"The death of an Indian National in such circumstances is a matter of concern."
Der Sprecher des indischen Außenministeriums drückte seine Besorgnis aus. Nicht zum ersten Mal blickt die Außenwelt verständnislos auf Irland. Ende Oktober war eine 31-jährige Frau aus Südindien im Universitätsspital von Galway an einer Blutvergiftung gestorben. Eine Woche zuvor hatten die Ärzte einen drohenden Abort diagnostiziert. Doch obwohl die Patientin nach Angaben ihres Mannes um eine Abtreibung gebeten hatte, warteten die Ärzte drei Tage lang, bis das Herz des 17 Wochen alten Fötus nicht mehr schlug. Nun laufen interne Untersuchungen. Mit Blick auf die indische Besorgnis und europäische Schlagzeilen versprach Gesundheitsminister James Reilly, die Abklärungen müssten der Kritik der Welt standhalten.
"I want the findings of this to stand up to the scrutiny of the world."
Die Kritik der Welt: Damit kann Irland schlecht umgehen. Das Land ist dünnhäutig und empfindlich. Denn die Iren möchten geliebt werden und sie möchten gut sein. Letzteres führte 1983 - nach einer traumatischen Volksabstimmung - zur Verankerung eines schillernden Paragrafen in der irischen Verfassung: Der Staat verpflichtete sich, ungeborenes Leben mit allen Mitteln zu schützen, wenn auch unter Berücksichtigung des gleichwertigen Rechts der Mutter auf ihr Leben. Es ist diese bedingungslose Gleichsetzung von Mutter und Fötus, die möglicherweise zum Tod der jungen Inderin führte. Im irischen Parlament sprach der Oppositionspolitiker Niall Collins eine Binsenwahrheit aus:
"Let's be honest about it here: there are varying views within all the political parties, within all sections of society."
Alle Parteien, ja die ganze Gesellschaft sei in dieser Frage tief gespalten. Deshalb hat sich der Gesetzgeber in den letzten 29 Jahren störrisch geweigert, die inneren Widersprüche der Verfassung gesetzgeberisch zu klären. Außenminister Eamon Gilmore von der Labourpartei blieb vorsichtig:
"We need to bring legal clarity to this issue. We need to ensure that in this country, that we do not have a doubt that puts a mother's life at risk."
Er wolle gesetzliche Klarheit schaffen, damit die Zweideutigkeiten keine Menschenleben mehr gefährdeten. Die Sinn-Féin-Abgeordnete Mary-Lou McDonald wählte Klartext. Pikanterweise benutzte sie für die ambivalente Rechtslage den Ausdruck Limbo, den mittelalterlichen Begriff für die Vorhölle, wo ungeläuterte Sünder vegetieren:
"But the blunt truth is that the limbo exists because this house has failed to legislate."
Das Versagen des Parlaments sei an allem schuld. Ihr linker Kollege Joe Higgins suchte nach Gründen:
"There is powerful prima facie evidence that the ethos of one Church in this state was applied to deny a life-saving termination."
Alles deute darauf hin, dass die katholische Geisteshaltung des Spitals den lebensrettenden Eingriff verhindert habe. Irische Schwangerschaften werden in England abgebrochen. So provozieren tragische Einzelfälle immer wieder Krisen. 1992 schritt der irische Supreme Court ein: Er erklärte eine Abtreibung in Irland für legal, wenn die schwangere Frau suizidgefährdet sei. Das ist seither die Rechtslage. Abtreibung bleibt selbst bei Inzest und Vergewaltigung verboten, wäre aber theoretisch bei Suizidverdacht legal. Seither scheiterten irische Regierungen zweimal beim peinlichen Versuch, den Suizid über ein erneutes Referendum wieder auszuschließen. Vor zwei Jahren verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die irische Regierung, sie gewährleiste selbst bei klaren medizinischen Indikationen keine legalen Abtreibungen. Die öffentliche Meinung ist in den letzten Jahrzehnten gewiss etwas liberaler geworden. Die katholische Amtskirche hat aus anderen Gründen ihren Autoritätsanspruch verloren, doch ihre Werte sitzen tief in der Volksseele. Die Politiker müssten ihren Pflichten für das Gemeinwohl nachkommen, doch das ist leichter gesagt als getan in einem Land, das die Aufklärung nur vom Hörensagen kennt und dessen politisches System vom Klientelwesen geprägt ist.
