"Das ist Lanky, das ist eine Labradorhündin. Und die da hinten verschwindet gerade, ist meine Hündin. Die heißt Amy, ist eine sieben Jahre alte Golden-Retriever-Hündin."
Es ist kalt, es regnet. Die Hunde springen durchs Unterholz. Ausgesprochen vergnügt - der Betrachter kann gar nicht anders, als den Tieren dieses Gefühl zuzuschreiben. Andrea Sahlmen, ausgebildete Expertin für die nonverbale Kommunikation zwischen Mensch und Tier, stimmt in diesem Fall zu. Freude oder Traurigkeit kann sie bei ihrem eigenen Haustier klar erkennen.
"Wir sind am Meer. Und dann sieht man einfach, wie ein glücklicher Hund aussieht. Dann wird galoppiert und gesprungen und das ist einfach Freude pur. Aber eben auch dieses Zusammenbrechen, wenn ich sage: Amy, Du bleibst hier. Da muss ich einen Hund nur angucken, da sehe ich schon, wie dieser Schwanz so runter geht und sie sofort begreift: Sie kommt nicht mit und muss sich eben mit Einsamkeit begnügen."
Mensch und Hund verstehen sich, doch dieses gegenseitige Einfühlen ist keineswegs selbstverständlich.
"Wenn manche Leute ihren eigenen Hund zum Beispiel, der sich vor einem anderen total dominant zeigt, bellt, kläfft, den anrempelt und so. Und dann zu mir gesagt wird, ist das nicht schön wie der spielen will, dann stehen mir die Haare zu Berge."
Sandra Düpjan: "Es ist leider oft so, dass die Dinge die wir als Menschen für uns als wahnsinnig schön, angenehm empfinden, dass das nicht unbedingt das ist, was ein Schwein angenehm findet."
Bei der Festlegung und Durchführung der Politik [der Union] in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Europäische Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung.
So steht es im Entwurf für eine Europäische Verfassung. Tiere haben Empfindung und verdienen unseren Schutz. Das ist inzwischen Konsens in vielen Gesellschaften. In Deutschland ist der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Ziel des Tierschutzgesetzes ist es:
...aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen.
Klingt gut, die praktische Umsetzung ist aber gelinde gesagt umstritten. Was genau den Tieren im Stall, im Labor oder auch zu Hause zuzumuten ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Michael Mendl: "In solch erhitzten Debatten ist es immer nützlich, für etwas Objektivität zu sorgen. An dieser Stelle kann die wissenschaftliche Beurteilung für das Wohlbefinden von Tieren sehr hilfreich sein."
"My name is Samantha Jones, and this is the mouse holding room."
Es ist dunkel im Mausraum der Universität Bristol. Dr. Samantha Jones bewegt sich im Licht einer schwachen roten Lampe. Mäuse sind nachtaktiv. Ein künstlich verschobener Hell-Dunkel-Zyklus passt ihr Leben an die menschlichen Arbeitszeiten an. Den schwarzen Mäusen geht es gut. Es gibt Streu zum Graben, Wellpappe, Nistmaterial und vor allem einen immer gefüllten Fressnapf. Gerade strecken die kleinen Nager neugierig ihre rosa Nasen zwischen den Gitterstäben hindurch.
"Sie wissen, jetzt geht es los, und wollen sehen, was sich tut. Sie wollen raus, sich die Belohnung verdienen."
Anhand von gebleichten Flecken im Fell und Filzstiftstrichen auf dem Schwanz sucht sich Samantha Jones die beiden Mäuse aus, die als nächstes dran sind. Ihr Versuchsareal ist eine Plexiglasbox mit zwei Kammern.
"Die Maus untersucht erst einmal die Kammer, geht von der einen zur anderen Seite, steckt die Nase in die Öffnung, um zu sehen, ob noch ein Rest Kondensmilch da ist."
