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Tiny Houses
Leben auf kleinem Fuß

Häuser-Bauen ist wie Auto-Kaufen, also für junge Großstädter eigentlich uninteressant. Doch es gibt Ausnahmen: In den Berliner Prinzessinnengärten entsteht ein sogenanntes "Tiny House", ein winziges Haus für zwei, nachhaltig aus Holz gebaut.

Von Martina Groß |
    Säge, Hammer, Nägel: Werkzeuge für die Holzbearbeitung
    Säge, Hammer, Nägel: Werkzeuge für den Hausbau (picture alliance / dpa / CandyBox / J.M. Guyon)
    "Na, ich habe auf den ersten Blick so gedacht, so ein typisch bürgerlicher Bungalow, so. Aber es hat ja eine ganz andere Geschichte."
    Die Prinzessinnengärten, ein urbaner Gemeinschaftsgarten in Berlin-Kreuzberg. Inmitten von Pflanzsäcken, Hochbeeten und Töpfen mit Tomaten, Mangold und anderen Gemüsesorten sägen, bohren und hämmern vier junge Männer. Auf dem Boden steht bereits ein Grundmuster aus Holzstreben und Bodenplatten, fünf mal fünf Meter. Das ergibt: 25 Quadratmeter. Ohne Wände sieht das groß aus. Sehr groß; zur Sicherheit wird noch mal nachgemessen.
    Crowdfunding statt Bausparvertrag
    Eine Frau, kurze blonde Haare, sieht interessiert zu. Sie ist eine von 120 Unterstützerinnen und Unterstützern des Hausprojekts. 12.500 Euro sind über Crowdfunding für das "Nest" zusammengekommen, ein winziges Haus für zwei Bewohner, Marke Eigenbau. Das Geld reicht zumindest für den Rohbau. In letzter Minute hatte Elisabeth Voß von dem Projekt erfahren und sich spontan mit 20 Euro beteiligt.
    "Ich glaube, dass noch mal Bauen und Architektur ganz anders zu denken eine der ganz großen Herausforderungen ist, damit Leute mit wenig Geld auch auf eine gute Art und Weise und dann auch, wenn sie es möchten, gemeinschaftlich zusammenleben können, und es trotzdem bezahlbar ist."
    Auf einer Bautafel ist die Skizze einer möglichen finalen Version des fertigen "Nests" zu sehen. Einstöckig, mit Holz verkleidet, begrünt, mit großen Fenstern und Dachterrasse. Ausgedacht hat sich das Projekt das Team der Initiative Wieder Wild, bestehend aus sechs Leuten, zwei Frauen und vier Männern. Einer von ihnen ist Hendrik Raufmann:
    "Wir haben uns ja professionelle Dilettanten genannt, weil wir so 'ne bunte Mischung von Menschen sind, die ganz andere Hintergründe haben. Einer von uns, der Larsen, der ist Architekt, Zimmermann und Maurer, und der hat im Prinzip die Qualifikation, so einen Bau von vorne bis hinten komplett zu überblicken. Und es ist aber ganz spannend, der Austausch mit ihm, weil wir ihn ihn immer fragen, muss es wirklich so sein, kann man es nicht einfacher machen? Welche Lösung lässt sich denn anbieten, die jeder versteht?"
    Haus in Handarbeit
    Das Team hat ein Raster entwickelt, das mit festen Größen arbeitet. Gebaut wird mit Modulen, die einen Grundriss von 2,50 Meter mal 1,25 Meter besitzen und für Decken, Boden und Wände eingesetzt werden, etwa so wie Legobausteine. Hendrik Raufmann:
    "Ein Bau ist vom Fundament bis zum Dach sehr komplex und da kann sehr, sehr viel, viel schiefgehen. Letztendlich ist aber so, dass ja in anderen Kulturen immer noch ohne Akkuschrauber gebaut wird. Und das heißt, die meisten Gebäude kann man tatsächlich mit Hand bauen."
    Verwendet wird nur Material, das es in jedem Baumarkt zu kaufen gibt, oder Holz aus alten Häusern, das hier wiederverwendet wird. Auch das benötigte Werkzeug ist denkbar einfach: Schraubenzieher, Akkubohrer, Säge, sagt Raufmann:
    "Und dann habe ich angefangen zu recherchieren und habe überlegt, welche Möglichkeiten gibt es denn schon auf dem Markt für Selbstbauhäuser? Und dann bin ich auf den 'Rachel Architekturwettbewerb' gestoßen von Lars Lange."
    2014 hat der in Köln lebende Philosoph Lars Lange vom Verein Jack in the Box den Wettbewerb ausgeschrieben, gesucht wurden Pläne für nachhaltig gebaute, winzige Häuser. Nicht mehr als 25.000 Euro sollte so ein Haus kosten. Das ist natürlich immer noch viel Geld! Aber Lars Lange zufolge soll so ein Tiny House selbst mit einem Hartz-IV-Regelsatz bezahlbar sein. Es geht bei der Idee um mehr als das eigene kleine Häuschen im Grünen. Nämlich darum, wie wir künftig wohnen wollen - und können. Lars Lange:
    "Mir geht es im Prinzip um die Frage, wie 7,4 Milliarden Menschen geschwisterlich zusammenleben können. Wir können natürlich hier unsere Grenzen abschotten und sagen, wir bleiben bei unserem Verbrauch, bei unserem Stoffdurchsatz, bei unserer CO2-Emission, dafür sollen die Länder des globalen Südens sich bescheiden und einfach weniger verbrauchen. Das finde ich einfach unethisch, das ist absolut ungerecht, wir müssen hier versuchen in den Ländern des globalen Nordens das zu thematisieren, hier den Verbrauch runterzubekommen, und ich erwarte da nichts vom System, von der offiziellen Politik, das müssen wir einfach selber machen."
    Nicht nur energetisch, auch ökologisch und sozial machen die Tiny Houses erst Sinn, wenn sie gestapelt werden und sich zu kleineren Einheiten verbinden.
    "Feierabend! Heute haben wir viel geschafft."
    Nach einer Woche Aufbau des Tiny House in den Berliner Prinzessinengärten stehen schon die gedämmten Außenwände. Nach zwei Wochen ist der Rohbau fast fertig. Täglich kommen neue Helfer dazu. Es gibt Workshops. Aus der gesammelten Erfahrung während des Baus entstehen neue Ideen die ursprüngliche Pläne werden verändert. Wie bei Rachel sind auch die Pläne des "Nests" Open Source - das heißt: Jeder kann sie nutzen und verändern.
    Ein Konzept, das Crowfunding-Unterstützerin Elisabeth Voß begeistert:
    "Ich find das toll, so was Kleines zu haben, was meins ist, was ich überschaue, wo ich mich drin einrichten kann, und nicht so viel Verantwortung für so viel Großes haben zu müssen, und alle anderen Sachen mit anderen zu teilen, das finde ich eine geniale Idee."
    Info
    Bis zum Frühjahr bleibt das "Nest" in den Prinzessinnengärten stehen, bis zur Winterpause Ende Oktober kann es besichtigt werden - und am 5.9.2015 können Interessierte dabei helfen, eine Regenwassernutzungsanlage einzubauen.