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Tod am Ehrentag

Für seine Aussöhnung mit Israel erhielt er den Friedensnobelpreis - und bezahlte mit seinem Leben. Am 6. Oktober 1981 wurde der ägyptische Staatspräsident Anwar al-Sadat ermordet. Die Attentäter waren radikale Muslime, die mit seinem Bekenntnis zum israelischen Staat nicht einverstanden waren.

Von Raschid Bockemühl |
    Am 6. Oktober 1973 überschritten ägyptische Truppen den Suez-Kanal und setzten ihren Fuß auf die Halbinsel Sinai. Der Kanal und die Halbinsel, beide 1967 von Israel erobert und besetzt, wurden wieder ägyptisches Territorium. Dieser militärische Sieg ließ die schmachvolle Niederlage von 1967 vergessen. Er war der größte politische Triumph des ägyptischen Staatspräsidenten Anwar al-Sadat. Jedes Jahr am 6. Oktober wurde der nationale Ehrentag fortan mit einer großen Militärparade gefeiert. Doch 1981 sollte alles ganz anders kommen.

    Die Schüsse wurden aus einem vorbeifahrenden Militärfahrzeug abgegeben. Sie galten dem Staatspräsidenten und Oberbefehlshaber der Armee, der auf der Ehrentribüne saß. Sadat sprang auf. Vize-Präsident Mubarak und Verteidigungsminister al-Ghazzali, die neben ihm saßen, versuchten ihn herunterzuziehen, um ihn zu schützen - doch zu spät.

    Drei Schüsse hatten Sadat getroffen. "Das ist unvorstellbar!", waren seine letzten Worte, als er feststellen musste, dass Angehörige seiner Armee auf ihn schossen. In der allgemeinen Verwirrung war zunächst unklar, ob er den Anschlag überlebt hatte. Doch am Abend trat sein designierter Nachfolger Hosni Mubarak vor die Fernsehkameras, bestätigte offiziell den Tod des Präsidenten und würdigte ihn mit den Worten:

    "Allah hat bestimmt, dass Sadat an einem Tag starb, der selbst symbolisch für ihn stand - umgeben von seinen Soldaten, von Kriegshelden und Menschen, die alle die Wiederkehr des Tages feierten, an dem die arabische Nation ihre Würde zurück gewann."

    Die Attentäter, Offiziere und Unteroffiziere der ägyptischen Armee, gehörten zu einer radikalen Gruppe, die sich von der Gama'at al-Ikhwan al-Muslimin, der "Gemeinschaft der Muslimbrüder" abgespalten hatte. Kurz zuvor hatte Sadat Hunderte radikaler Muslime einsperren lassen - er, der zu Beginn seiner Amtszeit 1970 noch die harte Politik seines Vorgängers Nasser gegen die Muslimbrüder gelockert, ja zeitweise mit ihnen sympathisiert hatte. Vor allem aber wollten ihn seine Mörder für seinen Friedensschluss mit dem jüdischen Staat bestrafen. Sadats Aussöhnung mit Israel wurde ihm zum Verhängnis.

    Am 20. November 1977 hatte er Jerusalem besucht und eine Rede vor der Knesset gehalten. Die Abgeordneten empfingen den Gast aus Ägypten mit begeisterten Ovationen. Nach seinem Grußwort kam Sadat sehr schnell auf das Ziel seines Besuches zu sprechen.

    "Wir alle in diesem Lande Gottes - Moslems, Christen und Juden - loben alle Gott und sonst niemanden. Und Gottes Lehre und Forderung lautet: Liebe, Aufrichtigkeit, Frieden. Sie wollen mit uns leben in diesem Teil der Welt. Ich erkläre Ihnen in aller Ernsthaftigkeit: Wir heißen Sie unter uns willkommen. Wir lehnten Sie ab. Wir hatten dafür unsere Gründe und unsere Ansprüche. Wir sprachen von Ihnen als 'so genanntes Israel'.

    Aber heute sage ich Ihnen - und ich sage es der ganzen Welt -, dass wir mit Ihnen leben wollen in einem dauerhaften gerechten Frieden. Ich habe mehr als einmal betont, dass Israel eine vollendete Tatsache ist, anerkannt von der Welt, und dass die zwei Supermächte die Verantwortung für seine Sicherheit und Existenz übernommen haben."

    Dieses Bekenntnis zur Aussöhnung sollte sein Todesurteil werden. Seine Attentäter wurden später hingerichtet. Seine Witwe Jehan, die das Attentat selbst miterlebt hatte, schloss ihre sechs Jahre später erschienene Autobiografie mit den Worten:

    "Manchmal gehe ich in sein Schlafzimmer und öffne den Schrank, um mir die Militäruniform anzusehen, die er am letzten Tag seines Lebens trug. Sie hängt noch da mit den Einschusslöchern an der Schulter und in dem braunen Ledergürtel. Der rechte Ärmel ist noch aufgeschlitzt, wo die Ärzte ihm die Bluttransfusionen gegeben haben. Sein blutgetränktes Unterhemd ist inzwischen steif und braun geworden. Selbst das bewahre ich für den Tag, da Ägypten bereit ist, meinen Mann zu ehren."
    Aber die Meinungen der Ägypter über Anwar al-Sadat sind bis heute geteilt. Die Geschichte wird von Sadat festhalten, dass er - der für seine größte politische Leistung, gemeinsam mit Menachem Begin, den Friedensnobelpreis erhielt - der erste arabische Politiker war, der einen mutigen Schritt zur Lösung des Nahost-Konflikts getan - und ihn mit seinem Leben bezahlt hat.