Neugierig ist diese Maus, mutig untersucht sie den Käfig, voll freudiger Erwartung auf eine Leckerei. Solche Worte kommen Menschen beim Zusehen fast automatisch in den Sinn. Aber ist es für einen Wissenschaftler zulässig, solche Begriffe auf eine Maus anzuwenden? Dieser Frage geht Samantha Jones gemeinsam mit Michael Mendl nach. Der Professor für Verhalten und Wohlbefinden der Tiere an der Universität Bristol will objektiv messen, was Tieren gut tut, und was ihnen schadet. Lange Zeit wurden dazu einfach die Stresshormone im Blut bestimmt. Doch dieser Ansatz geht am Kern des Problems vorbei.
"Man meint immer, Stress sei etwas Negatives. Aber die Hormonspiegel im Blut und der Puls steigen auch vor der Fütterung oder bei der Paarung. Das macht es schwer zu sagen, ob eine konkrete Situation jetzt positiv oder negativ für das Tier ist."
Die bisherigen Verfahren greifen also zu kurz. Sie können nicht wirklich messen, ob ein Tier gerade Angst oder Lust empfindet. Aber auf diese Ebene kommt es gerade an, wenn beim Tierschutz das Wohlbefinden im Mittelpunkt stehen soll. Dr. John Bradshaw, der an der Universität Bristol die Beziehung zwischen Haustier und Halter erforscht.
"Wenn Sie mich vor 20 Jahren gefragt hätten, hätte ich wohl keine Antwort gewusst. Damals war es für Biologen fast verboten über Gefühle zu sprechen. Inzwischen ist klar, dass wir ganz viel im Verhalten der Tiere nicht erklären können, ohne über Gefühle zu sprechen."
Um sinnvoll über Gefühle zu sprechen, muss man sie erst einmal objektiv nachweisen. Der Tierexperte Michael Mendl hat sich dafür Inspiration beim Menschen geholt.
"Das klingt jetzt anthropozentrisch, aber der Mensch ist hier sozusagen die Modelltierart, weil er seine Gefühlszustände sprachlich ausdrücken kann. Letztlich ist der Mensch die einzige Quelle für diese Art von Information."
Ausgangspunkt ist das sprichwörtliche Glas, das je nach Gemütslage halbvoll oder halbleer erscheint. Gerade depressive Menschen sehen immer nur das Negative, erinnern sich an traurige Ereignisse, erwarten für die Zukunft vor allem Rückschläge. Mit anderen Worten: für einen depressiven Menschen ist das Glas immer halb leer. Psychologen nutzen solche kognitiven Verzerrungen, um die Tiefe der Verzweiflung zu messen. Michael Mendl hat einen Weg gefunden, diese Tests auch bei Tieren einzusetzen.
"Im Grunde fragen wir die Ratte, wie schätzt Du diese unklare Position ein? Wenn unsere Überlegungen stimmen, werden Tiere in einer gedrückten Stimmung zweideutige Signal eher negativ bewerten und sich langsamer bewegen, als positiv gestimmte Tiere."
Samantha Jones: "Ich notiere die Zeit, die Maus, 1B, und das Versuchsprotokoll. Dann drücke ich Start am Computer und es geht los."
Im Labor der Universität Bristol verfolgt Samantha Jones über eine Infrarot Kamera, was die Maus in ihrer Versuchsbox macht. Sie soll lernen, dass ein tiefer Ton eine Belohnung in Form von Kondensmilch verspricht und ein hoher Ton vor einem Luftstoß warnt. Damit nicht genug. Maus 1B muss für ihre Kondensmilch die Kammer wechseln. Den Luftstoß vermeidet sie dagegen, wenn sie sitzen bleibt.
"Die Maus hat gerade den hohen Ton gehört und sollte sitzen bleiben. Aber sie hat die Kammer gewechselt, also wurde sie angepustet. Sie ging zurück auf die sichere Seite und der Luftstoß hörte auf."
"Das war der tiefe Ton. Sie ist auf die andere Seite gegangen, der Spender ist hochgefahren. Die Maus hat den Kopf in die Öffnung gesteckt und die Kondensmilch aufgeleckt."
Zehn Sekunden hat sie dafür Zeit. Dann ist eine Minute Ruhe, bevor der nächste Ton ertönt. Mouse 1B steht noch am Anfang ihres Trainings. Sie muss erst herausfinden, was die beiden Töne eigentlich bedeuten. Nach mehreren Durchgängen ist es genug für heute. Samantha Jones nimmt die Mäuse aus den Versuchsboxen und bringt sie zurück in ihre Heimatkäfige.
