Jule Reimer: Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka darf Kaiser’s Tengelmann übernehmen und damit seine marktmacht noch weiter ausbauen. Diese Sondergenehmigung, persönlich erteilt durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, sorgt für richtig Zoff. Der Chef der Monopolkommission, die die Bundesregierung und den Wirtschaftsminister berät, Daniel Zimmer, trat aus Protest zurück. Verbraucher werden weniger Auswahl haben, erklärte der Monopolexperte im ZDF Morgenmagazin. Auch der Deutsche Bauernverband kritisiert die Genehmigung. Die Marktmacht der fünf großen Lebensmittelketten setze die Erzeuger erheblich unter Druck. Frage an Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund: Ist die Konzentration im Lebensmittelbereich auch ein Thema für Ihren Verband?
Marius Tünte: Auf jeden Fall, denn wichtig ist: Egal wie groß ein Unternehmen ist, wie groß ein Discounter ist oder ein Handelsunternehmen, die Verantwortung haben alle. Es geht nämlich um den Tierschutz in den Regalen und deswegen ist so eine Koalition Chance und Risiko zugleich.
Reimer: Wo ist die Chance?
Tünte: Die Chance ist natürlich, dass die Macht, die da ist, genutzt wird, um mehr Tierschutz in die Sortimente zu bringen. Wenn zum Beispiel ein Einzelhändler die Käfigeier auslistet oder Fleisch aus schlechter Haltung, dann ist das ein Zeichen an die Politik, ein Zeichen an den Verbraucher und man hat Kaufalternativen. Diese Möglichkeit hat der Einzelhandel. Das hat er zum Beispiel bei Käfigeiern auch schon gemacht. Und darauf setzen wir auch bei Edeka und Kaiser’s Tengelmann.
"Die Tiere müssen einfach funktionieren"
Reimer: Gleichzeitig beobachten wir aber jetzt auch: Bei den Milchpreisen geht es in den Keller. Und da haben Sie ja Bedenken, nehme ich mal an?
Tünte: Genau. Das ist das eben angesprochene Risiko. Wenn die Preisspirale runtergeht und der Lebensmittel-Einzelhandel seine Macht ausnutzt, wird das auf Kosten der Landwirte und der Tiere ausgetragen. Die Tiere müssen einfach funktionieren, die werden hochgezüchtet, um in kurzer Zeit viel Leistung zu bringen, und dieser Milchpreis, den wir jetzt haben, der ist nicht rentabel, da können die Landwirte nicht von überleben und auch die Tiere können natürlich dann keinen Tierschutz haben. Das ist das Risiko, wenn man so eine Konzentration hat.
Reimer: Das ist aber auch auf die Politik zurückzuführen, auf die Abschaffung der Milchquote. Spielt das da eine Rolle? Auch mit Milchquote hatten wir bereits die Hochzüchtung auf Turbo-Kühe, große Milchwirtschaftsunternehmen standen einfach wirtschaftlich besser da.
Tünte: Absolut. Die Politik hat die Chance und auch die Pflicht, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der in die richtige Richtung geht, der sowohl den Landwirten Sicherheit gibt, aber auch dem Einzelhandel und zum Beispiel eine bessere Haltung von Nutztieren gewährleistet, damit dann der Handel auch dafür sorgt, dass zum Beispiel ein entsprechender Preis gezahlt wird und die Landwirte die Ziele der Gesetze auch umsetzen können. Da müssen alle Fraktionen zusammenarbeiten, sowohl der Einzelhandel, der Verbraucher muss mitziehen, aber auch auf jeden Fall die Politik.
Reimer: Im Bereich Tierwohl, Tierfleisch zum Beispiel haben Sie ja selber Initiativen mit eigenen Siegeln angestoßen. Gleichzeitig gibt es eine Initiative des Deutschen Bauernverbandes, unterstützt durch das Bundeslandwirtschaftsministerium, zusammen mit dem Einzelhandel. Wenn Landwirte sich bereit erklären, bestimmte Verbesserungen einzuführen, dann bekommen sie etwas mehr Geld für ihr Fleisch. Allerdings gibt es mehr Bauern, die interessiert sind als der Einzelhandel. Das heißt, der Einzelhandel hat doch nicht so eine positive Rolle? Die wollen ja offenbar nicht ausreichend in diesen Topf einzahlen.
"Man muss gute Standards einsetzen und bereit sein, vernünftig zu zahlen"
Tünte: Ja, das ist das Problem. Man kann nicht ein bisschen mit Kleingeld Verbesserungen herbeiführen und dem Verbraucher signalisieren, wir tun was, alles wird gut, sondern dann muss man auch in die Tasche greifen und den Landwirt auch vernünftig unterstützen. Das Ziel dieser Initiative ist gut, den Landwirt dafür zu unterstützen, dass er mehr tut. Das ist ein gutes Signal und auch das ist dann wieder eine Chance. Wenn alle Großen mitmachen und die Marktführer dabei sind, dann kann man in der Breite verändern. Aber dann muss man es auch richtig machen. Man muss gute Standards einsetzen und auch bereit sein, das vernünftig zu zahlen, dem Verbraucher transparent zu machen und somit die Chance auch zu nutzen und nicht so ein bisschen Klein-Klein. Das klappt dann nicht.
Reimer: Vernünftig zahlen wäre der Handel, aber später dann auch der Verbraucher. Was muss sich da ändern, oder was kann der Verbraucher tun?
Tünte: Der Verbraucher hat natürlich durch seine Kaufentscheidung immer die Möglichkeit zu reagieren. Wir haben das bei den Käfigeiern gesehen. Wenn der Verbraucher diese Eier nicht mehr haben möchte, wenn der Handel diese Produkte auslistet und gleichzeitig der Gesetzgeber dafür sorgt, dass eine klare Kennzeichnung da ist, dann ist der Verbraucher auch bereit umzuschwenken. Das wissen wir von Umfragen, dass viele Verbraucher bereit sind, mehr Geld auszugeben, wenn mehr Tierschutz drin ist. Aber er muss natürlich auch die Chance haben, das im Supermarkt zu erkennen, wo ist was drin. Dann ist eine eindeutige Kennzeichnung wichtig und da ist natürlich dann wieder der Einzelhandel gefragt.
Reimer: Und die Kennzeichnung haben wir noch nicht? Sie sind für ein einheitliches Siegel im Bereich Tiere und Fleisch?
Klare Kennzeichnung wie bei Eiern
Tünte: Das wäre eine Chance, eine klare Kennzeichnung zu machen, wie wir es bei den Eiern haben. Da stehen die Ziffern null, eins, zwei, drei für ganz klare Haltungssysteme. Jeder weiß, was drin ist, jeder weiß, was er kauft. Und das brauchen wir auch fürs Fleisch. Wenn der Einzelhandel nicht von selbst loslegt, dann wäre es eine Möglichkeit, das gesetzlich vorzugeben.
Reimer: Marius Tünte, Deutscher Tierschutzbund, über Wohl und Wehe von Marktmacht im Einzelhandel.
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