaft und Umwelt bei der Deutschen Umwelthilfe, im Deutschlandfunk. Mit Blick auf das geplante neue Tierarzneimittelgesetz sei es daher wichtig, ein neues Reduktionsziel für den Einsatz von Antibiotika insgesamt auszurufen und die Reserveantibiotika für die Gruppenbehandlung von Tieren komplett zu verbieten.
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Nach Bennings Einschätzung kommt es vor allem in der Geflügel- und Kälbermast zu oft vor, dass Tierärzte gleich einen großen Tierbestand mit den Arzneimitteln behandeln, auch wenn nur einige wenige Tiere Krankheitssysmptome bilden. Die Pharmaindustrie schaffe dafür zusätzliche Anreize bei der Preisgestaltung der Produkte, so die Experin der Umwelthilfe. Die Folge des Großeinsatzes sei, dass sich schneller Resistenzen bildeten, die dann auch in der Lebensmittelkette des Menschen landeten.
Das Interview im Wortlaut:
Jule Reimer: Können wir davon ausgehen, dass der Einsatz von Reserveantibiotika im Stall wirklich nur in echten Notfällen passiert?
Reinhild Benning: Leider können wir nicht davon ausgehen. Wir müssen davon ausgehen, dass hier Antibiotika auch missbräuchlich eingesetzt werden. Belege dafür sind etwa, dass insgesamt neun von zehn Masthähnchen und Mastputen Antibiotika erhalten, und davon sind rund 40 Prozent Reserveantibiotika. Wenn all diese Tiere krank sind, dann müssen wir die Tierhaltung radikal ändern. Das scheint anzustehen, denn die Verbräuche gehen seit 2014 nicht zurück.
HANDOUT - Zahlreiche männliche Masthühner stehen am 04.01.2016 auf dem Lehr- und Forschungsgut Ruthe (Niedersachsen) in einem Stall. Die Tierärztliche Hochschule Hannover (Tiho) stellt am 21.01.2016 ein Projekt für mehr Tierwohl in der Geflügelhaltung vor. Foto: Sonja von Brethorst/TiHo/dpa (zu lni "Projekt für mehr Tierwohl - Studenten testen halbe Hähnchen" vom 21.01.2016) Achtung: Nutzung nur zu redaktionellen Zwecken im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und vollständiger Nennung: Sonja von Brethorst/TiHo/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Die Antibiotikamengen in der Nutztierhaltung sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Das gilt aber nicht für Masthühner. Beim Federvieh kommen viele Reserveantibiotika zum Einsatz.

Verbesserungen bei Schweinen und Rindern

Reimer: Im Bereich Geflügel. Aber im Bereich Schweine und Rinder ist es deutlich besser geworden.
Benning: Richtig! Dort ist es deutlich besser geworden. Hier scheint man durch die Erfassung in der Antibiotika-Datenbank, in der Tierhaltende die Antibiotika-Häufigkeit eintragen müssen, zu Reduktionsmaßnahmen gelangt zu sein. Dies scheint in der Geflügelhaltung und auch in der Kälberhaltung und Kälbermast nicht zu wirken und daher müssen wir Nachbesserungen schaffen. Dafür ist das Tierarzneimittelgesetz jetzt offen.
Reimer: Sie treten heute Nachmittag bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag zum neuen Tierarzneimittelgesetz auf, das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner vorgelegt wird. Wie müsste das Ihrer Ansicht nach aussehen?
Benning: Was wir uns wünschen ist, dass die Tierhaltung vom Kopf auf die Füße gestellt wird, und das bedeutet, die Tiere müssen so gehalten werden, dass sie nur noch im Ausnahmefall krank werden. Dazu ist es wichtig, ein neues Reduktionsziel auszurufen für die Reduktion von Antibiotika im Stall. Dies hat auch in anderen EU-Ländern deutliche Fortschritte gebracht. Die Regeln für die Tierhaltung müssen verbessert werden. Das wird aber nicht im Tierarzneimittelgesetz verhandelt, sondern im Tierschutzgesetz. Hier liegt im Grunde der Schlüssel, um Antibiotika in der Tierhaltung zu reduzieren. Für das Tierarzneimittelgesetz fordern wir, dass Reserveantibiotika die für Menschen wichtigsten fünf Wirkstoffe in der industriellen Tierhaltung verboten werden, insbesondere in der Gruppenbehandlung.

