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Tilman Kuban (Junge Union)
"Wir bleiben bei der Ablehnung der Grundrente"

Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, hat den Kompromiss bei der Grundrente kritisiert. Der Staat dürfe das Geld nicht mit der Gießkanne ausgeben, sagte er im Dlf. Das Rentensystem müsse auch für die Generation der Babyboomer finanzierbar bleiben.

Tilman Kuban im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Bundesvorsitzender der JU, Tilman Kuban, am 28.09.2019 beim 55. NRW-Tag der Jungen Union Nordrhein-Westfalen
Der Bundesvorsitzender der JU: Tilman Kuban (imago/Ralph Sondermann/nagi)
Es ginge nicht darum, dass seine Organisation den älteren Menschen eine Rentenaufstockung nicht gönnen würde, erklärte der Bundesvorsitzender der Jungen Union. Man müsse allerdings darauf achten, dass das Rentensystem finanzierbar bleibe. Daher müsse zwingend an der Bedürftigkeitsprüfung festgehalten werden. "Wir können uns nicht vorstellen, dass diese zusätzliche Leistung sich nicht an der Bedürftigkeit orientiert. Wir wollen, das der Sozialstaat für die Bedürftigen da ist", sagte Kuban.

Kuban lehnt es ab, dass diejenigen mit Vermögensbestände eine Grundrente erhalten. Der Sozialstaat müssen denen zuerst helfen, die gar nichts mehr hätten, so Tilman Kuban. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hätte viele gute Punkte bei den Gesprächen mit der SPD zur Grundrente verhandelt. "Bei den Kernpunkten hätte wir uns ein anderes Ergebnis gewünscht", sagte Kuban.
Das komplette Interview können Sie hier lesen.

Jörg Münchenberg: Es war eine Einigung unter Schmerzen, aber am Ende ist sie gelungen. Die Grundrente, sie soll am 1. Januar 2021 kommen. Rentner mit mindestens 35 Beitragsjahren sollen dann mehr erhalten als Sozialhilfe. Im Gegenzug soll die Wirtschaft gestärkt werden über einen neuen Fördertopf für Zukunftstechnologien, speziell für junge Unternehmen.
Am Telefon ist jetzt der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban. Herr Kuban, einen schönen guten Morgen.
Tilman Kuban: Guten Morgen, Herr Münchenberg.
Münchenberg: Herr Kuban, warum ist das kein guter Kompromiss, auf den sich die GroKo-Spitzen am Wochenende geeinigt haben?
Kuban: Es geht aus unserer Sicht als Junge Union nicht darum, dass wir älteren Menschen, die lange Jahre hart gearbeitet haben, dass wir denen etwas nicht gönnen, oder dass wir nicht uns auch wünschen, dass sie im Alter gut leben können, sondern es geht darum, dass wir das Rentensystem auch in Zukunft finanzierbar halten, und wir als Junge Union und als junge Generation müssen natürlich darauf achten, dass auch etwas im Topf bleibt, wenn wir irgendwann mal in Rente gehen.
Deswegen können wir uns nicht vorstellen, dass diese zusätzliche Rentenleistung sich nicht an der Bedürftigkeit von Menschen orientiert. Wir wollen, dass der Sozialstaat für die Bedürftigen da ist, aber nicht das Geld mit der Gießkanne rausschießt.
Münchenberg: Das heißt, Sie bleiben bei dem ursprünglichen Konflikt- oder Kritikpunkt, eigentlich muss hier auch die Bedürftigkeit geprüft werden?
Kuban: Ja, weil es ansonsten eine Abkehr vom Sozialstaat ist. Wir wollen, dass der Sozialstaat den Menschen hilft, die wirklich bedürftig sind, die es nötig haben im Alter, dass wir ihnen eine Aufstockung geben. Das ist unser Ansatz. Deswegen wünschen wir uns diese Bedürftigkeitsprüfung.
"Wir bei unserer Ablehnung dieser Grundrente"
Münchenberg: Herr Kuban, lassen Sie mich kurz dazwischen gehen. Sie kennen natürlich auch das Gegenargument, das da lautet, dass, wenn es diese Bedürftigkeitsprüfung gäbe, viele Senioren dann die Grundrente nicht in Anspruch nehmen werden.
