"Die meisten Delfine in freier Wildbahn begrüßen mich unter Wasser einfach, indem sie mich kurz umkreisen. Doch eine bestimmte Delfin-Dame, Paint, fing damit an, sich aufrecht ins Wasser zu stellen, ich machte es ihr nach und es wurde zu unserer persönlichen Begrüßung. Zehn Jahre später bekam sie ein Baby, das mich auf dieselbe Art und Weise Unterwasser empfing. Paint hatte ihrem Nachwuchs tatsächlich unsere spezielle Begrüßung beigebracht."
In ihrem Wild Dolphin Project auf den Bahamas beobachtet die Meeresbiologin Denise Herzing nicht nur die Körpersprache der Delfine. Zusammen mit ihren Kollegen sucht sie in erster Linie einen Weg, mit Delfinen über akustische Signale zu kommunizieren. Die Tiere sollen lernen auszudrücken, welche Spielzeuge sie mit den tauchenden Wissenschaftlern benutzen wollen. Darunter ein Schal, ein Seil und Seegras. Für jedes dieser Objekte kreierten die Meeresbiologen einen künstlichen Pfeifton - außerhalb des natürlichen Repertoires der Delfine, aber nah genug daran, dass die Tiere ihn nachahmen können. Der Rest des Experiments ist reine Übungssache: Die Delfine sollen das jeweilige Geräusch mit dem passenden Spielzeug verbinden. Und im Idealfall das passende Geräusch machen, um ein bestimmtes Spielzeug anzufordern. Ein Computerprogramm soll das nachgeahmte Pfeifen für die Taucher über ein Headset dann wieder in menschliche Sprache übersetzen."
"Und auf einmal konnte ich das Wort 'Seegras' von einem Delfin hören, der unsere künstlichen Pfiffe imitiert hat. Unser Computer hat den Pfiff erkannt und übersetzt. Das haben viele Medienvertreter fälschlicherweise so aufgegriffen, als ob wir jetzt Delfinsprache übersetzen können... Dabei hat der Computer nur ein von uns kreiertes Geräusch bei einem Delfin wieder erkannt. Ob die Delfine wissen, dass dieses Pfeifen Seegras heißen soll, ist eine andere Frage..."
Fraglich, ob Delfine über eine differenzierte Sprache verfügen
Durch das Experiment will Herzing ergründen, ob Delfine dazu in der Lage sind, Objekte über akustische Reize zu definieren. Noch weiß man nicht, ob Delfine überhaupt eine differenzierte Sprache besitzen: Ob sie ihr Pfeifen und Meckern eher willkürlich einsetzen - oder gezielt einzelne Objekte benennen. Einen grundlegenden Hinweis darauf, ob eine Tierart dem menschlichen Sprachverständnis nahe kommt, formuliert ein Forscherkollege Herzings von der University of Wisconsin-Madison:
"Wiederholen Tiere immer dieselben grundlegenden Laute, was ein Hinweis auf Sprache ist. Oder machen sie einfach irgendwelche beliebigen Laute - quasi wie ein Synthesizer."
Nach diesen grundlegenden Lauten sucht der Bioinformatiker Michael Coen seit Jahren. Es sind die kleinsten Einheiten einer Sprache, auch Phoneme genannt. Jede menschliche Sprache ist daraus aufgebaut. Je nach sprachlicher Prägung besitzt jeder Mensch ein anderes Standardrepertoire. Die deutsche Sprache beispielsweise benötigt etwa vierzig verschiedene Phoneme, darunter: m, ts, pf, ä, tsch, i, ks...
Für einen einzelnen Menschen ist es schwer, solche Wiederholungen in ungewohnten Sprachen oder eben auch Tierlauten ausfindig zu machen. Doch ein Computer kann auch große Mengen von Audiodaten nach Mustern absuchen.
Durch einen geschickten Algorithmus wurde Michael Coen fündig, und zwar bei Gibbons: 27 voneinander unterscheidbare Phoneme können die Primaten artikulieren. Diese lassen sich wieder in verschiedene Rufe von Gibbons zusammenfügen. Kombiniert mit Verhaltensstudien, also damit, in welchem Zusammenhang bestimmte Phonem-Aneinanderreihungen beziehungsweise Worte auftreten, übersetzten Coen und seine Mitarbeiter Stück für Stück Gibbonsprache in Menschensprache.
"Ich weiß, was Nebelparder auf Gibbonisch heißt, oder auch Netzpython... Ich weiß, wie Gibbons 'Hallo' sagen."
Experten lehnen Vergleich mit Sprache des Menschen ab
Trotzdem lehnen viele Linguisten und Biologen jeden Vergleich mit der menschlichen Sprache ab. Bei anderen Primaten fällt es schwer, ein Muster in der akustischen Kommunikation zu finden. Man vermutet, dass sie nicht unterschiedliche Begriffe sondern einfach Varianten von angeborenen Lauten von sich geben.
Ungeachtet des wissenschaftlichen Disputs: Denise Herzing benutzt ein ähnliches Algorithmus-System wie Michael Coen um nach Phonemen in den Geräuschen zu suchen, die Delfine von sich geben - ihr steht eine über Jahrzehnte lang aufgenommene Audiobibliothek zur Verfügung...
"Wenn ich gerade nur allein auf meine Unterwasservideo- und Geräuschaufnahmen schaue, kommen da zweistellige Terabytewerte zusammen..."
Und selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Delfine keine spezifischen Begriffe für Gegenstände in ihrer Umwelt haben: Es besteht immer noch die Hoffnung, dass sie zumindest die künstlichen Laute von Herzing und Kollegen mit Seegras, Schal und Seil verbinden können. Also dazu fähig sind, eine Fremdsprache zu lernen.