Khalil Al-Mohannadi soll seinen Job als Vize-Präsident des ITTF zurückerhalten. Thomas Weikert habe dem Präsidenten des katarischen Tischtennis-Verbands unrechtmäßig entlassen, verkündet das Exekutivkomitee des Verbandes in einer Pressemitteilung. Nun habe man Weikert das Vertrauen und die Unterstützung entzogen – zugunsten "der Demokratie, des gesunden Menschenverstands und der Gerechtigkeit".
Ein Vorgehen, das so aber gar nicht in den Aufgabenbereich des Exekutivkomitees falle. Thomas Weikert erklärt selbst: "Das ist aus meiner Sicht juristisch nicht möglich und deshalb habe ich diese Entscheidung bei unserem internen Schiedsgericht, dem ITTF-Tribunal, auch angegriffen."
Eine Revolte? Weikert will im Notfall auch vor den internationalen Sportgerichtshof CAS ziehen. Aber was ist eigentlich passiert? "Ich hatte Herrn Al-Mohannadi als meinen Vertreter abgesetzt, weil ich aufgrund der letzten Wochen und Monate das Vertrauen vollkommen verloren hatte," so Weikert.
Al-Mohannadi versus Weikert
Hintergrund sind unter anderem Dokumente, die der Schweizer Tischtennis-Verband dem ITTF um Thomas Weikert zugespielt hatte. Darin werden Al-Mohannadi zwielichtige Geschäfte vorgeworfen. Georg Silberschmidt, Mitglied des Zentralvorstands von Swiss Table Tennis, liefert Einblicke: "Es gibt eine eidesstaatliche Erklärung von einem Trainer in Katar, der ein Drittel von seinem Monatsgehalt immer an Herrn Al-Mohannadi abliefern musste. Diese Informationen wurden auch dem EC überliefert. Das EC hat jedoch nicht darauf reagiert, worauf dann Thomas Weikert reagiert hat."
Darüber hinaus habe Al-Mohannadi als Chef einer katarischen Firma namens "Qatar for Sports" Geschäfte mit dem deutschen Sportartikelhersteller Joola gemacht. Das ist laut Satzung verboten. Die vorliegenden Dokumente seien nach Weikert, selbst Rechtsanwalt, jedoch keine juristischen Beweise: "Ich habe diese Unterlagen gesehen und ich denke, da sind weitere Nachforschungen schlicht und einfach notwendig. Insbesondere kann sich Herr Al-Mohannadi selbst dazu erklären. Er hat ja bislang keine Stellungnahme abgegeben."
Bis jetzt. Seit Donnerstag liegt dem Deutschlandfunk ein "streng privater und vertraulicher" Brief von Al-Mohannadis Anwaltskanzlei "Solesbury Gay" vor. In dem Schreiben, das auf den 19. März 2021 datiert und an die Exekutivmitglieder gerichtet ist, werden die Anschuldigungen gegen Al-Mohannadi entkräftet – mithilfe von Dokumenten, die ausschließlich von katarischen Behörden stammen. Weiterhin fordert die Kanzlei Thomas Weikert auf, seine Aussagen innerhalb von sieben Tagen zurückzuziehen und sich öffentlich zu entschuldigen. Ansonsten werde man "alle relevanten Rechtsmittel der ITTF-Satzung ergreifen".
Tischtennis-Experte Kramer: "Ein vorbereiteter Putsch"
Weikert gegen Al-Mohannadi. Ein Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit an der Spitze des Weltverbandes tobt, meint Dietmar Kramer, Tischtennis-Chef des Sportinformationsdienst SID: "Meines Erachtens handelt es sich hierbei um die nächste Stufe eines schon lange vorbereiteten Putsches innerhalb der ITTF-Spitze gegen Thomas Weikert und den Kreis der Menschen, die in der Führung der ITTF für Transparenz und Good Governance eintreten möchten."
Auch Andreas Preuß, Vertreter der Bundesliga und Manager von Borussia Düsseldorf, ist über die aktuellen Entwicklungen äußerst besorgt: "Das letzte, was wir brauchen können, ist einen unruhigen Tischtennis-Weltverband in sowieso unruhigen Zeiten."
Im Mittelpunkt dieser unruhigen Zeiten: World Table Tennis, WTT, als umstrittene neu gegründete Tochtergesellschaft der ITTF. Mit neuen Turnieren und höheren Preisgeldern soll das Tischtennis mithilfe der WTT mehr Geld verdienen. Hier könnte der Ursprung des verlorenen Vertrauens in Weikert liegen, behauptet er selbst: "Ich habe diese Firma natürlich mit auf den Weg gebracht. Aber ich habe verschiedene Regelübertretungen oder Unregelmäßigkeiten festgestellt, die ich auch artikuliert habe."
So haben beispielsweise Al-Mohannadi und der CEO der ITTF, Steve Dainton, nicht nur leitende Ämter beim Tischtennis-Weltverband inne, sondern sitzen gleichzeitig im Vorstand der WTT.
Lautstarke Kritik vom DTTB
Diese Doppelfunktion kritisiert auch der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) in einem sechsseitigen Brief an den internationalen Verband vom 18. November 2020. In der aktuellen Pressemitteilung von Montag – vier Monate nach Erhalt des Briefes – antwortet das Exekutivkomitee nun auch in diese Richtung: Die Anschuldigungen seien "schädlich" und "unbegründet". Der DTTB wollte sich auf Anfrage zu diesem Thema nicht äußern. Präsident Geiger verwies aber darauf, dass man einen Brief der Exekutive erhalten habe und nun rechtlichen Rat einholen werde.
Dietmar Kramer vom SID macht sich derweil Gedanken um grundsätzliche Umgangsformen: "Wenn die Kritik in dieser Form zurückgewiesen wird, ist das sehr bezeichnend für das Selbstverständnis der momentanen Mehrheit im Exekutivkomitee."
Als ob die Entwicklungen, Diskussionen und Spekulationen noch nicht brisant genug wären, wählt die ITTF in diesem Jahr einen neuen Präsidenten. Thomas Weikert wird nach jetzigem Stand wieder kandidieren – jedoch unter Vorbehalt: "Ich muss mit den Leuten zusammenarbeiten können, die ich mag und, die Tischtennis in meinem oder in unserem Sinne voranbringen. Ich kann mir das nur dann vorstellen, wenn alle demokratischen Werte eingehalten werden."
Georg Silberschmidt vom Schweizer Tischtennis-Verband ist ebenfalls besorgt, gibt sich aber kämpferisch: "Ich hoffe nicht, dass die ITTF jemanden an die Spitze wählt, der nachweislich gegen Gesetze verstoßen hat. Da gibt es auch noch andere Beweismittel, die noch nicht veröffentlicht wurden. Die können organisiert werden." Es sind sportpolitisch spannende Wochen im Tischtennis.