Kuban: Aber schauen Sie mal: Beispielsweise, wenn jemand Unterhaltsansprüche hat, zum Beispiel aus einer vorherigen Ehe oder Ähnliches, wenn jemand Vermögen zuhause hat, oder aber, wenn andere Immobilien noch da sind, dann ist es doch so, dass wir nicht das Ganze außer Acht lassen können.
Wir haben uns immer darauf verständigt zu sagen, wir wollen das selbstgenutzte Immobilieneigentum nicht darunter fassen. Aber für uns kann es nicht sein, dass denjenigen, die noch durchaus Vermögensbestände haben, dann auch geholfen wird, anstatt dass der Sozialstaat als erstes Mal denjenigen hilft, die gar nichts mehr haben.
ILLUSTRATION - 23.03.2012, Berlin: Ein Rentnerpaar sitzt auf einer Bank vor dem Reichstag und sonnt sich. (zu dpa «SPD-Spitze einigt sich auf Konzept zur Grundrente ») Foto: Stephan Scheuer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Einigung zur Grundrente - Der Kompromiss ist angemessen und richtig
Die Grundrente wird kein Schutz vor Altersarmut sein, aber sie sorgt für eine Anerkennung derjenigen, die ein Arbeitsleben in eher schlecht bezahlten Jobs hinter sich haben, kommentiert Volker Finthammer. Bessere Lösungen sind zwar möglich – mit dieser Koalition aber nicht zu haben.
Münchenberg: Sie stehen mit Ihrer Kritik aber im Regierungslager jetzt ziemlich alleine da. Wir haben vorhin den O-Ton von der Parteivorsitzenden eingespielt, Ihrer Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. Die sagt, das ist eine gute Lösung.
Kuban: Natürlich hat man einen Kompromiss gefunden. Aber aus meiner Sicht macht man die Sache, eine Sache, die schlecht ist, nicht besser, dadurch, dass man neue gute Sachen hinzufügt. Deswegen bleiben wir bei unserer Ablehnung dieser Grundrente, wo man wirklich nur an einer kleinen Stellschraube, nämlich bei den Fragen der Kapitalerträge etwas gemacht hat im Vergleich zu dem, was vorher die Arbeitsgruppe vorgeschlagen hat.
Münchenberg: Hat Ihre Parteivorsitzende schlecht verhandelt am Wochenende?
Kuban: Unsere Parteivorsitzende hat viele gute Punkte neu hineinverhandelt. Aber bei den Fragen, wo es um die Kernpunkte der Grundrente geht, hätten wir uns ein anderes Ergebnis gewünscht.
"Wir haben Härtefälle im Alter"
Münchenberg: Nun fürchtet jeder vierte Deutsche, im Alter arm zu werden. Laut OECD stehen deutsche Geringverdiener im internationalen Vergleich auch deutlich schlechter da als die in anderen Ländern. Auch das ist ja ein Argument dafür, dass die Regierung beim Thema Alterssicherung, beim Thema Grundrente etwas machen musste.
Kuban: Es ist immer die Frage, welchen Vergleich man heranzieht. Natürlich gibt es alte Menschen, die in Deutschland arm sind. Aber ich möchte, dass wir auch in Zukunft nicht nur Härtefälle in unserer Generation haben. Wir haben heute Härtefälle im Alter.
Nur wenn wir nicht aufpassen – wir wissen, dass die Baby-Boomer bald in Rente gehen, und wir haben heute schon 100 Milliarden Euro Steuerzuschuss, die wir in die Rente geben. Von insgesamt 360 Milliarden, die der Bundeshaushalt fasst, gehen fast ein Drittel mit 100 Milliarden schon heute in die Rente – zusätzlich zum umlagefinanzierten System.
Und dass wir als Junge Union darauf hinweisen, dass demnächst die Baby-Boomer in Rente gehen und dann noch mehr dazukommen und wir zusehen müssen, dass wir dieses System finanzierbar halten, damit es nicht am Ende so läuft, dass die junge Generation nur einzahlt, aber am Ende nichts mehr rausbekommt, ist aus meiner Sicht auch legitim.
