Ampelstreit und Bauernproteste
Tierschutz droht zu scheitern

Rinder sind ganzjährig fixiert, Katzen werden überzüchtet, sodass ihr Leben oft qualvoll ist. Zustände wie diese sollten mit der Novelle des Tierschutzgesetzes abgeschafft werden. Doch die Ampelregierung kann sich nicht einigen.

    Ein Rind ist in einem Stall angekettet.
    Nach Plänen des Landwirtschaftsministeriums soll die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verboten werden. Aber es soll Ausnahmen geben. (imago / Pond5 Images / Zhuravlev Andrey)
    Im Koalitionsvertrag hatte die Ampelregierung noch vereinbart, das Tierschutzgesetz zu „verbessern“. Mittlerweile rückt dieses Ziel der Regierung aus SPD, Grüne und FDP in immer weitere Ferne. Erst konnten sich die Parteien monatelang auf keinen gemeinsamen Gesetzesentwurf einigen, dann kamen die Bauernproteste. Mit dem Druck der Landwirte und dem Versprechen, Bürokratie abzubauen, ist fraglich, ob eine Gesetzesnovelle über Vorhaben wie das ganzjährige Anbindungsverbot bei Rindern in dieser Legislaturperiode überhaupt noch kommt.

    Inhalt

    Welchen rechtlichen Status hat Tierschutz in Deutschland?

    Auch Tieren bietet das deutsche Grundgesetz einen gewissen Schutz. Zumindest ist der Tierschutz als „Staatsziel“ seit 2002 im Grundgesetz verankert. Trotzdem leiden bis heute beispielsweise Schweine, Kühe und Hühner in der Massentierhaltung, oder Hunde und Katzen quälen sich ein Tierleben lang, weil sie überzüchtet werden. Wie die Ukrainischen Levkoy-Katze, die mit nach vorne eingenickten Ohren und mit fehlenden Körper- und Tasthaaren gezüchtet wird und dadurch mit schweren körperlichen Einschränkungen leben muss – eine sogenannte Qualzucht.

    Beispiel männliche Küken – ein Gesetz und die Praxis

    Konkrete Tierschutzgesetze wie das Verbot des Schredderns von männlichen Küken im Jahr 2022 sollen Tierleid beenden. Aber auch mit solchen Gesetzen ist den Tieren nicht immer geholfen. Denn ob diese gesetzlichen Vorgaben tatsächlich überall eingehalten und umgesetzt werden, ist fraglich. So berichtete im letzten Jahr die Organisation Foodwatch, dass in Geflügelbetrieben die behördlichen Kontrollen unzureichend gewesen seien. Hinzukommt, dass gar nicht immer klar ist, was mit all den am Leben bleibenden männlichen Küken jetzt überhaupt passiert.
    So hätten Recherchen der Naturschutzstiftung Aurelia ergeben, dass in größeren Betrieben Hahnenküken eingesammelt und ins benachbarte Ausland wie nach Polen transportiert werden und dort gemästet werden sollen, sagt Matthias Wolfschmidt, Vorstand bei Aurelia. „Ob das der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Und nach meiner Kenntnis gibt es auch keine Auskünfte seitens zuständiger Bundesbehörden.“
    Auch wegen solcher Zustände und Mängel verfolgen Initiativen ein ganz anderes Ziel: Sie möchten fundamentale Rechte auch für Tiere und wollen sie dadurch besser schützen.

    Warum will die Ampelregierung das Tierschutzgesetz ändern?

    Mit der Änderung des Tierschutzgesetzes soll laut Regierung der Tierschutz verbessert werden – und zwar in mehreren Bereichen. Konkret heißt es dazu im Gesetzesentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums: „In der Gesamtbilanz der vergangenen 20 Jahre zeigt sich jedoch, dass in verschiedenen Bereichen des Umgangs mit Tieren nach wie vor Defizite bestehen. Den Tierschutz zu verbessern hat daher eine hohe Priorität.“
    In der Landwirtschaft soll die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verboten werden. Nur saisonal soll sie bei Kleinbetrieben noch erlaubt werden. Auch die Abgabe hochträchtiger Schafe und Ziegen zur Schlachtung soll verboten werden. Die Schwänze von Lämmern und die Hörner von Rindern dürften zukünftig nur noch unter Betäubung gekürzt bzw. entfernt werden. Verpflichtend sollen wiederum Videoaufzeichnungen in Schlachthöfen werden, um Verstöße nachweisen zu können.
    Im Haustierbereich soll die sogenannte Qualzucht beendet werden. Theoretisch ist sie zwar schon heute verboten, gesetzlich ist diese Zucht aber immer noch nicht klar definiert und bietet Schlupflöcher. Deshalb sollen gesetzliche Merkmale festgelegt werden.
    So sollen zukünftig Katzen ohne Schnurrhaare oder Hunderassen mit besonders kurzen Nasen darunterfallen. Bekanntestes Beispiel dafür wäre der Mops. Allerdings wären nur die Züchtung und die Vermarktung betroffen – nicht die Haltung. Auch die Strafen bei Verstößen sollen deutlich erhöhten werden.

    Wieso droht ein Scheitern der Gesetzesnovelle?

    Ob Anbindehaltung oder Qualzucht - vieles steht aktuell zur Disposition. „Als es in den Koalitionsvertrag geschrieben wurde, hatten wir eine völlig andere Situation“, sagt FDP-Politiker Ingo Bodtke. Er sitzt im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und hält eine Novelle des Tierschutzgesetzes nicht mehr für nötig. Vor allem die FDP hat viele Vorbehalte, und durch die Bauernproteste ist der Druck auf die Regierung weitergewachsen.
    Derzeit ist Entbürokratisierung das Stichwort. So fürchtet FDP-Politiker Bodtke, dass durch das Tierschutzgesetz die Landwirte mehr belastet werden. „Weil alles, was wir da zurzeit noch umsetzen, führt zu neuer Bürokratie, die wir gerade den Landwirten versprochen haben, im Moment nicht zu machen.“
    Viele Details sind noch zu regeln. Das setzt aber eine Einigung der Koalition voraus. Grünen-Politikerin Zoe Mayer appelliert deshalb: „Meine Forderung ist ganz klar, dass wir das Projekt, was im Koalitionsvertrag verankert ist, nämlich eine ernsthafte Novelle des Tierschutzgesetzes, auch so durchführen.“

    Wie sind die Reaktionen auf den Gesetzentwurf?

    Die Reaktionen sind durchwachsen und unterschiedlich. Im Detail beklagt der Bayerische Bauernverband, dass ein Verbot der Anbindehaltung zum Abbau der Tierhaltung führen würde, trotz einer Übergangsfrist von fünf Jahren und möglicher Ausnahmen.
    Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert wiederum gerade diese Ausnahmen. Er findet auch die Definition von Qualzucht nicht ausreichend. Diese habe kaum praktische Folgen. Auch die Tierschutzorganisation Vier Pfoten bemängelt einige Aspekte des Entwurfs, bewertet aber positiv, dass Strafen erhöht werden sollen und höhere Geldbußen geplant sind.
    Insgesamt forderten bereits im November zahlreiche Tier-, Arten- und Umweltschutzorganisationen in einem offenen Brief Bundeskanzler Olaf Scholz auf, sich für ein Ende der Blockade beim Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes einzusetzen.

    jad, Ann-Kathrin Büüsker