Der Fall des Todes von Oury Jalloh: Er liegt auch heute wie ein schwerer Schatten über der anhaltischen Stadt Dessau. Eigentlich will man 2019 das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum groß feiern. Für Dessaus Oberbürgermeister Peter Kuras, FDP, eine einmalige Chance sich von der besten Seite zu zeigen. Nicht gelegen komme ihm da – gesteht Kuras - der bis heute ungeklärte Todesfall von Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte.
"Ich bin etwas ernüchtert, was die Aufklärungsarbeit betrifft. Ich fürchte – sage ich ganz offen – das wir nie mehr erfahren werden, was in dieser Nacht, dort in dem Polizeigewahrsam geschehen ist."
"Eine bittere Geschichte" nennt es die Dessauer Landtagsabgeordnete Cornelia Lüddemann, Fraktionschefin der Grünen im Magdeburger Landtag.
"So lange wir vor einer Mauer des Schweigens stehen, so lange wir diejenigen die damals vor Ort waren, nicht zu einer Aussage bewegen können: Da sind dem Rechtsstaat Grenzen gesetzt."
Ende der juristischen Aufarbeitung nicht in Sicht
Obwohl es kürzlich erst hieß, Sachsen-Anhalts Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad habe die Ermittlungen eingestellt, ist ein Ende der juristischen Aufarbeitung nicht in Sicht. Denn auf Wunsch von Diallo Mamadou Saliou, dem Bruder des Verstorbenen Oury Jalloh hat die Anwältin der Familie – Gabriele Heinecke - Freitag-Nacht einen Antrag auf ein so genanntes Klageerzwingungsverfahren eingereicht.
"Das bietet uns die Möglichkeit, die Einstellung des Verfahrens vor einem Gericht, dem Oberlandesgericht nochmal anzugreifen", erklärt die am Verfahren beteiligte Berliner Asylrechtsexpertin Beate Böhler. Sie hat ursprünglich die mittlerweile verstorbene Mutter von Oury Jalloh vertreten.
Am 30. Dezember habe sie eine Strafanzeige gegen zwei Beamte des betroffenen Polizeireviers gestellt, ergänzt sie. Der Vorwurf: Mord als Vertuschungstat, so Böhler gegenüber dem Deutschlandfunk. Der damit einhergehende Verdacht: Oury Jalloh sei schon vor dem Brand handlungsunfähig bzw. tot gewesen. Denn die Nebenklage ist weiter überzeugt, dass das Feuer von Dritten gelegt wurde.
Falls das Oberlandesgericht das Klageerzwingungsverfahren nicht zulassen sollte, habe man bereits eine Verfassungsbeschwerde angekündigt. Auch einen Gang nach Strasbourg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wolle man notfalls gehen.
Fragezeichen hinter möglicher Selbst-Anzündung
Zur Erinnerung: Bis heute steht die Frage im Raum, ob sich der Asylbewerber Oury Jalloh 2005 im Polizeigewahrsam selbst angezündet habe. In einem Vermerk – der auch dem Deutschlandfunk vorliegt - äußern nun auch Sachverständige, dass ein Tod durch Fremdeinwirkung wahrscheinlicher sei, als die von den Ermittlungsbehörden lange verfolgte These einer Selbst-Anzündung. Rechtsmediziner Gerold Kauert:
"Zwischen den Sachverständigen der Brandexpertise und der Medizin bestand Einigkeit darüber, dass vom bisherigen Ablauf des Todesgeschehens von Oury Jalloh nicht mehr ausgegangen werden kann. Die Theorie der Selbst-Anzündung erschien nicht mehr als Gegenstand des Möglichen…."
Der Rechts-Ausschuss des Magdeburger Landtags hat nun externe Berater berufen, die den Fall politisch aufarbeiten sollen. Einer der beiden: Jerzy Montag – Rechtspolitiker der Grünen, einst Sonderermittler im NSU-Prozess. Neben Montag wird der frühere Münchner Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel als Berater im Fall Oury Jalloh tätig.
Einen Namen machte sich Nötzel mit Prozessen gegen Ex-Deutsche Bank Chef Jürgen Fitschen und Formel 1 Boss Bernie Ecclestone. Seinen Auftrag sieht Nötzel als eine Art Geschäftsprüfung im Fall Oury Jalloh.
"Nämlich das Verfahren anzuschauen. Zu sagen, das ist in Ordnung oder das ist nicht in Ordnung. Das muss korrigiert oder beanstandet werden. Zu sehen, ob die Behörde ordentlich arbeitet."
Heftige Kritik der Oppsition im Magdeburger Landtag
Doch ob die Sonderermittler je zum Einsatz kommen ist ungewiss. Denn die in Sachsen-Anhalt regierende schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition hat sich darauf verständigt, dass die Arbeit der Sonderermittler erst dann beginnen darf, wenn alle juristischen Ermittlungen abgeschlossen sind. Weshalb es bei der Opposition im Magdeburger Landtag heftige Kritik hagelt. Henriette Quade von der Linkspartei moniert, damit würde man die Arbeit der Sonderermittler auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.
"Die Landtagsverwaltung ist jetzt gebeten, einen Vertrag vorzubereiten, dessen Beginn aber offen bleiben muss. Das ist ein absurdes Gebaren."
Die Oury Jalloh Gedenk-Initiative glaubt an keine Aufklärung und hat daher eine unabhängige internationale Aufklärungskommission ins Leben gerufen, mit Sitz in London. Verbunden mit der Hoffnung, dass der Fall nach 14 Jahren so doch noch ordentlich aufgeklärt werden könne.