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Tierische Navigationskünstler

Zoologie.- Jedes Jahr im Herbst ziehen die nordamerikanischen Monarchfalter zu Millionen in ihr Winterquartier nach Mexiko. Am Ende dieser bis zu 4000 Kilometer langen Reise finden sie ihr Ziel immer nahezu genau. Wie ihnen das gelingt, konnte jetzt ein internationales Forscherteam klären.

Von Michael Stang |
    "Ich bin, seit ich zehn Jahre alt war, fasziniert davon, wie Tiere ihren Weg finden über lange Distanzen."

    Eigentlich hätten ihn immer Vögel fasziniert, aber weil er nach seiner Doktorarbeit einige Zeit in Kanada geforscht habe, sei er an den orange-schwarzen Monarchfaltern nicht vorbeigekommen, so der dänische Biologe Henrik Mouritsen. Der Professor, der mittlerweile an der Universität Oldenburg forscht, versucht seit mehr als zehn Jahren zusammen mit kanadischen Wissenschaftlern eines der großen Rätsel der Naturgeschichte zu lösen.

    "Das Phänomen ist ja wahnsinnig faszinierend, weil: Ein kleiner Schmetterling fliegt 3500 Kilometer nach Mexiko und trifft einen Ort, der wenige Kilometer breit ist und fliegt dann halbwegs zurück im Frühjahr, da brütet er. Die nächste Generation fliegt weiter, kommt in Kanada an, dann gibt es zwei nicht migratorische Sommergenerationen, und die vierte bis fünfte Generation Nachkommen fliegt ein Jahr später wieder nach Mexiko zu den gleichen Bäumen hin."

    Bislang galt die Überlegung, dass die Schmetterlinge eine solche Zielgenauigkeit nur mit einer inneren Karte schaffen können, die von Generation zu Generation weitervererbt wird. Bei ersten Studien vor mehr als zwölf Jahren hatte Henrik Mouritsen zeigen können, dass die Falter einen Sonnenkompass besitzen. Die Suche nach einem Magnetsinn, wie ihn etwa Zugvögel benutzen, blieb hingegen bislang ohne Erfolg. Um zu klären, wie gut die Tiere ihr Winterquartier ansteuern, flogen die Forscher nach Ontario in Nordamerika zu Monarchfaltern, kurz bevor diese zur Überwinterung nach Mexiko aufbrachen. Um die Tiere zu testen, benutzten die Biologen einen Flugsimulator. Dieser besteht aus einer Trommel, in deren Mitte ein Falter an einem Faden befestigt wird. Ein Luftzug lässt ihn auf der Stelle fliegen, ohne dabei eine Richtung vorzugeben.

    "Und wir registrieren dann über einen kleinen Computer, wo er hinfliegt und können dann nachher den virtuellen Weg rekonstruieren. Also, wo wäre er hingeflogen, wenn er frei geflogen wäre?"

    Alle getesteten Tiere schlugen einen südwestlichen Kurs ein. Danach packten die Wissenschaftler die Schmetterlinge in einen Käfig und fuhren vier Tage lang mit dem Auto 2500 Kilometer bis nach Calgary. Dort wollten die Forscher die Falter erneut im Flugsimulator testen und klären, ob die Tiere "true navigators", also wahre Navigatoren, sind oder nicht.

    "Ein true navigator hat eine Karte und einen Kompass, weiß immer, wo er ist und setzt dann diesen Kompass ein, um in der richtigen Richtung Richtung Ziel zu fliegen. Und ein Nicht-true-navigator hat zum Beispiel nur einen Kompass, hat keine Ahnung, wo er ist, aber schafft es aus verschiedenen Gründen trotzdem zum Ziel."

    Die Frage war: Können die Tiere tatsächlich ihre aktuelle Lage bestimmen? Dies müsste, so die These, die Voraussetzung sein, wenn die Falter eine innere Karte haben. Nach der Ankunft in Calgary standen die nächsten Tests an. Das Ergebnis war eindeutig und für die Wissenschaftler überraschend.

    "Dass die überhaupt keine Ahnung hatten, dass sie 2500 Kilometer nach Westen versetzt worden sind. Die besitzen nur ein Zeit- und Kompassprogramm und die haben gar keine Ahnung, wo sie sind."

    Dennoch finden sie ihr Ziel. Die Schmetterlinge fliegen nicht über Wasser und nicht über Bergketten. Bei ihrem Flug gen Südwesten treffen sie irgendwann auf die Rocky Mountains, die nordsüdlich verlaufen. Dann bevorzugen die Tiere die südliche Richtung und fliegen entlang der Berge gen Süden und zwar so lange, bis sie auf die Küste treffen. Dieser folgen die Falter dann bis hinunter nach Mexiko. Diese Trichterwände – Rocky Mountains auf der einen, die Küstenlinie auf der anderen Seite – führen dazu, dass Millionen von Monarchfaltern immer exakt zu derselben Stelle geleitet werden. Endstation und Winterquartier ist die erste querstehende Bergkette, das Hochland von Michoacán in Zentralmexiko. Die Falter sind also keine perfekten Navigatoren, sondern werden lediglich von den geografischen Bedingungen nach Mexiko getrieben. Das bestätigten auch Daten von rund 400 Monarchfaltern, die zwischen 1952 und 2004 gesammelt wurden. Und irgendwann wiederholt sich die Geschichte. Die letzte Sommergeneration fliegt wieder zurück. Und das Bild des Trichters passt auch hier, so Henrik Mouritsen.

    "Im Frühjahr, wenn sie wieder nach Norden fliegen, breiten sie sich in ganz Nordamerika aus."