Breaking News, Live-Ticker, Sondersendungen – das U-Boot-Drama im Atlantik hat die Medien tagelang in Atem gehalten –BBC, CNN, China Daily – ja, auch der Deutschlandfunk berichteten über die fünf abenteuersuchenden Touristen, die mit ihrem U-Boot nahe des Titanic-Wracks verschollen waren. Wir wurden Zeugen einer gigantischen Suchaktion. Sogar aus Frankreich machte sich ein Spezialschiff auf den Weg. Immenser Aufwand, immenser Aufmerksamkeit. Warum konnten wir unsere Blicke nicht davon lassen?
Zunächst, weil es eine überschaubare Geschichte ist. Fünf Menschen in einer Tiefseekapsel. Der Sauerstoff geht zur Neige, die Uhr tickt und wir können gefühlt dabei zusehen. Fotos, Namen und Biographien der Eingeschlossenen geben ihnen Gesichter, bringen sie uns nahe. Welche Gespräche führen sie wohl in diesem Moment? Wie riecht es da unten? All das malen wir uns aus, mit dem Wissen darum, dass diese Geschichte sehr bald – so oder so - ein Ende finden wird. Die meisten anderen Dramen unserer Tage sind ungleich komplexer. Der Klimawandel, der Ukraine-Krieg. Ein Ende ist nicht absehbar. Beim U-Boot ließ sich das Drama aus sicherer Entfernung beobachten – dem Klimawandel aber, dem können wir nicht entrinnen. Wir sind selbst mittendrin.
Mehr Aufmerksamkeit für wahre Krisen
So erklärt sich auch die vielbesprochene Nachrichtenmüdigkeit – zu viele Bad News, zu viele ungelöste Krisen und unübersichtliche Herausforderungen. Lieber Mal abschalten. Aber halt, dürfen wir das denn? Abschalten? Mit Milliardären mitfiebern, die auf einer überflüssigen Abenteuertauchfahrt um ihr Leben kämpfen, während zeitgleich Menschen im Mittelmeer ertrinken? Für die aber macht sich kein französisches Spezialschiff auf den Weg. Allein in diesem Jahr sind bislang wohl mehr als 1100 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmehr gestorben. Doch hier gibt es nur selten Namen oder Biographien. Hier gibt es nur Zahlen und die sind abstrakt, sie berühren uns nicht. Hinzu kommt, dass bei Wiederholungen die Aufmerksamkeit schwindet. Wieder ein Boot im Mittelmeer gesunken.
Dass wir Menschen so ticken, das lässt sich beklagen – nur ändern lässt es sich nicht. Wir sind so. In einer Welt voller überkomplexer Probleme, ist die Überschaubarkeit des U-Boot-Dramas eine willkommene Abwechslung, so makaber es klingt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns bemühen, die weniger leicht zu lösenden Krisen nicht aus unserem Sichtfeld zu verlieren. Kein Milliardärs-U-Boot, sondern Krieg, Klima und Armut gefährden unseren demokratischen Zusammenhalt – diese Krisen brauchen unsere volle Aufmerksamkeit.