Wer heutzutage aus dem Leben scheidet, tut das oft nicht mehr zu Hause im Kreis der Angehörigen, wie es früher einmal üblich war. In Deutschland sterben mittlerweile drei von vier Menschen in Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und Hospizen.
Auch die traditionelle Erdbestattung mutet inzwischen fast wie ein Relikt aus der Vergangenheit an: Die Feuerbestattung, bei der die Asche in einer Urne beigesetzt wird, ist laut Umfragen mittlerweile die beliebteste Bestattungsform der Deutschen. Über 70 Prozent entscheiden sich dafür, in Nord- und Ostdeutschland sind es sogar rund 90 Prozent.
Wie und wo wir sterben, wie wir trauern: Das hat sich Laufe der Zeit stark verändert. Unter anderem neue Bestattungsformen illustrieren den Wandel - und das Internet hat völlig neue Möglichkeiten geschaffen, mit Trauer umzugehen. Ein Überblick.
Trauerwald statt kirchlicher Friedhof
Für viele Angehörige ist es mittlerweile schwieriger als früher, die Gräber von Verstorbenen angemessen zu pflegen. Denn sie leben oft nicht mehr am Ort ihrer Kindheit. Auch der Einfluss der katholischen Kirche, die sich traditionell für Erdbestattungen ausspricht, hat abgenommen.
Religion und damit auch eine kirchliche Bestattung auf dem Friedhof spielt für viele Menschen keine so große Rolle mehr – sie suchen hingegen die Nähe zur Natur und wählen einen Trauerwald oder einen Naturfriedhof als Ort der Bestattung aus.
"Reerdigung" - klimafreundlich sterben?
Außerdem gibt es mittlerweile die sogenannte „Reerdigung“: eine vermeintlich ökologische Bestattungsalternative, bei der der menschliche Körper in einem oberirdischen, geschlossenen Sarg innerhalb weniger Wochen von Mikroorganismen zersetzt wird.
Die biochemischen Prozesse sorgen dafür, dass nach spätestens drei Monaten eine humusartige Erde entsteht. Wie nach einer Feuerbestattung werden die verbliebenen Knochenteile zermahlen. Anschließend wird die Erde auf einem Friedhof ausgebracht.
Bisher ist diese Bestattungsform in Deutschland nicht erlaubt. In Schleswig-Holstein gibt es aber seit 2022 ein Modellprojekt. Die erste „Reerdigung“ fand in Mölln statt und überzeugte auch die dortige Pastorin Hilke Lage. Die nachhaltige Bestattungsform passe gut zum Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, betont sie.
Manche Menschen verspürten außerdem ein Unbehagen bei dem Gedanken, sich in Sarg oder Urne bestatten zu lassen. Hier könne die „Reerdigung“ eine gute Alternative sein.
Umgang mit dem Tod am Arbeitsplatz
Auch die Trauer am Arbeitsplatz ändert sich zunehmend. Da pflegende Angehörige und Trauernde oft wenig Unterstützung durch Arbeitgeber erfahren, bietet etwa der gemeinnützige Verein „Letzte Hilfe“ sogenannte Letzte-Hilfe-Kurse in Unternehmen an.
Ehrenamtliche Kursleiterinnen und Kursleiter mit Erfahrung in der Hospizarbeit wollen damit Kollegen und Vorgesetzte für das Thema sensibilisieren. So will der Verein dafür sorgen, dass die Auseinandersetzung mit Tod und Trauer nicht nur individuell, sondern auch gemeinschaftlich verhandelt wird
Trauer im Internet
Schon länger findet Trauer auch im Internet statt. So gibt es etwa digitale Friedhöfe oder Websites für Verstorbene. In den sozialen Medien treffen sich Menschen in Trauerblogs oder in Trauerforen und vernetzen sich. So gibt es beispielsweise die Gruppe der verwaisten Eltern und trauernden Geschwister auf der Plattform Instagram.
Digitale Trauerräume
Ein weiterer Trend sind sogenannte digitale Trauerräume: Durch ein Passwort erhalten Besucher Zugang zu einem virtuellen Raum. Dort können sie einen Avatar wählen und sich frei zwischen verschiedenen Erinnerungen bewegen, die als Videos, Bilder, Texte oder Sprachnachrichten an verschiedenen Stellen im Raum platziert sind. Egal, ob in Deutschland oder am anderen Ende der Welt: Verwandte und Freunde können ihre Erinnerungen auf diese Weise mit anderen Besuchern teilen.
Wie Technik die Trauer verändert
Auch Technologien verändern zunehmend unsere Art zu trauern. Mithilfe von maschinellem Lernen und Stimmsynthese kann man Verstorbene mittlerweile wieder „digital wiederauferstehen“ lassen.
Ein Beispiel hierfür ist ein Programm von Amazon, das 2022 vorgestellt wurde. Es ermöglicht, Geschichten mit der Stimme eines verstorbenen Familienmitglieds, wie zum Beispiel der Großmutter, vorlesen zu lassen.
Startups wie „You, only virtual“, „HereAfter“ oder „StoryFile“ haben inzwischen sogar erste Programme und Bots auf den Markt gebracht, die es Trauernden ermöglichen, mit Verstorbenen zu „kommunizieren“. Dafür wurden die Bots mit Chats, E-Mails, Video- und Sprachnachrichten trainiert. Mit ihnen soll man dann chatten oder sprechen können, wie man es mit dem Verstorbenen getan hat.
Die Bots simulieren die Verstorbenen, wissen zugleich aber nichts über ihre lebendigen Gesprächspartner. Ein solches „Gespräch“ kann für Letztere tröstend sein, birgt aber auch Gefahren. Denn gerade in Phasen großer Trauer, so warnen Psychologen, können Menschen den Bezug zur Wirklichkeit verlieren und sich weigern anzuerkennen, dass ein geliebter Mensch wirklich „weg“ ist.
nbs/ ema