Soviel vorab: Heilbar ist Tinnitus nicht. Betroffene können aber mit Hilfe der Medikamente, psychotherapeutischer Sitzungen und Musiktherapie soweit trainiert werden, bis sie im Idealfall den lästigen Ton als so normal empfinden, wie zum Beispiel natürliche Umweltgeräusche oder die Hintergrundgeräusche der Großstadt.
Dies gelingt in den meisten Fällen, sagt Prof. Dr. Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums Charité und Vorstandsvorsitzende der dort beheimateten Deutschen Tinnitus-Stiftung:
"Das Retrainieren ist etwas, was man mit Tinnitus-Patienten wirklich gut durchführen kann. Und da sind diese vier Bausteine, also das Counselling, Entspannungsverfahren erlernen; hörtherapeutische Aspekte, also wenn Schwerhörigkeit ist, Hörgerät oder Rauschgerät oder nur Hörtraining und auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen. Das sind Maßnahmen, wie man den Patienten helfen kann, dass sie ihren Leidensdruck gut runterregulieren können, dass sie wieder ein normales Leben damit bekommen können."
Das funktioniert nach einem ähnlichen Muster, wie beim Partyeffekt. Um sich in einem, mit lärmenden Gästen gefüllten Raum auf eine bestimmte Stimme am Nachbartisch zu konzentrieren, muss man alle anderen Stimmen ausblenden. Genau so gelingt es, ein störendes Geräusch auszublenden. Je stärker das Geräusch jedoch vorher als störend empfunden wurde, desto schwieriger ist es, dieses Geräusch bewusst zu vergessen. Tinnitus sei aber ausdrücklich keine psychosomatische Störung, sagt Prof. Dr. Matthias Rose, Direktor der Psychosomatischen Klinik an der Charité:
"Das Symptom ist als Symptom da und erst mal richtig und nicht infrage zu stellen. Das ist also das Wichtigste, was man zu Anfang sagen muss. Dann setzt die Akuttherapie halt ein und wenn dann zum Schluss entweder reaktiv oder schon vorbestehend noch eine zweite Erkrankung, sozusagen eine Co-Morbidität diagnostiziert werden kann, dann ist das natürlich eine Aufforderung, auch die genau so ernst zu nehmen, als wenn die mit oder ohne Tinnitus bestehen würde."
Eventuell kann diese zweite Erkrankung sogar als Auslöser des Tinnitus diagnostiziert werden. In mehr als 90 Prozent aller Fälle, so eine, auf dem Seminar vorgestellte Studie sei eine beginnende Schwerhörigkeit die Ursache. Das Hören bereite zunehmenden Stress, die Symptome des Stresses würden irgendwann den Tinnitus auslösen, meist durch eine Verengung der Blutgefäße. Ein akuter Notfall:
"Dort versucht man das mit durchblutungsfördernden Medikamenten anzuregen und zusätzlich wird Cortison gegeben. Wobei man aber auch klar sagen muss; wenn man Cortiso gibt, in der Akutphase, greifen wir auch in die Stressachse wieder ein, so dass es für manche Patienten nicht so günstig ist, weil sie auch in der Akutphase mit Schlaflosigkeit dann reagieren und sich mehr gestresst fühlen. In der chronischen Phase haben wir dann keine Pille mehr."
Nur für Begleiterkrankungen gäbe es begleitende Hilfe, den extremen Leidensdruck zu lindern, sagt Prof. Mazurek:
"Wir können natürlich Depressionen, Angststörungen, Panikattacken, die im Laufe von Tinnituserkrankungen sehr häufig auftreten, behandeln. Aber das ist ein zweiter Schritt. Und das muss man mit dem Patienten besprechen, weil es auch Antidepressiva gibt, die durchaus ein Ohrgeräusch verstärken können, es manchmal auch auslösen können. Das heißt, es muss auch eine engmaschige Kontrolle vorgenommen werden."