Er hatte wohl geahnt, dass das Ende nahe war: Schwanengesang hatte der 86-jährige Heinrich Schütz 1671 sein letztes Werk genannt. Als er ein Jahr später in Dresden starb – am 6. November 1672, nach dem damals in protestantischen Ländern noch gültigen julianischen Kalender –, verlor Europa einen seiner prominentesten und wichtigsten Musiker.
„Kurtze Beschreibung des Herrn Heinrich Schützens Chur-Fürstlich Sächsischen ältern Capellmeisters geführten müheseeligen Lebens-Lauff.“
Musikalisches Studium in Venedig
Sein „müheseeliges“ - will sagen: arbeitsames Leben, wie es in einem Nachruf hieß, begann am 8. Oktober 1585 im thüringischen Köstritz, wo Heinrich Schütz als zweites von acht Kindern eines Gastwirts geboren wurde. Seine musikalische Begabung wurde von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel erkannt und gefördert, der ihn 1609 für vier Jahre nach Venedig schickte; Schütz studierte dort bei Giovanni Gabrieli und veröffentlichte 1611 sein Opus 1 – ein Madrigalbuch.
Nach seiner Rückkehr wurde Schütz zunächst landgräflicher Organist in Kassel, bevor er 1617 als Hofkapellmeister nach Dresden ging – ein Amt, das er bis zu seinem Tode bekleidete. Mit neuen Werken ließ er sich freilich Zeit, wie er selbst viel später in seinem Memorial berichtete:
„… bis ich mit meinen in der Music nunmehr gelegten gueten fundamenten […] einer würdigen arbeit mich würde herfür thun können.“
Erst 1619 erschien in Dresden sein Opus 2 – die Psalmen Davids: Protestantische Kirchenmusik, die in der quasi katholischen Klangpracht daherkam, die Schütz in Venedig kennengelernt hatte. Derweil verwüstete der Dreißigjährige Krieg Europa …
„… so dass die löbliche Music von den anhaltenden gefährlichen Kriegs-Läufften in unserm lieben Vater-Lande Teutscher Nation nicht allein in grosses Abnehmen gerathen, sondern an manchem Ort gantz niedergeleget worden.“
Privates Leid kam hinzu: seine Frau Magdalena starb nach kurzer Ehe 1625 an den Blattern, und Schütz blieb mit seinen zwei und vier Jahre alten Töchtern allein zurück.
Schütz schrieb erste deutsche Oper „Dafne“
Trotz aller widrigen Umstände komponierte Schütz stetig weiter – auch weltliche Musik: 1627 wurde anlässlich einer Fürstenhochzeit in Torgau seine Dafne nach einem Text von Martin Opitz aufgeführt – die erste deutsche Oper; sie ist leider ebenso verloren wie zwei spätere Ballett-Opern.
Seine Verschmelzung der Freiheiten des modernen italienischen Stils Monteverdis und der strengen Bibeltext-Auslegung des deutschen Protestantismus machte Schule – er galt als parens nostrae musicae modernae, als „Vater unserer modernen Musik“. Sein Ideal blieb – wie in den späten Symphoniae sacrae – die Verdichtung.
Viele Kompositionen kurz vor seinem Tod
1656 zog sich der mittlerweile 71-jährige Schütz mit dem Ehrentitel eines „Oberhofkapellmeisters“ zurück nach Weißenfels, wo er ein Haus besaß. In den letzten Jahren entstanden noch zahlreiche weitere Kompositionen; das „Schütz-Werke-Verzeichnis“ nennt mehr als 500 Nummern.
„Und ist er also fort als wenn er schlieffe gantz stille liegen blieben bis endlichen der Athem und Pulß allmehlich abgenommen und sich verlohren.“
Heinrich Schütz wurde in der alten Dresdner Frauenkirche beigesetzt, bei deren Abriss 1727 das Grab aufgehoben wurde.