Antibiotika-Resistenzen in der Lebensmittelkette

Reimer: Ist das bisher nicht so, oder ist das auch für die Zukunft nicht so vorgesehen?
Benning: Richtig! Das ist bisher nicht vorgesehen und hier lässt das Tierarzneimittelgesetz offen, wie die Bundesregierung in Zukunft damit umgehen will. Dies ist aus unserer Sicht zu schwach. Wir sehen bereits jetzt, dass sich Resistenzen aus den Ställen mit den Lebensmitteln und der Gülle verbreiten – in Umwelt, aber vor allen Dingen in unserer Lebensmittelkette. Rund jedes zweite Hähnchen ist mit Antibiotika-Resistenzen behaftet. Verbraucherschutzorganisationen haben gezeigt, ein Drittel der Belastungen sind schon Reserveantibiotika-Resistenzen, und hier muss die Bremse eingezogen werden.
Reimer: Darf ich mal nachfragen? In der Vergangenheit war ja das Problem, dass in Tierställen bereits Antibiotika eingesetzt werden konnten, wenn der Verdacht bestand, dass ein Tier krank war, wo dann vorsorgend die ganze Herde behandelt wurde. Ist das denn mittlerweile geändert?
Benning: Nein, leider ist das noch nicht geändert, sondern die sogenannte Metaphylaxe ist immer noch zulässig. Das bedeutet im Grunde, ein Tierarzt betritt einen großen Tierbestand, meist von mehreren 10.000 Hähnchen oder tausend Schweinen, und nimmt wahr, dass einige Tiere Krankheitssymptome zeigen. Dann darf die ganze Herde behandelt werden. Im Falle von Masthähnchen sind das regelmäßig 40.000 Hähnchen, die dann über das Tränkewasser mit Antibiotika behandelt werden. Aus unserer Sicht ist das ein nicht zulässiger Prozess, denn es werden ja auch gesunde Tiere mit behandelt. Dies ist leider immer noch nicht beendet. Die Metaphylaxe ist im Grunde die neue Prophylaxe. Ganz neu ist das nicht; es ist seit Jahren erlaubt, leider auch nach EU-Recht. Hier hätte die Bundesregierung strengere Maßnahmen erlassen müssen. Denn was wir gesehen haben ist: Seit 2018 müssen für einige wenige Reserveantibiotika Tierärzte einen Erregertest machen. Diese so geregelten Antibiotika sind deutlich zurückgegangen. Das heißt, wenn Tierärzte Auflagen erfahren, gehen sie sorgfältiger mit Antibiotika um. Im aktuellen Entwurf des Tierarzneimittelgesetzes werden aber so gut wie keine Regulierungen für Tierärzte erlassen und daher müssen wir fürchten, dass der Missbrauch weitergeht.

"Tierarztpraxen haben hohe Umsätze mit Antibiotika-Verkauf"

Reimer: In der Vergangenheit war es so, dass die Tierärzte auch gleichzeitig diejenigen waren, die die Arzneimittel vertrieben haben. Ist das ein sinnvoller Weg? Wird das weiter so praktiziert?
Benning: Auch das Dispensierrecht – so wird es genannt im Tierarzneimittelrecht -, was Sie beschrieben haben, dass der Tierarzt daran verdient, dass er zum einen ein Antibiotikum verschreibt, aber dann auch verkauft. Einige Tierarztpraxen haben sehr hohe Umsätze mit dem Verkauf von Antibiotika. Dies ist aus unserer Sicht ein Anreiz, um höhere Umsätze mit Antibiotika zu erzielen, zumal es dann in sehr großen Mengen auch Rabatte seitens der Pharmaunternehmen gibt für die Tierarztpraxen, die große Mengen absetzen. Aus unserer Sicht ein Fehlanreiz, der auch dringend gestoppt werden muss. Leider hat auch hier das Tierarzneimittelgesetz eine Fehlanzeige.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.