"Nach dem Test stelle ich den Käfig auf meinen Tisch. Die Mäuse dürfen herumlaufen, bekommen noch etwas Kondensmilch. Sie erforschen die verschiedenen Gerüche auf dem Tisch, setzen selber Duftmarken. Sie wirken zufrieden, wie sie so herumrennen und mir die Arme hochklettern."
Bei Mäusen sind Samantha Jones und Michael Mendl im Stadium der Vorversuche. Wenn die Tiere die hohen und tiefen Töne richtig zu deuten wissen, sind sie bereit für den eigentlichen Test. Dann erklingt nicht der tiefe Futterton oder der hohe Ton, der den unangenehmen Luftstoß ankündigt, sondern ein Ton in der Mitte.
Michael Mendl: "Die Idee lautet: Tiere in einer gedrückten Stimmung werden das zweideutige Signal negativer bewerten als positiv gestimmte Tiere."
Gestresste Mäuse sollten bei dem mittleren Ton also versuchen, einem möglichen Luftstoß auszuweichen, während zufriedene Mäuse nach Kondensmilch suchen werden. Dass dieses Prinzip funktioniert, zeigen inzwischen viele Studien an Ratten. Sie belegen eindeutig: auch bei Tieren beeinflussen subjektive Stimmungen gedankliche Prozesse. Und anders als die Gefühle selbst lassen sich diese kognitiven Verzerrungen in Versuchen objektiv nachweisen. Michael Mendl hat damit ein Werkzeug geschaffen, mit dem Forscher das Wohlbefinden von vielen Tierarten in ganz unterschiedlichen Situationen messen können. Das ist zum Beispiel im Labor bei Tierversuchen aller Art ein wichtiger Faktor.
"Stress verändert den Stoffwechsel, die Ergebnisse von physiologischen Studien sind dann nicht mehr repräsentativ. Genauso beim Lernen. Stress verändert Denkprozesse und das Gedächtnis. Deshalb sollten die Versuchstiere so entspannt wie möglich sein."
Dem Verhaltensforscher geht es aber nicht nur um das Wohlbefinden von Versuchstieren. Am Institut für Veterinärmedizin der Universität Bristol laufen auch Studien mit Haustieren.
"Katzen sind ganz anders, als Hunde. Die Leute werfen sie oft in einen Topf: beides sind Haustiere, beides sind Raubtiere. Aber ihr Hintergrund, ihre Evolutionsgeschichte ist ganz verschieden."
Der Verhaltensforscher John Bradshaw will zwischen Haustier und Halter vermitteln. Sein Zugang zum Geist eines Tieres nutzt zunächst keine Experimente, sondern das Verhalten der Vorfahren von Hund und Katze. Wildkatzen sind Einzelgänger, die ihre Territorien wachsam verteidigen. Nur für die Paarung gibt es vorübergehend Kontakte. Zum Menschen kamen sie über die Mäuse, die sich an den ersten Getreidespeichern vermehrten. Um in Haus und Hof zu bestehen, mussten die Katzen ihre natürliche Scheu überwinden. Abgelegt haben sie sie aber nie.
"Katzen identifizieren sich mit einem Ort, einem Territorium, das ist ihre erste Priorität. Erst danach binden sie sich an Menschen. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich aber, das sind dann echte Beziehungen."
Was Katzenbesitzer häufig missachten: Eine Katze würde ihr Territorium freiwillig nie mit einer anderen Katze teilen. Bestenfalls lernen die Tiere, sich gegenseitig zu tolerieren. Den Besitzern fällt das nicht auf, weil die Katze kaum soziale Gesichtsausdrücke zeigt. Ganz anders die Hunde.
"Hunde stammen von einer sehr sozialen Art ab, den Wölfen. Während der Domestikation wurden die natürlichen sozialen Tendenzen der Wölfe auf uns übertragen."
Im Wolfsrudel muss kommuniziert werden, deshalb falle es Hunden leicht, ihre Besitzer zu verstehen. Und umgekehrt gilt das meist auch.
