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Tintenfisch-Papier
Ein ultradünnes Display kann seine Farbe schnell ändern

Schon oft haben sich Wissenschaftler etwas von der Natur abgeschaut: Die Beobachtung von Greifvögeln führte zu Flugzeugen, die weniger Kerosin verbrauchen. Elektronische Nasen sollen eines Tages Krankheiten so sicher diagnostizieren, wie es Hunde oder Ratten heute schon können. Jetzt haben Materialwissenschaftler die Haut von Kopffüßern wie dem Tintenfisch nachgebaut. Was die elektronische Haut kann und was nicht, ist heute im Fachmagazin PNAS nachzulesen.

Von Jochen Steiner |
    Wie kommt ein Materialforscher eigentlich auf die Idee, die Haut von Tintenfischen nachbauen zu wollen? Sind es seine Lieblingstiere oder sein Lieblingsgericht?
    "Diese Tiere sind einfach unglaublich. Und als Gericht sind sie auch nicht schlecht. Nein, also wenn man sie mal in freier Wildbahn beobachtet, wie sie blitzschnell ihre Farbe an die der Umgebung anpassen können, um sich zu tarnen, das ist erstaunlich. Das war für mich die Motivation, mich mit ihnen zu beschäftigen."
    Materialwissenschaftler und Biologen arbeiten zusammen
    John Rogers ist Professor für Materialwissenschaften an der Universität von Illinois in Urbana-Champaign. Um zu verstehen, wie die Haut der Kopffüßer funktioniert, zu denen die Tintenfische gehören, arbeitete Rogers mit Biologen zusammen, die genau das untersuchen. Am Ende lag ein etwa vier Quadratzentimeter großes, nur 100 Mikrometer dünnes Display vor den Forschern, das aus drei Schichten besteht und die Tarnfähigkeit der Tintenfische imitiert.
    "Die obere Schicht besteht aus einem künstlichen Farbstoff, der durch eine Temperaturerhöhung sein Farbe ändert, in unserem Fall von schwarz zu transparent."
    Eine darunter befindliche hauchdünne Lage Silber lässt diese transparenten Stellen weiß erscheinen.
    "Die mittlere Schicht unseres Displays ist ähnlich zu der Muskelfaser-Schicht in der Haut der Kopffüßer. Die Muskeln können die räumliche Anordnung der Pigmentzellen verändern. Dem Betrachter erscheint die Tintenfischhaut dann unterschiedlich gefärbt. In unserem Fall besteht diese Schicht aus winzigen Aktuatoren aus Silizium. Diese erzeugen Wärme, die dann wiederum den Farbumschlag auslöst."
    Fehlt noch die dritte und letzte Schicht.
    "Wir haben darin eine dichte Anordnung von Photodetektoren, und zwar einen Photodetektor pro Pixel. Diese Detektoren übernehmen die gleiche Aufgabe wie das lichtempfindliche Protein Opsin in der Haut der Tintenfische. Biologen gehen davon aus, dass das Opsin mit dafür verantwortlich ist, wie sich die Muskelfasern zusammenziehen, welche Farbe die Tintenfischhaut also annimmt."
    Einige hundert Photorezeptoren werden gebraucht
    Rogers und sein Team mussten immerhin einige hundert Photorezeptoren einbauen, denn so viele Pixel hat ihr Prototyp. Die drei Schichten des Displays sind mechanisch, elektronisch und thermisch miteinander verbunden. Erst dies erlaubt einen selbständigen Farbumschlag von schwarz zu weiß.
    "Wenn Sie eines dieser Displays nehmen und unter eine Lampe halten, dann stimuliert das Licht die Photodetektoren an dieser Stelle. Die Detektoren setzen die Aktuatoren in Gang, die Wärme erzeugen. Gerade so viel, dass der künstliche Farbstoff von schwarz zu weiß umschlägt."
    Dieser Farbumschlag dauere mit etwa einer Sekunde noch recht lang, so John Rogers. Daran wollen die Forscher noch arbeiten. Auch tüfteln sie an einer Alternative zum Farbumschlag durch Wärme, denn das benötigt viel Energie. Und bald soll auch ein Farbumschlag von schwarz zu rot, blau oder grün machbar sein. Mögliche Anwendungen für dünne, biegbare Displays, die ihre Farbe blitzschnell ändern können, gibt es einige: das US-Militär hat Interesse gezeigt und auch einen Teil der Studie finanziert. Eines Tages könnte sich militärisches Gerät selbständig an die jeweilige Umgebung anpassen und praktisch unsichtbar werden. Aber auch ein Modedesigner hat Interesse angemeldet, er will Taschen damit ausstatten.