" Oft bin ich in die Todeszelle von Maximilian Kolbe hinabgestiegen und habe vor der Todesmauer gekniet. ... An diesem Ort schrecklicher Qual ... hat Pater Maximilian einen geistigen Sieg errungen, ... indem er freiwillig den Tod im Hungerbunker auf sich nahm - für einen Bruder. Er war der wahre Sieger in Auschwitz. "
Als Papst Johannes Paul II. spricht Karol Wojtyla den Landsmann heilig. 5000 polnische Pilger, die aus dem kommunistischen Polen nach Rom reisen durften, applaudieren begeistert. Es ist der 10. Oktober 1982. Gerade mal 41 Jahre sind seit Kolbes Ermordung vergangen - eine ungewöhnlich kurze Zeit bei römischen Prozessen der Heiligsprechung. Aber der katholische Kirchenchef aus Polen hat einen schnellen Weg gefunden: Er versetzt Kolbe unter die katholischen Märtyrer, obwohl der im klassischen Sinne gar keiner ist; denn er ist nicht um des Christenglaubens willen umgebracht worden.
Vernichtungslager Auschwitz, 31. Juli 1941. Einem Häftling ist die Flucht geglückt. Lagerführer Karl Fritzsch lässt die 800 Gefangenen von Block 14 auf dem Appellplatz antreten und sucht sich willkürlich zehn Todeskandidaten aus, die aus Rache für die Flucht qualvoll verhungern sollen. Als er sich den Polen Franciszek Gajowniczek krallt, schreit der beim Gedanken an seine Frau und seine beiden Kinder laut auf. Da schiebt sich eine ausgemergelte Gestalt mit der Nummer 16670 durch die Reihen und tritt vor den Lagerführer. Es ist der Franziskanerpater Maximilian Kolbe. Jahre später, nach der Befreiung von Auschwitz, wird ein Dialog bekannt, den der Priester mit Fritzsch geführt hat. Der fragt zunächst im unverschämten Jargon der Nazis: Was will das Polenschwein? Kolbe antwortet schlicht, mit ruhiger Stimme, in reinem Deutsch:
" Ich möchte für den da sterben. Ich bin katholischer Priester, 47 Jahre alt und stehe allein; er hat Frau und Kinder. "
Fritzsch reagiert hämisch: "Er ist ein Pfaffe". Und offenbar amüsiert fügt er hinzu: "Akzeptiert".
Einige Monate vor der Heiligsprechung hatte der Düsseldorfer Kirchenmusiker Oskar Gottlieb Blarr eine Kantate zu Ehren Maximilian Kolbes komponiert, im Gedenken an das Beispiel, das der Pater den Todgeweihten im Hungerbunker gab. Tagelang hörte man, wie er mit ihnen sang und betete. Nach zwei Wochen waren alle außer Kolbe tot. Der Lagerhenker tötete ihn durch eine Phenolspritze.
Die Heiligsprechung fand nicht nur Zustimmung, sondern rief auch Kritik hervor. Ein Heiliger soll den Katholiken ein Vorbild sein. Doch Kolbe habe sich einem übertriebenen, unbiblischen Kult der unbefleckten Jungfrau Maria verschrieben:
" Wir sind das Eigentum der Unbefleckten, ihre Sache. Sie hat alle Rechte über uns. Wir sind ihre Ritter. "
Und als Gründer eines katholischen Presse-Imperiums habe der Pater Zeitschriften herausgegeben, die antisemitische Thesen vertreten hätten. Richtig daran ist, dass sie das Judentum als "Krebsgeschwür im Volkskörper" diskriminierten und als Lösung forderten:
" Die Juden müssen emigrieren. "
Doch richtig ist auch, dass zum einen solche Hasstiraden im katholischen Polen nicht unüblich waren, dass aber zum andern von Kolbe persönlich keine antisemitische Äußerung bekannt ist. Und das Franziskanerkloster, dem er vorstand, hat viele verfolgte Juden versteckt. Dieses Engagement dürfte wohl der Grund gewesen sein, warum die Nazis Maximilian Kolbe verhaftet und nach Auschwitz transportiert haben.