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Tierwelt
Ameisenkrieg auf der Weihnachtsinsel

Auf einer kleinen Insel im Indischen Ozean sorgt eine eingeschleppte Ameisenart für Unruhe im Ökosystem. Gestärkt durch einen einheimischen Zaubertrank attackieren sie derzeit alles, was sich bewegt. Auch Giftköder und Trennzäune können sie nicht bremsen. Nun soll eine fremde Wespe den Frieden wieder herstellen.

Von Volker Mrasek |
    Von oben sieht man die langezogene Küste der Weihnachtsinsel
    Der Schein trügt - unterhalb des Grüns sorgt die sogenannte Verrückte Gelbe Ameise für Unruhe in der Tierwelt (picture alliance / AAP / Mick Tsikas)
    Knallrot wie die Nase von Rudolf, dem Rentier - das ist auch eine Ikone der Weihnachtsinsel in Indischen Ozean - die handtellergroße Rote Landkrabbe. Die Tiere kommen nur dort und auf einem benachbarten Eiland vor. Doch wie man sich im Namen täuschen kann: Auf der Weihnachtsinsel herrscht nicht etwa Frieden, sondern Krieg - angezettelt von einer eingeschleppten Ameisen-Art. In Scharen ziehen die roten Krabben derzeit vom tropischen Regenwald, in dem sie leben, zur Küste, um sich zu paaren.
    Auf einmal drehten die Ameisen durch
    Doch viele kommen dabei den Ameisen in die Quere und laufen in ihr Verderben, wie die belgische Ökologin Els van Burm erzählt: "Diese Ameisen bilden Super-Kolonien. Abermillionen von ihnen wimmeln auf dem Waldboden. Und die Tiere sind äußerst aggressiv. Sie attackieren praktisch alles, was ihnen begegnet: Krabben, Vögel, Reptilien - sogar Palmendiebe. Das sind besonders große Krebse. Die australische Regierung ist sehr besorgt. Denn alle einheimischen Tierarten auf der Weihnachtsinsel gehen in ihren Beständen zurück."
    Die ungebetenen Gäste wurden schon vor knapp hundert Jahren eingeschleppt, vermutlich aus Afrika. Eine ganze Weile verhielten sich die Aliens völlig unauffällig. Doch dann drehten sie plötzlich durch, als es andere fremde Insekten auch noch auf die Weihnachtsinsel verschlug: eine asiatische Schildlaus-Art. Das war in den 90er Jahren: "Diese Schildläuse leben versteckt in den Kronendächern. Die Ameisen starteten eine Symbiose mit ihnen und erschlossen sich dadurch eine neue Nahrungsquelle: Sie begannen, die Läuse zu melken, um so an den Honigtau zu kommen, den sie produzieren. Erst seit dieser Zeit formen die Ameisen Superkolonien."
    Durch den Zaubertrank zum Herrscher der Insel
    Heute wird viel über sogenanntes Super Food gesprochen. Der zuckerreiche Honigtau der Schildläuse fällt ganz sicher in diese Kategorie: "Man kann das genau sehen, wenn man im Wald ist. Sehr, sehr dünne Ameisen krabbeln die Bäume hoch. Und wenn sie wieder runterkommen, sind sie dick und fett!"

    Erst durch den Zaubertrank konnte sich die eingeschleppte Art also zum Herrscher über weite Teile des Weihnachtsinsel-Waldes aufschwingen. Man nennt sie übrigens auch Verrückte Gelbe Ameise. Warum, weiß Nico Blüthgen, Professor für Ökologie an der TU Darmstadt. Er ist den Tieren bei Feldstudien auf Borneo begegnet. Dort breiten sie sich ebenfalls massiv aus: "Die Engländer haben sie 'Yellow Crazy Ant' getauft, weil die sich so hektisch bewegt. Also, die hat eine sehr, sagen wir, verrückte Laufweise. Man kann es kaum vorhersagen, in welche Richtung das gerade geht. So ein bisschen Zickzack. Und dadurch hat sie diesen Namen."
    Rote Landkrabben an einem Strand auf der Weihnachtsinsel
    Die roten Landkrabbe ziehen an die Küste um sich zu paaren - derzeit ist sie dabei nicht mehr ungestört (picture-alliance / dpa / dpaweb)
    Eine Wespe soll Frieden bringen
    Mit Trennzäunen und Giftködern seien Wissenschaftler und Nationalparkhüter bisher nicht weit gekommen, sagt Els van Burm. Deshalb soll jetzt etwas anderes den Frieden auf der Weihnachtsinsel wiederherstellen: eine dritte fremde Insektenart, diesmal absichtlich importiert. Es ist eine kleine Wespe aus der Heimat der Schildläuse. Sie legt ihre Eier in den Honigtau-Produzenten ab, und wenn sich die Larven des Parasiten entwickeln, sterben die Läuse am Ende.
    "Die Wespe wurde im vergangenen Dezember ausgesetzt. Sie soll die Ameisen von ihrer Honigtau-Zufuhr abschneiden und so die Zahl der Super-Kolonien verringern. Aber im Moment ist es noch zu früh für ein Urteil, ob das Ganze funktioniert. Man muss auch sagen: Wir wissen nicht genau, ob diese Schildläuse wirklich die einzige Honigtau-Quelle der Ameisen sind."
    Es wäre jedenfalls ein Segen, wenn das Experiment klappte! Denn dann kehrt vielleicht doch noch irgendwann Frieden auf der Weihnachtsinsel ein.