Archiv


Tod eines Paares

Petra Kelly war eine der wichtigsten Symbolfiguren der Friedens- und Anti-Atombewegung der 80er Jahre, eine Ikone, weltweit bekannt. Vor 15 Jahren, am 19. Oktober 1992, wurden sie und ihr Lebensgefährte, der ehemalige General Gert Bastian tot in ihrer Bonner Wohnung aufgefunden. Fast drei Wochen hatten sie schon dort gelegen, bevor sie entdeckt wurden, Gert Bastian im Flur, Petra Kelly im Bett. Der überraschende Tod des Paares erschütterte die Republik - und gibt bis heute Rätsel auf.

Von Georg Gruber |
    "Die Todesursache bei Herr Bastian und Frau Kelly ist jeweils ein Schuss in den Kopf."

    Am 19. Oktober 1992 war das prominente Politikerpaar tot in seiner Bonner Wohnung aufgefunden worden. Hartmut Otto, der Leiter der Mordkommission, erklärte auf einer Pressekonferenz am Tag danach, Bastian habe Kelly erschossen und dann Selbstmord begangen. Ging Petra Kelly freiwillig mit ihrem Lebensgefährten in den Tod?

    "Es ist ein absoluter Nahschuss, ein so genannter aufgesetzter Schuss gewesen und da gibt's einfach nur die Möglichkeit: entweder lag ein Einverständnis vor oder es ist eben im Schlaf geschehen. "

    Der Tod der beiden Grünen-Politiker löste weltweit eine Welle der Betroffenheit aus und sorgte für Spekulationen: War es ein Doppelselbstmord? Oder war es nicht doch ein Anschlag von Rechtsextremen, von Geheimdiensten oder der Atommafia?

    Petra Kelly und der ehemalige General Gert Bastian waren wichtige Symbolfiguren der Friedens- und Anti-Atombewegung der 80er Jahre. Kelly gehörte zu den Gründerinnen der Grünen und war unter jenen Grünen-Abgeordneten, die 1983 - mit Blumensträußen - erstmals in den Bundestag einzogen:

    " "Und all die Personen, die keine Lobby bis jetzt haben, sei es auch Tiere und Pflanzen, sei es Behinderte, Frauen, Rentner, ältere Menschen, Kinder, für die eine Lobby sein in diesem Bundestag, die bis jetzt keine Fürsprecher hatten. "

    Gert Bastian hatte 1980 aus Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss die Bundeswehr verlassen. Im selben Jahr lernten sich die beiden auf einer Podiumsdiskussion kennen. Sie wurden ein unzertrennliches Paar, der Ex-General und die grüne Vorzeige-Pazifistin, rastlos in ihrer Mission für eine bessere Welt.

    " "Bei gerade solchen Fragen wie Menschenrechtsfragen, waren wir immer davon ausgegangen, dass egal wo sie passieren, jeder Mensch eine Verantwortung hat für den anderen Menschen, sei es in Afghanistan, sei es in Chile, sei es in Nicaragua, sei es in der DDR, sei es bei uns zu Hause - und deswegen mischen wir uns ein."

    Gert Bastian war Petra Kellys wichtigste Stütze. Seit Anfang der 80er Jahre litt sie unter Angstzuständen.

    "Gert Bastian und seine Solidarität, das ist etwas, ohne dass ich gar nicht mehr hätte existieren können, das ist eine ganz starke symbiotische Freundschaft."

    In dieser symbiotischen Freundschaft vereinsamten sie, soviel scheint sicher. Die Richtungskämpfe in der grünen Partei stießen die beiden ab. 1991 erhielt Petra Kelly bei den Wahlen zum Bundesvorstand nur wenige Stimmen - die Partei liebte ihre aufopferungsvolle und willensstarke Ikone nicht mehr.

    " Jetzt haben sie euch zur Legende gemacht und in Unwirklichkeiten versponnen, denn dann ist einem um den Vergleich gebracht und auch das schlechte Gewissen genommen. "

    Auf der Trauerfeier Ende Oktober 1992 versammelten sich mehr als 1500 Menschen, politische Weggefährten und Freunde aus aller Welt, sogar aus Tibet und Indianer aus Nordamerika. Ehemalige DDR-Oppositionelle, für die sich Petra Kelly und Gert Bastian besonders eingesetzt hatten. Der russische Schriftsteller Lew Kopelew betonte auf der Feier, er glaube nicht an einen Selbstmord der beiden:

    "Sie wären nicht freiwillig von uns gegangen, ohne es zu erklären. Es geschah etwas Schreckliches, Grausiges, vielleicht wird es einmal aufgeklärt."

    Der Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion Lukas Beckmann, ein Freund Petra Kellys, widersprach 1993 der These der Staatsanwaltschaft vom Doppelselbstmord. In den hinterlassenen Briefen und Unterlagen gebe es keine Hinweise darauf, dass Petra Kelly aus dem Leben scheiden wollte. Ihr Terminkalender war voll.

    Presseerklärung Beckmann 30. 4.1993:
    "Hinweise, die Gert Bastian als Täter in Frage stellen, gibt es nicht. Das Motiv bleibt offen."

    Lukas Beckmann hatte noch am Todestag mit Gert Bastian telefoniert. Es ging um einen Antrag auf beschleunigte Akteneinsicht bei der Gauckbehörde. Eine Frage, die immer wieder auftauchte: Hatte Bastian Angst, als Stasi-Mitarbeiter enttarnt zu werden? Dass er IM war, ist bis heute nicht belegt. Fest steht allerdings, dass die Organisation "Generäle für den Frieden", der auch Bastian angehörte, von der DDR mit 100.000 DM jährlich finanziert wurde.

    Till Bastian vermutete hingegen, dass sein Vater einen Infarkt oder eine Lungenembolie hatte und im "Gefühl des kommenden Todes" glaubte, Petra Kelly nicht alleine lassen zu dürfen. Dass er sie deshalb erschoss:

    "Es wäre dies eine soldatische Art gewalttätiger Fürsorge gewesen, wie sie sehr gut zu meinem Vater gepasst hätte."