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Tim Renner
Musikproduzent wird neuer Berliner Kulturstaatssekretär

Opern- und Theaterbesuche standen bislang eher selten auf dem Terminkalender des Musikpoduzenten Tim Renner. Der neue Kulturstaatssekretär Berlins hat Bands wie Element of Crime und Sportfreunde Stiller bekanntgemacht. Die freie Szene der Hauptstadt ist jedenfalls begeistert.

Von Verena Kemna |
    Der neue Kulturstaatssekretär Tim Renner (M) neben dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) und dem Senatssprecher Richard Meng (l)
    Der neue Kulturstaatssekretär Tim Renner (M) (dpa / picture alliance / Inga Kjer)
    Der gebürtige Berliner Tim Renner ist schon von seinem äußeren Erscheinungsbild her eine ganz andere Persönlichkeit als sein Vorgänger André Schmitz, der zu jeder Gelegenheit wie aus dem Ei gepellt erschien und immer modisch gekleidet mit Hemd, Krawatte und Anzug auftrat. Tim Renner dagegen hat sich heute im Blitzlichtgewitter der Fotografen mit wuscheligen Haaren und Dreitagebart präsentiert. Der schmächtige 49-Jährige trägt schwarze Jeans und Sportschuhe, eine saloppe schwarze Jacke ein blaues Hemd. Soviel zu den Äußerlichkeiten.
    Seine Meriten hat Tim Renner als erfolgreicher Unternehmer im Musikgeschäft erworben. So hat er beispielsweise die Plattenfirma "Motor Music" in den neunziger Jahren zu einem deutschen Vorzeigelabel ausgebaut. Er hat Bands wie Element of Crime und Sportfreunde Stiller bekannt gemacht. Auch Rammstein verdankt dem Musikexperten internationalen Ruhm. Es sind die unternehmerischen Qualitäten im kreativen Bereich, mit denen der künftige Kulturstaatssekretär punkten soll, zumindest wenn es nach dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit geht, der ja außerdem das Amt des Kultursenators innehat:
    "Tim Renner bringt viel für dieses Amt mit, vieles muss er sich allerdings auch noch erarbeiten. Es ist nicht nur leicht, aus dem privaten Bereich in den öffentlichen hineinzugehen. Da herrschen andere Marktbedingungen, da wird auch noch einiges zu lernen sein. Aber, keine Sorge, wir werden ihn kräftig dabei unterstützen."
    Das wird nötig sein, denn dass er von öffentlicher Verwaltung keine Ahnung hat, gibt Tim Renner freimütig zu. Der in der Szene als Pop-Papst bekannte Renner, ist seit November SPD-Mitglied. Den Regierenden betitelt er respektvoll als Chef. Der wiederum nimmt seinen Schützling bei der ersten Präsentation gleich aus der Schusslinie. Kniffelige Fragen nach Fördergeldern für die Kulturszene oder nach der Zukunft der Alten Meister in der Gemäldegalerie beantwortet er nicht. Interviews im Anschluss an die Pressekonferenz werden abgelehnt. Wowereit liefert die Begründung, die da lautet: Tim Renner beginnt sein Amt als Kulturstaatsekretär am 28. April, dann tagt der Kulturausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus, erst dann beginnt für Renner die Arbeit. Bis dahin muss der noch eigene Firmengeschäfte ordnen, schließlich kam der Anruf des Regierenden Bürgermeisters für den Professor an der Pop-Akademie Baden-Württemberg überraschend. Niemals hätte er sich ein solches Amt in seiner Vita vorstellen können, erklärt Renner. Verantwortung, Gestaltungsmöglichkeiten und der Respekt für das Amt reizen den künftigen Amtsträger:
    "Wer mich kennt weiß, dass ich gar nicht trenne zwischen E und U. Im Gegenteil, ich finde das ist eine Diskriminierung für beide Seiten. Für mich ist die ernste Kultur sinnstiftend, erfrischend, aber nicht nur ernst. Genauso ist die unterhaltende Kultur für mich bei Weitem nicht nur unterhaltend. Für mich ist Berliner Kultur alles zwischen Barenboim und Berghain oder zwischen Radialsystem und Rammstein."
    Erst kommen die Clubs, dann die hippe Szene, später die Immobilienspekulanten. In der Hauptstadt sieht Tim Renner vor allem das kreative Potential als Attraktion und Wirtschaftsmotor:
    "Die Kreativen und Kulturschaffenden in dieser Stadt sind der Rohstoff, von dem wir leben. Sie sind der Grund, weshalb die Touristen kommen, die uns Wachstum bescheren. Sie sind der Grund, weshalb wir attraktiv sind und die besten Leute für Start Ups finden. Sie sind der Grund, weshalb die Berliner stolz sein können auf ihre Stadt, weshalb die Berliner eine Stadt haben die lebenswert ist und die sich ständig weiter entwickelt."
    Fest steht, die freie Szene jubelt über den neuen Mann an ihrer Seite. Nach Renners Auftritt ist Christoph Knoch, Sprecher der Koalition der freien Szene optimistisch:
    "Also er hat heute schon dafür gesprochen und wir müssen jetzt schauen, ob das nur Worte bleiben oder ob dem auch wirklich konkrete Taten folgen. Das muss man sehen und da muss man ihm auch die Chance geben."
    Bisher standen Opern- und Theaterbesuche eher selten auf Renners Terminkalender standen. Wie er sich in dieser Szene einführen wird, darauf sind alle in Berlin gespannt.