"Hunde sind ausdrucksstarke Tiere, mit ihrem Gesicht, ihrem Schwanz. Die Besitzer können deshalb leicht feststellen, ob sie glücklich oder traurig sind. Probleme gibt es bei komplexeren Emotionen wie Schuld oder Trauer. Ich vermute das für die Tiere nicht wirklich, Besitzer interpretieren das in die Hunde hinein."
Einem Hund Trauer zuzuschreiben, schadet wahrscheinlich nicht. Viele Besitzer denken aber, dass Hunde ständig versuchen, in der Familienhierarchie aufzusteigen und dass sie deshalb konsequent an ihren Platz verwiesen werden müssen. Aus seiner evolutionären Perspektive hält John Bradshaw das für absurd. Haushunde wollen stabile Beziehungen, wollen Teil ihres menschlichen Ersatzrudels sein. Aus Sicht des Hundes ist das zentrale Problem nicht die Rangfolge sondern gerade das Bedürfnis nach Bindung.
"Das ist die Kehrseite der engen Bindung an den Besitzer. Wenn wir heimkommen, finden wir es wundervoll, wenn uns der Hund begeistert begrüßt. Worüber die meisten Leute nicht nachdenken: Was ging im Kopf des Hundes eigentlich während der Abwesenheit vor? War der einfach leer? Wir wissen inzwischen: Der Hund denkt die ganze Zeit an seinen Besitzer und versteht nicht, warum der weggegangen ist."
John Bradshaw hat Videokameras in vielen Wohnungen aufgestellt und gefilmt, was die Hunde machen, sobald die Tür hinter Herrchen oder Frauchen zuschlägt. Statt sich hinzulegen und zu schlafen, bellten etwa ein Drittel der Hunde, kratzten am Boden oder erbrachen sich. Für die Besitzer war es ziemlich verstörend, diese Aufnahmen zu sehen. Die Hunde wirkten ängstlich oder verzweifelt. Aus der evolutionären Perspektive von John Bradshaw ist das gut zu erklären und Michael Mendl kann über den Test zu kognitiven Verzerrungen nachweisen, dass die Tiere tatsächlich leiden.
"Tiere, die mehr Trennungsverhalten zeigten, waren in unseren Tests auch pessimistischer, schienen in einer negativeren Stimmung zu sein."
John Bradshaw: "Wir müssen begreifen: Diese Hunde fühlen tatsächlich Angst und Trennung. Früher haben uns viele Forscher gesagt, das wirkt nur so, im Grunde sind Tiere wie Roboter, die nichts fühlen. Ich denke, das ist inzwischen eine unhaltbare Position. Je weiter diese Erkenntnis um sich greift, desto besser für das Wohlbefinden der Tiere."
Bei einzelnen Hunderassen geht es dabei nicht nur um die Beziehung zu ihren Haltern, sondern auch um körperliche Beschwerden So ist der Kopf der in England beliebten Cavalier-King-Charles-Spaniel sehr klein gezüchtet. Einige der Spaniel leiden an Fehlbildungen des Schädels. Andere wirken gesund, auch wenn sich der Magnetresonanztomographie Veränderungen im Gehirn nachweisen lassen.
Michael Mendl: "Die Frage lautet: Haben sie versteckte Probleme wie etwa Kopfschmerzen? Wir hoffen mit unserem Test feststellen zu können, ob Tiere in bestimmten Umgebungen oder mit bestimmten Symptomen negative Stimmungen erleben."
Die Studie mit den Cavalier-King-Charles-Spanieln läuft noch, aber es gibt erste Hinweise, dass die Veränderungen im Gehirn tatsächlich zu negativen geistigen Verzerrungen führen. Es gibt Millionen Versuchstiere, noch viel mehr Haustiere. Die große Masse der Tiere in menschlicher Obhut lebt aber weder im Labor noch im Haus, sondern im Stall. Und auch hier wird die Messung des Wohlbefindens über die kognitive Verzerrung inzwischen angewandt.
Rein in den Papieranzug, Reißverschluss zu bis obenhin. Haube auf die Haare.
"Einmal auf die Matte bitte."
