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Tödliche organische Verbindung
Methylquecksilber kann überall entstehen

Quecksilber ist giftig. Noch problematischer sind organische Verbindungen wie das Methylquecksilber. Sie haben zum Beispiel in der japanischen Küstenstadt Minamata zu schweren Gesundheitsschäden und Todesfällen geführt. Damals war die Quelle eine chemische Fabrik. Aber auch in der Natur entsteht Methylquecksilber.

Von Volkart Wildermuth |
    Ein Mitarbeiter füllt mit einer Pipette eine blaue Flüssigkeit in ein kleines Röhrchen.
    Bereits vor einigen Jahren gelang es dem Biologen Dwayne Eliashm, zwei Gene zu beschreiben, die für die Umwandlung des Quecksilbers entscheidend sind. (picture alliance / dpa / Marcus Brandt)
    Am Oak Ridge National Laboratory in den USA läuft ein großes Programm zur Erforschung der weltweiten Verbreitung von Quecksilber. Dwayne Elias interessiert sich besonders für Bakterien, die das metallische Quecksilber in organisches Methylquecksilber umwandeln.
    "Das verändert die chemischen Eigenschaften.Methylquecksilber gelangt über die Blut-Hirn Schranke, es ist ein Neurotoxin. Es sammelt sich in der Nahrungskette an. Und wenn es einmal im Körper ist, dann bleibt es da für den Rest des Lebens."
    Im sauerstofffreien Sediment von Flüssen und Meeren hat der Biologe die verantwortlichen Bakterien isoliert und angezüchtet. Vor einigen Jahren gelang es ihm, zwei Gene zu beschreiben, die für die Umwandlung des Quecksilbers entscheidend sind. Jetzt wollte Dwayne Elias wissen: Wo überall auf dem Globus finden sich Mikroben, die diese Umwandlung ebenfalls beherrschen? Diese Frage hätte er mit einer Reise um die Welt klären können, aber der Mikrobiologe studierte die Bakterien von seinem Bürostuhl aus.
    "Wir haben Daten verwendet, die sehr viele Wissenschaftler auf der ganzen Welt für ihre eigenen Projekte gesammelt haben, ohne sich überhaupt für Methylquecksilber zu interessieren."
    Bakterien in vielen Ökosystemen verbreitet
    Konkret ging es Dwayne Elias um sogenannte Metagenome. Dabei sequenzieren Forscher nicht das Erbgut eines bestimmten Bakteriums, sondern einfach alle DNA, die sich in einem Teich, einer Bodenprobe oder auch im Darm eines Menschen findet. Die Daten enthalten dann Gene von einer Vielzahl einzelner Mikroben. In mehr als 3.500 solcher Metagenome haben die Forscher vom Oak Ridge National Laboratory nach den beiden Methylquecksilbergenen gesucht.
    "Wir waren überrascht. Eigentlich hatten wir erwartet, die Gene nur in wenigen Proben zu finden. Aber sie waren sehr verbreitet in vielen, vielen Ökosystemen."
    Methylquecksilber kann praktisch überall auf der Erde entstehen. Im Regenwald und der Prärie, in Seen und im Meeresgrund, sogar im offenen Ozean in sauerstoffarmen Wasserschichten. Besonders überraschend war die hohe Zahl an Methylquecksilbergenen im Permafrost von Russland und Alaska. Aktuell werden sie dort wenig Quecksilber umsetzen, aber das wird so nicht bleiben.
    "Solange der Boden gefroren ist gibt es kaum biologische Aktivität. Aber durch den Klimawandel taut es und die Organsimen erwachen wieder."
    Die Atmosphäre verfrachtet Quecksilber aus Vulkanausbrüchen, Kohlekraftwerken und Goldminen in die Arktis, Schnee und Eis sind belastet.
    "Im Frühjahr schmilzt es. Das Quecksilber gelangt in den Boden und Sie können sich vorstellen, dass diese wieder aktiven Bakterien mit den entsprechenden Genen Methylquecksilber in dieser Region bilden werden."
    Verbreitung über die Nahrungskette
    Dass sich dann wieder in der Nahrungskette der Arktis anreichern und letztlich auch die Menschen dort erreichen kann. Dwayne Elias hat die Methylquecksilbergene auch in den Darmbakterien vieler Insekten gefunden, bei Säugetieren scheinen sie allerdings nicht vorzukommen. Und unter den 1.500 untersuchten Proben aus dem Darm von Menschen fand sich nur ein einziges Bakterium, dass in der Lage wäre Quecksilber, etwas aus Zahnfüllungen, tatsächlich in Methylquecksilber umzuwandeln.
    "I would say that is a very positive reassuring result."
    Ein beruhigender Befund, so Dwayne Elias. Der Mikrobiologe wird zusammen mit Geochemikern und Ökologen versuchen, die Bildung des Methylquecksilbers genauer zu verstehen. Dazu wird er seinen Bürostuhl dann doch verlassen müssen und tatsächlich in die jeweiligen Ökosysteme reisen. Denn die nächsten Fragen lassen sich nicht allein in Datenbanken klären.
    "Die liefern nur einen Teil der Antworten. Wir wollen wissen: Warum machen die Bakterien das Methylquecksilber und gibt es Einflussfaktoren, die bestimmen, wie viel gebildet wird. Darauf kennen wir die Antworten noch nicht."