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Tierschutz-Label
"Ein Angebot zwischen bio und konventionell"

Bislang haben sich nur 74 Betriebe am Label für mehr Tierwohl beteiligt. Dennoch habe die Einführung einen wichtigen Prozess in Gang gesetzt, sagte Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund im DLF. Es handele sich um eine Kauf-Alternative für diejenigen, die nicht auf Fleisch verzichten wollten.

Thomas Schröder im Gespräch mit Stefan Römermann |
    Ein Mastschwein steht am 16.10.2014 in einem Mastbetrieb in Lindern (Niedersachsen) im Stall
    Noch immer leben in Deutschland hunderte Millionen Tiere in konventioneller Haltung. Die Bedingungen für die Tiere müssten sich ändern, meint Thomas Schröder vom Tierschutzbund. (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
    Stefan Römermann: Tierschutz, der wird den Deutschen beim Einkaufen immer wichtiger. Das zeigt jedenfalls eine Umfrage der Verbraucherzentrale aus dem vergangenen Jahr. Immerhin rund zwei Drittel der Deutschen haben dabei erklärt, dass sie für ihr Fleisch auch gerne etwas mehr bezahlen, wenn dafür die Tierhaltung verbessert wird.
    Der Deutsche Tierschutzbund hat deshalb ein Label entwickelt, das seit rund drei Jahren im Supermarkt auf Fleisch- und Wurstpackungen klebt. "Für mehr Tierschutz" steht da in einem blauen Rechteck zusammen mit dem Logo des Tierschutzbundes.
    Vor der Sendung habe ich Thomas Schröder vom Tierschutzbund gefragt, wie häufig bei ihm eigentlich Fleisch mit diesem Logo auf dem Tisch landet.
    Thomas Schröder: Ich persönlich bin da eher auf Fleischverzicht ausgerichtet. Deswegen wird es wenige Produkte geben. Aber unser Label ist ja auch eine Kaufalternative für die, die mehr Tierschutz wollen, trotzdem Fleisch essen. Die sollen ein Angebot bekommen.
    Römermann: Aber es gibt doch schon Biofleisch. Warum braucht man da jetzt noch ein zusätzliches Tierschutz-Label?
    Schröder: Wir haben Millionen, hunderte Millionen Tiere in konventioneller Haltung, also außerhalb von Bio, und diesen Tieren müssen wir auch jetzt und sofort Verbesserungen zuführen. Da reicht Bio alleine nicht aus. Und dann gibt es noch die Frage des Preisabstandes, wo viele Verbraucher vor Bio leider noch scheuen.
    "Den Verbrauchern helfen, umzusteigen"
    Römermann: Will heißen, Bio ist denen zu teuer, da müssen wir denen ein bisschen was Billigeres anbieten?
    Schröder: Wir brauchen ein Angebot zwischen konventionell und bio, damit die Verbraucher lernen umzusteigen und hoffentlich auch irgendwann mal weniger Fleisch zu essen.
    Römermann: Wo ist denn der Unterschied zwischen, ich sage mal, Fleisch aus konventioneller Haltung und dem, wo jetzt für mehr Tierschutz draufsteht?
    Schröder: Unser Tierschutz-Label, das zweistufig ist, bietet den Tieren mehr Platz, mehr Beschäftigung, und wir weisen über Tierwohl-Indikatoren nach, dass es den Tieren tatsächlich besser geht als in konventionellen Haltungssystemen.
    Römermann: Können wir das konkret machen bei, ich sage mal, Schweinen oder Rindern, bei einem Tier?
    Schröder: Wenn wir das Schwein nehmen, dann haben wir in den Label-Ställen in der Einstiegsstufe Strukturierungen der Buchten. Das heißt, die Tiere liegen woanders und ruhen und fressen an einer anderen Ecke. In den konventionellen System liegen die Tiere auf dem gleichen Platz. Das wäre so, als hätten Sie den ganzen Tag den Kopf überm Urinal, weil Sie an gleicher Stelle alles tun, was der Körper so tut.