Verhaltensforscherin Dr. Sandra Düpjan achtet darauf, dass sich jeder Besucher die Schuhe desinfiziert, bevor er den Schweinestall des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock betritt. Bloß die Zucht nicht gefährden.
"So, wo geht es lang. Wir sind jetzt quasi praktisch in dem Experimentalteil hier ist der Reproduktionsbereich."
Zehn bis zwölf Ferkel drängen sich um die mächtigen Sauen, kämpfen unter Gedränge und Gequieke aus, wer an welche Zitze darf. Es sind rosa Bilderbuchschweine, deutsche Landrasse. Beliebt bei den Bauern und deshalb auch bei den Forschern. In Dummerstorf geht es allerdings gemütlicher zu als in einem kommerziellen Zuchtbetrieb. Die Sauen werden nicht eingeklemmt, um die Ferkel zu schützen. Es gibt einen Rückzugsbereich, so dass beide, Ferkel und Sau, zu ihrem Recht kommen. Bei den abgestillten Ferkeln ist es ruhiger. Sie sind schon fast alt genug, um an Versuchen teilzunehmen. Eine Gruppe von zehn Tieren drängt sich um die Futterrinne. Es gibt Auslauf und viele Spielzeuge, Plastikstangen, lange Strohhalme, große Kugeln.
"Und hier zum Beispiel ist unser Bio-Akustik-Raum. Das ist hier unser Universalraum, den wir auch relativ flexibel umbauen können."
Gerade wird in der Arena ein Versuch zur kognitiven Verzerrung vorbereitet.
"Das Tier kommt hier erst einmal rein, hat seine Wartephase so ein bisschen. Dann öffnete die Tür. Wenn es hier durchgegangen ist, wird die Tür wieder geschlossen. Und dann kann es hinten zu der Futterbox laufen."
Doch nur auf der einen Seite erhält es leckeres Apfelmus. Auf der anderen Seite wird das Schwein eine unerfreuliche Überraschung erleben: Ein Mitarbeiter raschelt lautstark mit einer Plastiktüte. Im Test steht der Trog dann in der Mitte und das Schwein muss sich entscheiden.
"Da gehen wir eben davon aus, dass ein Tier, das in einer positiven Stimmung ist, potentiell sich eher so verhalten wird, als würde es eine Belohnung erwarten, dort schnell hingeht und den Deckel aufmacht. Und ein Tier das in einer negativen Stimmung ist, wird dann vielleicht eher denken, es könnte auch sein, dass ich da bestraft werde, also lass ich mal lieber die Finger beziehungsweise beim Schwein die Schnauze davon."
Sandra Düpjan nutzt verschiedene Wege, um etwas über das Innenleben der Schweine zu erfahren. Vor allem analysiert sie genau das Verhalten der Tiere, besonders ihre Grunzer und Schreie. Dabei täuscht der erste Eindruck häufig. Grunzer signalisieren nicht immer nur Wohlbefinden, werden auch von Schweinen produziert, die ihre Gruppe verloren haben. Und hinter dem Quieken, das sich für menschliche Ohren einheitlich anhört, verbergen sich unterschiedliche Bedeutungen. Das zeigt die mathematische Analyse der Frequenzmuster. Beispiel Ferkelkastration. So klingt ein Ferkel, das nur hochgenommen wird. Und so hört sich die Kastration an.
Sandra Düpjan: "Ein Ferkel, das ich hoch halte, wird in jedem Fall schreien. Und es hieß lange auch von Seiten mancher Ferkelzüchter, das Ferkel schreit ja sowieso, das macht keinen Unterschied mehr, ob ich noch kastrierte oder nicht. Und da konnten eben meine Kollegen nachweisen, dass es schon einen Unterschied macht. Es ist tatsächlich so, dass sich die Schreie ganz charakteristisch verändern, in dem Moment, wo dann tatsächlich der Hautschnitt und die Entfernung dann der Hoden stattfindet."
