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Tiergottesdienste
Segen für die Katz

Zum evangelischen Kirchentag "Mensch-Tier-Schöpfung" in Dortmund wurden auch Hunde und Katzen, Ziegen und Pferde eingeladen. Theologisch ist der Tiersegen durchaus umstritten, doch davon war im Gottesdienst nichts zu spüren. Impressionen zwischen Beten und Bellen.

Von Samuel Acker |
    Ljomi ist klein und flauschig, kann aber ganz schön Lärm machen. Beate Marschke bringt ihren Islandhund mit beruhigenden Worten aber schnell zum Schweigen. Ljomi nimmt in Dortmund teil an einem besonderen Gottesdienst: Dort beten Menschen und Tiere zusammen. Beate Marschke ist zum ersten Mal gekommen, und hat ihren Hund aus einem speziellen Grund mitgebracht. "Also, Ljomi ist am 29. August operiert worden, er hat einen bösartigen Tumor. Aber ist mittlerweile schon wieder gut dabei. Und ich hoffe, dass ich ihn hier heute segnen lassen kann."
    Dass Menschen sich zusammen mit Hund, Katze oder Meerschwein segnen lassen können, ist Teil des Kirchentags "Mensch-Tier-Schöpfung". Organisiert wird das ganze von Pfarrer Friedrich Laker von der evangelischen Pauluskirche. Er will vor allem eines vermitteln: "Die Erfahrung, dass so ein Tier ein Wesen ist, ein Lebewesen, mit eigenem Wert und eigener Würde. Und das wollen wir dann auch sinnlich umsetzen bei so einer Veranstaltung in der Kirche."
    Sinnlich umsetzen heißt, neben den Haustieren, welche die rund 100 Gläubigen in die Kirche mitbringen, lädt Laker selbst auch ein Pferd und zwei Ziegen zum Gottesdienst ein. An diesem Tag geben in der Kirche aber klar die Hunde den Ton an. "Ein herzliches Willkommen ihnen allen zum Gottesdienst mit Menschen und Tieren."
    Aggression ist unerwünscht
    Es ist laut in der Pauluskirche - immer wieder setzen die rund 20 Hunde zum gemeinsamen Bellkonzert an. Die Ziegen knabbern derweil kurz an Blumen, die vor dem Altar stehen. Stört das nicht das Sakrale, das Erhabene eines Gottesdienstes? Pfarrer Laker findet: Nein! "Da könnte ich dann provokanterweise auch sagen: Da stört Kindergeschrei dann auch, ja. Wenn Kinder durch die Kirche laufen oder laut sind, weil sie nicht verstehen was von den Erwachsenen gesagt wird."
    Es sei daher nur fair, zumindest gelegentlich auch Tiere in den Gottesdienst einzuladen. Allerdings sind die Halter aufgefordert, nur Tiere mitzubringen, die für den Besuch in der Kirche geeignet sind, also zum Beispiel nicht aggressiv auf andere Tiere reagieren.
    Das Thema "Tierschutz" spielt eine große Rolle in Lakers Gemeinde: Er versucht auf Kirchenfesten immer auch veganes Essen anzubieten und hat in Predigten die Massentierhaltung kritisiert. Laker sagt, der Mensch müsse Tiere nicht mehr als etwas begreifen das er ausbeuten darf, sondern als gleichberechtigtes Mitgeschöpf. Und man müsse sie auch als spirituelle Wesen betrachten, denn Tiere hätten eine ganz natürliche Achtung vor dem Leben.
    "Und da möchte ich auch von wegkommen, dass ich das unterschiedlich werte. Das Gebet des Menschen ist in keiner Weise bedeutsamer, wichtiger oder effektiver als das Zwiegespräch, das ein Tier ganz selbstverständlich mit seinem Schöpfer hat." Allerdings gibt es an der Idee, Hunde und Katzen in den Gottesdienst einzuladen, auch Kritik. In der katholischen Kirche hat das Segnen von Tieren durchaus eine gewisse Tradition, zum Beispiel bei Pferden. In der evangelischen Kirche wird darüber gestritten, ob auch nicht-menschlichen Geschöpfen Gottes Segen zusteht. Schließlich könnten diese das Gebet nicht verstehen.
    Dass die Tiere den religiösen Sinn der Veranstaltung verstehen, glaubt auch Leon Walli nicht. Der 35-Jährige ist mit seinen zwei kleinen Kindern und zwei Hunden zum Gottesdienst gekommen. Immer mit Tieren möchte er aber nicht in die Kirche. "Ich fand das sehr schön heute, muss ich sagen. Es ist locker, bringt Unruhe rein, was der Kirche aber auch mal gut tut, mehr Leben. Aber ob ich das immer wollen würde, da bin ich mir unsicher. Weil das schon recht chaotisch werden kann, vor allem wenn sich die Hunde nicht grün sind miteinander."
    Attraktive Pudeldame
    Islandhund Ljomi hat sich in den letzten Minuten aber zusammengerissen. Nun lässt sich seine Besitzerin mit ihm von Pfarrer Friedrich Laker segnen.
    Laker: "Ljomi und Beate, Gott segne und behüte euch. Auch in schwierigen Tagen eures Lebens. Ljomi, du mögest noch lange gesund, behütet und beschützt sein. Gott möge euch noch lange eine Zeit der Freundschaft und der Liebe zueinander schenken. So begleite euch der Gott des Friedens, Amen."
    Nach der Segnung diskutieren die Gläubigen noch ein wenig bei veganen Snacks im Kirchhof. Tofu und Anti-Pelz-Kampagnen sind zwar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch in der Kirche sei man mit der deutlichen Position zur Tierliebe noch Außenseiter. Beate Marschke ist mit dem Gottesdienst in Dortmund aber sehr zufrieden. "Ich bin ganz gerührt. Der ganze Ablauf war sehr angenehm, so einen Gottesdienst habe ich so noch nicht erlebt. Auch in dieser Harmonie!" Ljomi freundet sich derweil bellend mit einer Pudeldame an.