Münchenberg: Auch Ihre eigene Partei, die CDU hat die jungen Leute, die jungen Menschen aus den Augen verloren?
Kuban: Ich wünsche mir, dass man beim Thema Rentenpolitik sich genauso engagiert auch gerade in der jungen Generation, dass wir so etwas nicht zulassen. Momentan ist es einfach so, dass wir wissen, dass 2021 60 Prozent der Wähler über 50 sein werden, und da haben wir ein bisschen das Gefühl, dass für die bei immer wieder neuen Rentengeschenken durchaus Politik gemacht wird.
Schimke (CDU) zur Grundrente - "Gefahr, dass Nicht-Bedürftige gefördert werden"
Für die CDU-Politikerin Jana Schimke ist bei der Einigung der großen Koalition auf die Grundrente kein guter Kompromiss gefunden worden. Da keine Vermögensprüfung geplant sei, fehle eine "wirkliche Bedürftigkeitsprüfung", sagte Schimke im Dlf.
Münchenberg: Auf der anderen Seite gehört jetzt auch bei dem Kompromiss mit dazu, dass die Betriebsrenten auch stärker gefördert werden sollen. Das ist im Nachhinein jetzt da reinverhandelt worden.
Kuban: Ja, das begrüßen wir auch, und die Frage ist auch bei der Doppelverbeitragung. Das sind natürlich gute Punkte und es ist in der Tat so, dass man sich da auch auf vernünftige Kompromisswege geeinigt hat. Aber noch mal, wie ich vorhin schon gesagt habe: Das eine wird nicht dadurch besser, weil man etwas Gutes hinzufügt, sondern die Grundrente, wie man sie ausgestaltet hat, da fehlt einfach die Bedürftigkeitsprüfung, weil wir wollen, dass der Sozialstaat Bedürftigen hilft und nicht das Geld mit der Gießkanne ausgibt.
"Bei der Finanztransaktionssteuer ist nie ein Durchbruch gelungen"
Münchenberg: Ist denn, Herr Kuban, aus Ihrer Sicht die Grundrente seriös finanziert? Denn ein Teil soll ja auch über die Finanztransaktionssteuer mit bezahlt werden. Aber die Einigung hier auf europäischer Ebene, die steht ja noch aus.
Kuban: Erst mal muss man sagen, dass wir von 1,5 Milliarden Euro ausgehen, wie das Arbeits- und Sozialministerium von Herrn Heil berechnet hat. Ob das wirklich seriöse Berechnungen sind, da haben wir auch schon andere Berechnungen erlebt in den letzten Jahren, wo danach das Ganze dann durchaus doch noch teurer geworden ist.
Der zweite Punkt ist die Frage, was passiert, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen. Dann werden es nämlich deutlich mehr Rentner werden und dann wird das ganze Projekt natürlich noch mal deutlich teurer. Ich habe vorhin schon die 100 Milliarden genannt, die heute schon als Steuerzuschuss in die Rente gehen.
Zur Finanztransaktionssteuer ist es so, dass die laut Koalitionsvertrag eingeführt werden soll, heißt es in dem Eckpunktepapier. Und im Eckpunktepapier oder im Koalitionsvertrag heißt es ebenfalls, dass sie europäisch eingeführt werden soll. Darüber verhandeln jetzt schon verschiedene Finanzminister, seien es Peer Steinbrück oder Wolfgang Schäuble, mit den europäischen Partnern.
Münchenberg: Seit mehreren Jahren!
Kuban: Es ist nie ein Durchbruch gelungen. Wie dieser Durchbruch jetzt bis 2021 erfolgen soll, da mache ich ein großes Fragezeichen dran, und von daher halte ich diese Grundrente nicht für seriös finanziert.
Münchenberg: Ursprünglich, Herr Kuban, stand die Debatte im Raum, dass die Wirtschaft stärker entlastet werden soll, zum Beispiel über eine Unternehmenssteuerreform. Davon ist jetzt in dem Kompromiss keine Rede mehr. Hat da die Union nicht genug insistiert?
Kuban: Man hat aus meiner Sicht viele gute Punkte, beispielsweise auch den Zukunftsfonds mit zehn Milliarden Euro hinzugefügt, und von daher gibt es viele gute Ansätze, die klarmachen, dass wir auch etwas für den Bereich Wirtschaft und für den Bereich Zukunft der Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze tun wollen.