Noch werden Ferkel von den Züchtern ohne Betäubung kastriert, auch weil die nur ein Tierarzt vornehmen darf. Die Betäubung ist allerdings auch nicht ohne Probleme, schließlich muss das Ferkel dafür zweimal hochgenommen werden. Ein Test auf kognitive Verzerrungen könnte zeigen, wie sich die verschiedenen Varianten der Kastration auf das Wohlbefinden der Ferkel auswirken. An den Details arbeitet Sandra Düpjan gerade. Die Interpretation der Ergebnisse solcher Experimente ist nämlich nicht immer einfach, wie australische Forscher feststellen mussten.
"Es war eben so, dass Schafe getestet wurden im cognitive bias, also auf Optimismus Pessimismus, direkt nach dem Scheren, was doch ein sehr traumatischer Augenblick sein kann im Leben eines Schafes. Die haben dort gefunden, dass die Tiere sich sehr viel optimistischer verhalten haben, als die Vergleichstiere, die nicht geschoren wurden."
Hier drückt die positive Stimmung wahrscheinlich einfach die Erleichterung aus, den Händen des Schäfers und seiner Schere entronnen zu sein. Ganz offenbar ist auch der Test auf kognitive Verzerrung nicht ohne Probleme. Sandra Düpjan ist sich aber sicher, dass er nach und nach zu einem wertvollen Mittel werden wird, das Wohlbefinden der Tiere in menschlicher Obhut zu verbessern. Allerdings wird wohl auch in Zukunft nicht jeder Schweinemäster seine Tiere täglich fragen, ob der Trog eher halbvoll oder halbleer ist. Dafür ist der Aufwand zu groß.
"Aber wir können in Forschungsinstituten wie unserem hingehen, verschiedene Haltungsbedingungen oder Haltungssysteme zum Beispiel die in der Praxis angedacht sind oder schon eingesetzt werden, nehmen und entsprechend vergleichen und dann die Ergebnisse entsprechend in die Praxis tragen, den Haltern davon erzählen, und damit hoffentlich bewirken, dass, wenn es wirtschaftlich auch irgendwie machbar ist, dass sie dann entsprechend die besseren Haltungsbedingungen verwenden."
Nachdem Michael Mendl seine ersten Experimente im Jahr 2004 veröffentlichte, wurde das Konzept schon bei Ratten, Mäusen, Hunden, Schafen, Ziegen, Schweinen, Pferden, diversen Affenarten und sogar Spatzen erprobt.
"Das ist der Vorteil unseres Ansatzes, er lässt sich leicht auf andere Arten übertragen. Und dafür gibt es theoretische Gründe."
Jedes Tier muss sich auf die Bedingungen in seiner Umwelt einstellen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Muss Nahrung und Sexualpartner finden und gleichzeitig Gefahren und Raubfeinde vermeiden. Gefühle dienen als Orientierungshilfe für die vielen Entscheidungen, die dafür Tag für Tag notwendig sind. Nach Überzeugung von Michael Mendl haben diese Gefühlszustände zwei Eigenschaften.
"Die eine ist die Wertung. Wie positiv oder negativ etwas ist. Das ist das Entscheidende an Gefühlen, dass sie angenehm oder unangenehm sind. Ihre andere Eigenschaft ist die Erregung, wie aktiv der Organismus gerade ist."
Ein Tier auf Nahrungssuche ist voller Erwartung: aktiv und positiv. Hat es gefressen, dann entspannt es: positiv und ruhig. Ein Raubtier geht vorbei: Die Stimmung wird negativ und aktiv, Angst ermöglicht Flucht. In einer neuen Umgebung hat das Tier Hunger, aber es gibt keine Nahrung: Die Stimmung wird negativ und passiv, fast depressiv. Je nachdem, wie die Umwelt beschaffen ist, wird sich ein Tier häufiger in bestimmten Ecken seiner Gefühlswelt aufhalten. So entstehen längerfristige Stimmungen, die dann das Verhalten gerade in unklaren Situationen prägen.]]
Michael Mendl: "Ein Rascheln im Gras. Da stellt sich die Frage: Hingehen und untersuchen, es könnte ja ein Leckerbissen sein, oder wegrennen, vielleicht war es ja ein Raubtier. Die grundlegende Stimmung vermittelt jetzt Informationen über frühere Erfahrungen und hilft so Entscheidungen zu fällen, auch wenn es keine verlässlichen Informationen gibt."
