Wenn im Sommer eine Schale mit Obst auf dem Tisch steht, dann dauert es meist nicht lange, bis Fruchtfliegen sie aufgespürt haben. Ihr Geruchssinn leitet die kleinen Insekten zielsicher zu Apfel, Birne und Banane. Welche Gerüche Drosophila melanogaster wahrnehmen kann und wie sie diese im Gehirn verarbeitet, erforscht Professor Giovanni Galizia mit seinem Team an der Universität Konstanz.
"Wir haben in den Arbeiten der letzten Jahre oft gesehen, dass das olfaktorische System, also das Duftriechsystem der Fruchtfliege sehr, sehr breit gefächert ist. Viele, viele Chemikalien können gerochen werden, sehr viel mehr Chemikalien, als wir in einem normalen ökologischen Alltag der Fruchtfliege erwarten würden und da lag dann der Schritt zu, aus Sicht der Fliege, ganz abstrusen Düften relativ nahe."
Die Forscher wollten testen, ob Fruchtfliegen den Geruch von Brustkrebszellen vom Geruch normaler Zellen unterscheiden können. Sie setzten dafür besondere Fliegen ein.
"Fruchtfliegen, die in den Duftsinneszellen ein neues Gen haben. Ein Gen, das ein Protein kodiert, das in seinen Farbeigenschaften, also in seiner Fluoreszenz auf die Kalzium-Konzentration in den Zellen reagiert."
Nehmen die Fruchtfliegen etwas wahr, steigt die Kalzium-Konzentration in den betroffenen Duftsinneszellen an und das Protein leuchtet stärker. Unter einem Fluoreszenzmikroskop können Galizia und seine Kollegen dies sehen. Bei verschiedenen Düften werden die einzelnen Gruppen der Sinneszellen unterschiedlich stark gereizt.
"Wir haben auf die Antennen, also auf die Fühler der Fliegen geschaut, und da wir wissen, dass die verschiedenen Duftsinneszellen an unterschiedlichen Stellen auf der Antenne sind, sehen wir praktisch dieses Muster von aktiven, nicht aktiven und mittelaktiven Zellen als ein räumliches Muster."
Die Biologen hatten über Petrischalen, in denen Brustkrebszellen wuchsen, die Luft abgesaugt. Sie sammelten Proben von unterschiedlichen Brustkrebs-Zelllinien und leiteten die Luft mit einem dünnen Schlauch auf die Antennen der Fruchtfliegen. Unter dem Mikroskop entstanden schließlich 3D-Bilder mit leuchtenden Flecken. Die Fliegen mussten dafür nicht trainieren, sie haben einfach gerochen.
"Was wir gesehen haben, ist, dass verschiedene Krebszelllinien unterschiedliche Muster, aber zueinander ähnliche Muster erzeugen im Vergleich zum Nährmedium, was immer in diesen Kulturen mit drin ist und im Vergleich zu gesunden Zellen."
Hatten die Fruchtfliegen Brustkrebszellen gerochen, konnte Giovanni Galizia ein deutlich anderes Muster sehen als bei den gesunden Zellen.
"Das heißt, es gibt etwas, in den krebskranken Zellen, was die produzieren, was riecht, was entweder als Substanz oder als Gruppe von Substanzen besonders ist. Oder, und das ist eigentlich eher unsere Hypothese, oder es ist eine Verschiebung von den Substanzen, die darin sind."
Der Neurobiologe will von den kleinen Fruchtfliegen lernen, möglich, dass auch andere Krankheiten ihre Spuren in den Geruchsmolekülen hinterlassen. Noch warnt er vor allzu hohen Erwartungen.
"Vielleicht hatten wir bei Brustkrebs gerade großes Glück. Und da haben wir gerade ein paar Substanzen erwischt, für die die Fliege sehr sensitiv ist. Und wenn wir das jetzt mit anderen Krebsarten oder mit Tuberkulose machen, kriegen wir keine Unterschiede heraus, weil die Fliege darauf nicht reagiert..."
Bei weiteren Versuchen wird sich zeigen, wie breit das Duftspektrum der Fruchtfliegen wirklich ist.