Der Sprecher des indischen Außenministeriums drückte seine Besorgnis aus. Nicht zum ersten Mal blickt die Außenwelt verständnislos auf Irland. Ende Oktober war eine 31-jährige Frau aus Südindien im Universitätsspital von Galway an einer Blutvergiftung gestorben. Eine Woche zuvor hatten die Ärzte einen drohenden Abort diagnostiziert. Doch obwohl die Patientin nach Angaben ihres Mannes um eine Abtreibung gebeten hatte, warteten die Ärzte drei Tage lang, bis das Herz des 17 Wochen alten Fötus nicht mehr schlug. Nun laufen interne Untersuchungen. Mit Blick auf die indische Besorgnis und europäische Schlagzeilen versprach Gesundheitsminister James Reilly, die Abklärungen müssten der Kritik der Welt standhalten.
"I want the findings of this to stand up to the scrutiny of the world."
Die Kritik der Welt: Damit kann Irland schlecht umgehen. Das Land ist dünnhäutig und empfindlich. Denn die Iren möchten geliebt werden und sie möchten gut sein. Letzteres führte 1983 - nach einer traumatischen Volksabstimmung - zur Verankerung eines schillernden Paragrafen in der irischen Verfassung: Der Staat verpflichtete sich, ungeborenes Leben mit allen Mitteln zu schützen, wenn auch unter Berücksichtigung des gleichwertigen Rechts der Mutter auf ihr Leben. Es ist diese bedingungslose Gleichsetzung von Mutter und Fötus, die möglicherweise zum Tod der jungen Inderin führte. Im irischen Parlament sprach der Oppositionspolitiker Niall Collins eine Binsenwahrheit aus:
"Let's be honest about it here: there are varying views within all the political parties, within all sections of society."
Alle Parteien, ja die ganze Gesellschaft sei in dieser Frage tief gespalten. Deshalb hat sich der Gesetzgeber in den letzten 29 Jahren störrisch geweigert, die inneren Widersprüche der Verfassung gesetzgeberisch zu klären. Außenminister Eamon Gilmore von der Labourpartei blieb vorsichtig:
"We need to bring legal clarity to this issue. We need to ensure that in this country, that we do not have a doubt that puts a mother's life at risk."
Er wolle gesetzliche Klarheit schaffen, damit die Zweideutigkeiten keine Menschenleben mehr gefährdeten. Die Sinn-Féin-Abgeordnete Mary-Lou McDonald wählte Klartext. Pikanterweise benutzte sie für die ambivalente Rechtslage den Ausdruck Limbo, den mittelalterlichen Begriff für die Vorhölle, wo ungeläuterte Sünder vegetieren:
"But the blunt truth is that the limbo exists because this house has failed to legislate."
Das Versagen des Parlaments sei an allem schuld. Ihr linker Kollege Joe Higgins suchte nach Gründen:
"There is powerful prima facie evidence that the ethos of one Church in this state was applied to deny a life-saving termination."
Alles deute darauf hin, dass die katholische Geisteshaltung des Spitals den lebensrettenden Eingriff verhindert habe. Irische Schwangerschaften werden in England abgebrochen. So provozieren tragische Einzelfälle immer wieder Krisen. 1992 schritt der irische Supreme Court ein: Er erklärte eine Abtreibung in Irland für legal, wenn die schwangere Frau suizidgefährdet sei. Das ist seither die Rechtslage. Abtreibung bleibt selbst bei Inzest und Vergewaltigung verboten, wäre aber theoretisch bei Suizidverdacht legal. Seither scheiterten irische Regierungen zweimal beim peinlichen Versuch, den Suizid über ein erneutes Referendum wieder auszuschließen. Vor zwei Jahren verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die irische Regierung, sie gewährleiste selbst bei klaren medizinischen Indikationen keine legalen Abtreibungen. Die öffentliche Meinung ist in den letzten Jahrzehnten gewiss etwas liberaler geworden. Die katholische Amtskirche hat aus anderen Gründen ihren Autoritätsanspruch verloren, doch ihre Werte sitzen tief in der Volksseele. Die Politiker müssten ihren Pflichten für das Gemeinwohl nachkommen, doch das ist leichter gesagt als getan in einem Land, das die Aufklärung nur vom Hörensagen kennt und dessen politisches System vom Klientelwesen geprägt ist.