Klingt dieses Summen jetzt eher bedrohlich aggressiv oder satt zufrieden? Hören kann das auch Geraldine Wright nicht. Die Biologieprofessorin an der Universität Newcastle stellt deshalb auch ihre Bienen vor schwierige Entscheidungen. Sie haben gelernt, einen Duft mit Nektar zu verknüpfen und einen anderen mit Bitterstoffen. Doch wie interpretieren sie ein zweideutiges Signal, eine Mischung beider Düfte?
"Wir haben sozusagen gefragt: Passt dieser Duft zu Zuckerwasser, oder eher zu dem Bitterstoff? Meist fangen sie an zu saugen, aber wenn die Bienen vorher geschüttelt wurden, halten sie ihre Mundwerkzeuge interessanterweise geschlossen. So konnten wir zeigen, dass Bienen nach einem stressigen Erlebnis eine pessimistische Sicht auf die Welt haben."
Bei ihren Experimente arbeitet Geraldine Wright mit Professor Melissa Bateson zusammen, die an der Universität Newcastle den Test für kognitiver Verzerrung schon bei einer ganzen Reihe von Tierarten eingesetzt hat.
Bateson: "Unsere Experimente belegen, dass es quer über die Arten ein gemeinsames Kennzeichen für negative Emotionen gibt. Eine schlechte Stimmung führt zu einer pessimistischer Weltsicht bei Menschen, Hunden und sogar bei Bienen."
Wright: "Das ist verblüffend. Was wir nicht wissen ist, ob die Bienen ihre Gefühle auch bewusst erleben. Das kann die Wissenschaft grundsätzlich nicht klären. Tiere können nicht sprechen und uns deshalb nicht sagen, wie sie fühlen."
Bei der Frage eines bewussten Erlebens der Tiere ist nicht nur Geraldine Wright zögerlich. Michael Mendl würde das Problem des Bewusstseins am liebsten umschiffen, aber es ist für die meisten Menschen zentral, wenn es um das Wohlbefinden von Tieren geht.
"Theoretisch könnte man sagen, auch Pflanzen gehören geschützt. Sie werden aus dem Boden gerissen, in Intensivhaltung vermehrt. Aber das kümmert niemanden, weil niemand glaubt, dass sie ein bewusstes Erleben haben. Bewusstsein ist zentral, aber es ist auch kompliziert. Ganz persönlich, wenn ich mir meinen Hund ansehe, mit ihm spiele, dann kann ich mir gar nicht vorstellen, dass er kein Bewusstsein hat. Aber das ist nur eine Ahnung. Exakt messen können wir nur die positive oder negative Stimmung. Werden die Erwartungen des Tiers gerade erfüllt oder enttäuscht. Das ist der erste Schritt."
Erstmals gibt es einen Weg, über das Wohlbefinden von Tieren nicht nur zu spekulieren. Messdaten, kombiniert mit evolutionären Analysen und genauen Verhaltensbeobachtungen, könnten in Zukunft helfen, das Leben von Tieren im Stall, im Labor oder auch als Familienmitglied zu verbessern. Allerdings immer nur so weit, wie die Menschen auch bereit sind, Zugeständnisse zu machen.
Andrea Sahlmen: "Das Wohlbefinden meines Hundes liegt mir unglaublichen Herzen. Weil ein wohlgelaunter, glücklicher Hund auch mir gut tut."
Der tägliche Spaziergang im Wald ist für Andrea Sahlmen und Hündin Amy eine Selbstverständlichkeit. Richtig glücklich ist Amy aber beim Wettbewerb für Pferd und Hund.
"Das ist ja so ein Parcours den man mit dem Pferd und dem Hund, der frei daneben her läuft, absolviert. Der Hund muss zwischendurch Platz machen und durch Tore klettern oder in Boxen springen oder so etwas ähnliches. Und wenn dann die Prüfung zu Ende ist, ich den Hund lobe, das Publikum applaudiert, dann sehe ich es meinem Hund einfach an, da ist einfach ganz viel – ja Stolz. Kann ich einfach nicht anders benennen."