    Römermann: Auf der anderen Seite sind die Vorschriften beispielsweise beim Biofleisch doch noch mal deutlich schärfer. Ist das dann übertrieben, was die beim Biofleisch machen?
    Schröder: Die Tiere in den Bioprogrammen sind unendlich besser gehalten als in konventioneller Haltung. Aber die Bios haben natürlich mehr als Tierschutz: die Frage von Umweltschutzfragen, Fütterungsfragen. Das heißt, hier geht es im Kern nicht um den Tierschutz. Das Tierschutz-Label nimmt den Kern des Tierschutzes in den Blick und da müssen wir dringend von konventionell was besser machen als bisher.
    Römermann: Ich habe trotzdem manchmal so ein bisschen den Eindruck, es hat was von modernem Ablasshandel, wir sind jetzt ja auch gerade im Reformationsjubiläum, dass man da ein bisschen so einen Wohlfühlzuschlag zahlt und dann sich keine Gedanken mehr ums Tierwohl machen muss. Oder?
    Schröder: Es ist sicherlich die Gefahr des Greenwashing, sagen auch viele. Jemand kauft sich frei mit seinem Gewissen, indem er ein paar Cent mehr zahlt. Ja, da müssen wir aufpassen, dass wir dort auch den Blick drauf haben. Aber wichtig ist: Millionen Tiere leben in konventioneller Haltung. Sie werden amputiert, zurecht gestutzt, um in den Haltungssystemen leben zu können, und diesen Tieren müssen wir helfen, dass sie in ein anderes System kommen. Dafür ist schrittweise der Label-Prozess angesetzt.
    "Der Gesetzgeber versagt"
    Römermann: Bisher machen bei Ihnen nur 74 landwirtschaftliche Betriebe mit gegenüber Tausenden in ganz Deutschland, die konventionelle Landwirtschaft betreiben. Ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein?
    Schröder: Als wir mit dem Label begonnen haben, haben wir natürlich geglaubt, wir drehen am nächsten Tag die Welt völlig neu. Wir müssen feststellen, so leicht geht es nicht. Es ist ein langsamer Prozess. Aber wir kommen in immer größeren Regionen in die Regale mit dem Kaufangebot eines Tierschutz-Labels und wenn wir jetzt die Milchkühe neu ins System aufnehmen, werden wir ab Sommer bundesweit mit dem Tierschutz-Label präsent sein. Das bietet neue Chancen, dass es den Tieren jetzt und sofort besser gehen kann.
    Römermann: Jetzt will Landwirtschaftsminister Schmidt ein staatliches Tierschutz-Label einführen. Ist das eine Konkurrenz für Sie, oder was halten Sie davon?
    Schröder: Wir haben unseren Label-Prozess immer gestartet, weil der Gesetzgeber versagt. Er versagt im Gesetz selber, das ist viel zu niedrig für die Tiere in der Landwirtschaft, und er versagt in dem Angebot für die Verbraucher, was ein Label betrifft. Deswegen ist der Schritt richtig, ein staatliches Label zu nehmen. Die Verbraucher wollen es auch. Wir werden es unterstützen. Aber natürlich passen wir auf, dass das Label auch den Namen verdient hat. Es muss weit über dem Gesetz liegen, was die Standards betrifft.
    Römermann: Bei welchen Tieren sind die Haltungsbedingungen denn momentan besonders katastrophal?
    Schröder: Fast jede Tierart in der Landwirtschaft hat in der konventionellen Haltung keine artgerechten Bedürfnisse in den Haltungssystem umzusetzen. Das trifft die Schweine, die auf einem Fleck ruhen, liegen und sich überhaupt nicht mehr bewegen können. Wir haben Tiere in den Ställen, die teilweise am Ende ihrer Mast nicht mehr geradeaus laufen können. Wir haben immer noch Rinder in der Anbindehaltung, gerade in Bayern im Schwerpunkt. Das heißt, jedes Tier hat einen Missstand, und deswegen müssen wir in jedes System einsteigen, und so geht auch der Label-Prozess.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.