Das begrüßen wir natürlich, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es neue Innovationen aus Deutschland braucht, um im globalen Wettbewerb schritthalten zu können.
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
Kampeter (BDA) zu Grundrente - "Hier geht es nicht um Rentenpolitik, hier geht es um Wahlkampf"
Teuer, wenig zielgenau und mit neuen Ungerechtigkeiten: Das von der SPD vorgeschlagene Modell einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung lehnt BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter kategorisch ab. Die soziale Absicherung des Alters sei nicht allein Aufgabe des Rentensystems, sagte er im Dlf.
Münchenberg: Meine Frage ging um die Unternehmenssteuerreform. Da ist jetzt keine Rede mehr davon, dass es hier Erleichterungen geben soll.
Kuban: Genau. Man kann ja auch über Anreizprogramme und über Förderprogramme, wenn man wirklich die zehn Milliarden Euro zur Verfügung hat, der Wirtschaft Anreize liefern, die nächsten Schritte zu gehen und Innovationen zu liefern. Von daher kann das auch ein Förderprogramm sein, auch wenn eine Unternehmenssteuerreform sicherlich ein anderer Ansatz gewesen wäre.
Münchenberg: Wie ist denn Ihre abschließende Bewertung? Sie äußern sich ja sehr kritisch. Sie lehnen den Kompromiss jetzt ab. Ging es da am Ende weniger um die Inhalte beim Thema Grundrente, als vielmehr darum, die Große Koalition zu retten?
Kuban: Es ging aus meiner Sicht, so wie ich das bewerten kann – ich war ja selbst nicht bei den Verhandlungen dabei -, vor allem um die Frage, wie wird die Grundrente administriert. Auch da halte ich es für absolut falsch, was die SPD da am Ende durchgesetzt hat, dass man bei der Grundrente eine komplett neue Prüfung bei der Rentenversicherung einführt, obwohl Strukturen zur Prüfung bei den Grundsicherungsämtern da gewesen wären. Man hätte sie einfach nur nutzen müssen.
"Meine Kritik an der Grundrente hat nichts mit Personen zu tun"
Münchenberg: Herr Kuban! Meine eigentliche Frage ging jetzt um das Überleben der Großen Koalition. Ging es auch Ihrer Parteivorsitzenden mehr um den Erhalt der GroKo als darum, Unions-Positionen hier durchzudrücken?
Kuban: Ich halte überhaupt gar nichts davon, dass man immer wieder davon spricht, dass jetzt diese Sachfrage zu einer Machtfrage oder zu einer Entscheidung über die Große Koalition werden soll.
Münchenberg: Aber das eine hängt ja mit dem anderen zusammen.
Kuban: Wir sollten mal in der Sache wieder diskutieren lernen, und das halte ich auch nicht für falsch. Ich persönlich sage auch: Meine Kritik, die ich habe an der Grundrente, hat nichts mit den Personen zu tun und ich werde das auch nicht zu einer Personalfrage machen, sondern es geht einzig und allein darum, dass wir in der Sache mal wieder diskutieren.
Das muss man nicht jedes Mal wieder hochspielen, als wäre es eine Machtfrage oder wäre es eine Personalfrage oder die Zukunftsfrage der GroKo.
Münchenberg: Dieser Kompromiss wird ja auch von CDU und CSU mitgetragen. Insofern kann man das ja auch nicht trennen von den handelnden Personen.
Kuban: Dass man das nicht von den handelnden Personen trennen kann, ist vollkommen klar. Nur die Frage ist, ob man nicht in der Sache auch mal unterschiedlicher Meinung sein darf und dass deswegen nicht gleich die Junge Union angeblich die Große Koalition in Frage stellt. Das stimmt nicht, weil wir in der Sache hart verhandeln, weil wir in der Sache unsere Position klarmachen.
Das haben wir bei rentenpolitischen Entscheidungen vorher auch immer schon getan, werden wir auch in Zukunft tun, und das hat nichts damit zu tun, wer jetzt gerade Parteivorsitzender oder Parteivorsitzende ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.