Der eindrucksvolle Balzgesang ist nicht die einzige Besonderheit von Albatrossen. Die großen Arten bringen um die zwölf Kilogramm auf die Waage. Und trotzdem gehören sie zu den geschicktesten Flugvögeln der Welt. Außerdem können sie sehr weite Strecken zurücklegen und Fischereiboote aus 30 Kilometern Entfernung aufspüren. All das macht sie zu perfekten Mitarbeitern für ein Überwachungssystem, das Henri Weimerskirch von der französischen Forschungsorganisation CNRS und seine Kollegen mehrere Jahre lang getestet haben.
"Alles fing mit einem normalen Forschungsprojekt an, in dem wir herausfinden wollten, ob junge Albatrosse von Fischerbooten angelockt werden. Wir hatten für diesen Zweck spezielle Logger entwickelt, die wir an den Tieren angebracht haben und mit deren Hilfe wir ihre Routen per GPS verfolgen konnten. Diese Logger haben gleichzeitig die Radarsignale von Schiffen aufgezeichnet. Und so konnten wir nachvollziehen, wann immer die Albatrosse Fischerbooten folgten - und welche dieser Schiffe illegal unterwegs waren."
Viele Fischerboote inkognito unterwegs
Normalerweise ist es für Fischer Pflicht, während der Fahrt das so genannte automatische Identifikations-System AiS einzuschalten. Mit diesem senden Schiffe per Funk kontinuierlich Daten über ihre Identität und ihre aktuelle Position. Doch als die Forscher die von den Albatrossen aufgezeichneten Routen mit den offiziell verfügbaren AiS-Daten von Schiffen im südlichen Indischen Ozean verglichen, stellten sie fest: Etwa 30 Prozent der verfolgten Fischerboote waren sozusagen inkognito unterwegs. Sie hatten ihr Identifikationssystem einfach ausgeschaltet.
"Normalerweise würde man erwarten, dass alle Boote ihr Identifikationssystem aus Sicherheitsgründen nutzen. Damit jeder weiß, wo sich das Fahrzeug gerade befindet und Zusammenstöße verhindert werden. Deshalb war es für uns überraschend zu sehen, dass 30 Prozent der Fischerboote dieses Erkennungssystem ausschalten. Aber vielleicht ist es auch nicht so überraschend, wenn man bedenkt, dass es für Fischerboote auch ein Nachteil sein kann, von anderen erkannt zu werden. Denn dann wissen andere Fischer: Dort, wo die unterwegs sind, gibt es Fische."
Bald auch Logger für Schildkröten und Haie?
Gleichzeitig wird es einfacher, illegal zu fischen, wenn ein Boot unerkannt unterwegs ist. So haben Weimerskirch und seine Kollegen beobachtet, dass Fischerboote, die am Rand von so genannten Economic Exclusive Zones unterwegs sind, ihr AiS Signal manchmal für mehrere Wochen ausschalten. In diesen Zonen müssen Boote eine Lizenz haben, um fischen zu dürfen. Bei Operationen unterm Radar liegt deshalb der Verdacht nahe, dass Fanggründe unerlaubt geplündert werden. Mithilfe der Radar-Daten von den Loggern der Albatrosse könnten solche illegalen Boote künftig leichter dingfest gemacht werden. Möglicherweise lassen sich mit diesen Messgeräten aber auch Boote identifizieren, die illegal geschützte Tierarten fangen.
"Die Logger, die wir benutzt haben, wurden von einer Firma extra für große Seevögel entwickelt. Aber jetzt haben auch andere Forscher die Hersteller kontaktiert, um solche Logger für Schildkröten oder Haie entwickeln zu lassen. Sobald die Tiere aus dem Wasser gezogen werden, fangen die Datenspeicher an zu funken. Und damit wüssten die Forscher, wo bestimmte Arten gefangen werden."
Albatrosse verfolgen Boote sehr effektiv
169 Albatrosse hatten Henri Weimerskirch und seine Kollegen in ihren ersten Versuchen mit kleinen Sendern bestückt. Nun wollen die Forscher in weiteren Experimenten testen, ob sich Albatrosse und andere Seevögel als fliegende Überwachungsgeräte auf den Weltmeeren einsetzen lassen. Dass die Tiere Boote sehr effektiv verfolgen können, haben sie jedenfalls schon unter Beweis gestellt.
"Als wir letztes Jahr Schiffe mithilfe der Albatrosse verfolgten, bekamen wir einmal ein sehr starkes Signal eines Boots, das kein AiS benutzte. Es fuhr entlang der Küste, was sehr überraschend war. Wir haben daraufhin die Behörden kontaktiert und gesagt: "Schaut hier, da fährt ein illegales Boot ohne AiS." Und dann stellte sich heraus, dass das Boot zur Marine gehörte und unterwegs war, um illegale Fischerboote aufzuspüren. Und sowas ist uns mehrmals passiert."