Ihr dürft promovieren - dafür müsst ihr umsonst arbeiten: Bis vor wenigen Wochen war das Praxis in der Medizinischen Kleintierklinik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, kurz LMU. So zumindest behauptete ein Doktorand in einem anonymen Brief Ende Februar an Politiker, Behörden und Medien. Bei der Beschäftigung der Doktoranden an der Klinik verstoße die Uni gegen das neue Mindestlohngesetz: Denn beinahe jeder von ihnen erhalte weit weniger als 8,50 Euro die Stunde. Eine die namentlich ebenfalls nicht genannt werden will, erzählt:
"Ein Arbeitstag hatte um die 14 Stunden. Dazu kamen Wochenend-, Feiertags und Nachtdienste. Da waren wir teilweise ganz allein verantwortlich. Und all das ohne irgendeine Form der Vergütung - weder Dank noch Geld. Das wurde einfach vorausgesetzt. Man musste mitmachen, sonst konnte man seine Doktorarbeit vergessen."
Weder Dank noch Geld
Nach dem Arbeitsvertrag an der MTK gab es lediglich Geld für ein paar wenige oder sogar nur eine einzige Stunde "Bürotätigkeiten". So kamen fast alle Doktoranden auf einen Monatslohn zwischen zehn und 451 Euro. Bei einem tatsächlichen Gesamtaufwand von im Schnitt mindestens 20 Wochenstunden. Aber die Arbeit in der Klinik ist nach dem Verständnis der Leitung Teil der Ausbildung, für die keine Bezahlung vorgesehen war. Eine Sichtweise, die Uni- und Fakultätsleitung mittlerweile revidiert haben. Uni-Präsident Bernd Huber:
"Es hat konkret ja einen anonymen Brief gegeben, der auch zu uns gelangt ist. Was klar geworden ist, ist, dass im Rahmen der klinischen Tätigkeit dieser Doktoranden Tätigkeiten stattfinden, die nach dem Mindestlohngesetz zu vergüten sind. Vergangenen Monat rückte der Zoll in der MTK an."
Er ist zuständig, wenn es um die Einhaltung des Mindestlohn-Gesetzes geht. Tags drauf wurden die Doktoranden aus der Klinik abgezogen. Fakultät und Unileitung erarbeiten derzeit ein Konzept zur Verbesserung der Situation.
"Erstens: Wir wollen ein tragfähiges Modell zur Verfügung stellen, mit dem auch die klinische Beschäftigung von Doktoranden in der tierärztlichen Fakultät ermöglicht wird. Zweitens wollen wir das Ganze konsistent mit dem Mindestlohn-Gesetz erreichen. Wir wollen zum Dritten sicherstellen, dass insbesondere Diejenigen, die seit dem 1. Januar in der Klinik tätig waren, auch eine angemessene Vergütung erhalten. Das war unsere Aufgabe und die haben wir gelöst."
Klare Trennung von der Klinikarbeit
Künftige Verträge sollen die Ausbildung der Doktoranden also klar trennen von der Klinikarbeit. Diese Arbeit ehrlich nach dem Mindestlohn vergüten. In dieser Woche will die Fakultät das Konzept in die Praxis umsetzen. Die Diskussion ging übrigens bis in den Landtag. Vor dem zuständigen Ausschuss stand ein Ministeriums-Beamter. Der Wissenschaftsminister fordert in einem Brief alle bayerischen Hochschul-Präsidenten auf, den Mindestlohn zu zahlen. Dass die Verhältnisse an der MTK öffentlich geworden sind und sich nun etwas ändert, findet Leo Deger gut. Er ist Vorsitzender der VetDocs, dem Tiermedizin-Doktorandenverein an der LMU, und gibt zu bedenken:
"Das ganze ist im Moment tatsächlich: Die Kleintierklinik in München, die Fakultät in München, damit die LMU in München, damit das Ministerium in Bayern. Und die Diskussion schlägt keine größeren Wellen was das angeht. Und ich denk das ist ne Frage der Zeit, bis es auch in den anderen Fakultäten zu dieser Diskussion kommen muss. Weil es einfach diese rechtliche Unsicherheit gibt, seit Einführung des Mindestlohns."
Sichern die Doktoranden schlicht das Überleben der Klinik?
Leo Deger erzählt: Nicht nur in München, sondern auch an den vier anderen Tiermedizin-Fakultäten in Deutschland gibt es solche Probleme. Denn wie Doktoranden in den Kliniken arbeiten, das sei nirgends vernünftig geregelt. Es gehe um diese Fragen: Wo bleibt die Ausbildung, wenn die Doktoranden allein Verantwortung tragen? Inwiefern geht es überhaupt um eine Betreuung? Sichern die Doktoranden schlicht das Überleben der Klinik? Inwieweit wird ausgenutzt, dass so viele Tiermediziner promovieren wollen? Ob diese Fragen mit dem neuen Arbeits- und Lohnkonzept an der LMU in München geklärt sind - oder ob es lediglich Rechtssicherheit für die Uni als Arbeitgeber schafft: Das wird sich wohl bald zeigen.
"Ich kann so nicht weiterarbeiten, ich hab kein Geld mehr, ich hab meine Reserven aufgebraucht, ich bin nervlich am Ende, ich hab den ganzen Tag gearbeitet, jetzt muss ich noch irgendwie nachts bei der Tanke arbeiten, damit ich das Geld reinkriege. Das sind die Probleme, mit denen die Leute ja schon jahrelang auf uns zukommen. Jetzt gabs eben diesen Kanal sozusagen, das ganze juristisch zu verfolgen. Und der ist ja sofort genutzt worden! Also dieses Mindestlohn-Gesetz bestand nicht sehr lange und dann hat Jemand das ausgenutzt. Und daran sieht man, auch, dass diese gefühlte Ungerechtigkeit schon sehr lang existiert hat. Und einfach nur drauf gewartet, hat dass sich da ne Möglichkeit auftut."