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Tierhaltung mit weniger Antibiotika

Im vergangenen Jahr deckten Verbraucherschützer auf, dass erschreckend viele Fleischprodukte mit antibiotikaresistenten Keimen belastet sind. Ein neues Arzneimittelgesetz soll den Einsatz von Antibiotika in der Mast beschränken.

Von Stefanie Rohde |
    Es war ein Kräftemessen zwischen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner und den Bundesländern, bei dem sich jetzt beide zum Sieger erklären. Aigner bezeichnete das Gesetz als einen großen Fortschritt für den Verbraucherschutz und betonte:

    "Wir können den Einsatz von Antibiotika in Deutschland innerhalb weniger Jahre deutlich senken, wenn Länder und Bund gemeinsam an einem Strang ziehen."

    Doch monatelang haben Bund und Länder miteinander gerungen.

    Den rot-grün regierten Bundesländern war Aigners ursprüngliches Gesetz zu wenig konkret. Der Kern des Gesetzes ist geblieben: Mastbetriebe melden müssen, welche Medikamente sie den Tieren verabreichen. Betriebe, die übermäßig viele Antibiotika eingesetzt haben, müssen in Zukunft erklären, wie sie weniger verfüttern könnten. Eine bundesweite Datenbank soll den Einsatz von Antibiotika transparent machen.

    Die rot-grün regierten Bundesländer forderten zusätzlich, die Kontrollen von Mastbetrieben zu verschärfen. Deshalb stoppten sie das Gesetz im Bundesrat vor drei Monaten und riefen den Vermittlungsausschuss an. Heute wollen die Vertreter von Bundestag und Bundesrat nun ihren Kompromissvorschlag präsentieren. Die wichtigste Änderung: Die Veterinärbehörden der Länder sollen jetzt intensiver kontrollieren dürfen als zuvor. Sie können Betriebe sogar zeitweise stilllegen, wenn diese den Tieren übermäßig viele Antibiotika verabreicht haben.

    Die Grünen sprechen von einer "substanziellen Verbesserung", die in Aigners Gesetzentwurf nicht vorgesehen gewesen sei. Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff kündigt jedoch auch schon Nachbesserungen an:

    "Das, was möglich schien, ist deutlich mehr gekommen. Wir hatten uns nicht gedacht, als der Vermittlungsausschuss losging, dass wir so weit kommen. Aber die Transparenz muss deutlich erhöht werden, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben das Recht - und die Behörden allemal -, wenn es Ermittlungsergebnisse gibt, reinzuschauen. Und das sind natürlich Punkte, wo wir noch mal ran müssen."

    Obwohl es gelungen sei, die Transparenz etwas zu erhöhen, wird nach wie vor kritisiert, dass die Daten über die Verfütterung von Medikamenten nicht an Dritte weitergegeben werden können. Damit könnte auch verschleiert werden, wie viele Medikamente überhaupt verabreicht werden. Das befürchtet zumindest der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar:

    "Auch diese sogenannte Kompromissformulierung enthält hierzu keine Aussage, sondern eine strikte Zweckbindung, die besagt, dass die Behörden diese Informationen verwenden dürfen, zum Beispiel um Verstöße zu verfolgen, das ist eine Veränderung gegenüber der Vorfassung, aber das bedeutet nicht, dass sie die an Dritte weitergeben zum Beispiel nach dem Verbraucherinformationsgesetz oder den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes oder der Länder. Insofern bleibt das Ganze intransparent und es wird nicht bekannt, in welchem Ausmaße Arzneimittel speziell Antibiotika gegeben werden."

    Die Agrarexpertin der FDP, Christel Happach Kasan, hingegen betont, dass sowohl dem Datenschutz als auch der Verbraucherinformation Rechnung getragen würde:

    "Wenn wir diese Daten erarbeiten wollen, dann brauchen wir das Vertrauen der Bauern zu den Behörden. Deswegen muss es sicher sein, dass diese vertraulich gegebenen Daten auch vertraulich bleiben. Wobei Transparenz gewährleistet ist, weil wir die Übersicht bekommen werden über den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung in Deutschland bei allen Tieren, die mit dem Ziel der Mast gehalten werden."

    In einem sind sich alle einig: Der Einsatz von Antibiotika muss so schnell wie möglich gesenkt werden. Inzwischen sind rund 700.000 Personen in Deutschland mit antibiotikaresistenten Bakterien infiziert, schätzt die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin. Weltweit sterben laut der europäischen Arzneimittelbehörde jährlich rund 25.000 Menschen an den resistenten Keimen.

    Wenn der Vermittlungsausschuss den Einigungsvorschlag heute beschließt, dürfte auch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat sicher sein. Das Gesetz könnte dann Anfang 2014 in Kraft treten.