Wenn man bei kleinen Nagetieren nach Verhaltensweisen sucht, die sich als eine Form von Mitgefühl oder Empathie deuten lassen, sind Präriewühlmäuse geradezu prädestiniert dafür.
"Präriewühlmäuse sind sehr soziale Tiere. Sie leben monogam in lebenslangen Partnerschaften. Männchen wie Weibchen kümmern sich gleichermaßen um den Nachwuchs. Es macht richtig Spaß, mit ihnen zu arbeiten."
James Burkett ist Neurobiologe an der Emory University in Atlanta. Er gehört zu einer Arbeitsgruppe des Verhaltensforschers Frans de Waal. Dieser wurde durch seine Studien zur Empathie bei Menschen und anderen großen Säugetieren bekannt. Er war der erste, der nachweisen konnte, dass Menschenaffen sich in Situationen von Stress und Angst gegenseitig trösten. Von kleinen Nagetieren war ein solches Verhalten bisher nicht bekannt. Doch genau das hat James Burkett in Versuchen beobachtet.
"Die Präriewühlmäuse können das Leid ihres Partners erkennen, wenn dieser verletzt oder verängstigt wurde. Sie nähern sich dem anderen, lecken und pflegen ihn. Das hilft, den Gestressten zu beruhigen."
Tiere spendeten sich Trost
In seinen Experimenten trennte James Burkett immer wieder Wühlmauspaare für rund 25 Minuten voneinander. Jeweils eins der Tiere wurde in dieser Zeit schwachen Elektroschocks und angsteinflößenden Tönen ausgesetzt. Anschließend brachte der Forscher das Paar wieder zusammen. Stets spendeten die bei der Trennung nicht verschreckten Tiere den anderen Trost.
"Ein solches tröstendes Verhalten war lange Zeit nur von Tieren mit großen Gehirnen bekannt wie Menschenaffen oder Hunden. Das führte zu der Annahme, dass man höher entwickelte kognitive Fähigkeiten braucht, um die seelische Lage eines anderen verstehen zu können und ihn zu trösten. Aber es zeigt sich, dass auch Präriewühlmäuse, die keine große Intelligenz besitzen, den Stress eines anderen Tieres wahrnehmen und sich darum kümmern. Wir glauben jetzt, dass eine solche empathische Reaktion nicht auf kognitiven Fähigkeiten beruht. Es ist eher eine Art altruistischer Impuls – ein Instinkt, sich für den anderen einzusetzen."
Was James Burkett in diesem Glauben bestärkt, ist eine weitere Erkenntnis. Studien an Menschen haben gezeigt, dass für die Stärke einer empathischen Reaktion das Hormon Oxytocin eine wichtige Rolle spielt. Zudem ist offenbar auch eine bestimmte Hirnregion, der vordere cinguläre Cortex, an Empathie beteiligt. Burkett konnte jetzt nachweisen, dass beides genauso für die Präriewühlmäuse gilt. Und noch mehr: Wenn er bei den Versuchstieren die Wirkung des Oxytocins gezielt im vorderen cingulären Cortex durch das Einspritzen eines Gegenmittels hemmte, blieb die sich kümmernde Verhaltensweise aus. Interessant ist das, weil es neue Erkenntniswege auch für die Grundlagen der Empathie beim Menschen öffnet.
"Mit Präriewühlmäusen als Labormodell können wir in Experimenten viel weiter gehen als mit menschlichen Probanden. So können wir die feinen Mechanismen untersuchen, die im Gehirn zu Mitgefühl und tröstendem Verhalten führen. Das wäre zum Beispiel relevant für das Verständnis von psychischen Krankheiten wie Autismus, Schizophrenie oder Psychopathie. Sie gehen mit einer mangelnden Fähigkeit zur Erkennung von Emotionen einher. Wir wissen noch nicht viel darüber, was zu diesen Beeinträchtigungen im Gehirn führt. Präriewühlmäuse könnten uns helfen, mehr über die biologischen Mechanismen dahinter zu erfahren. Vielleicht führt uns das sogar zu neuen Strategien in der Behandlung dieser psychischen Erkrankungen."