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Tödliche Schlafkrankheit

Medizin. - Eine Familie im norditalienischen Venetien leidet mindestens seit dem 18. Jahrhundert unter einer tödlichen Schlafkrankheit. Die Erkrankten finden keinen Schlaf mehr, leiden zunehmend unter Visionen und Halluzinationen und sterben nach wenigen Monaten. In den vergangenen 20 Jahren starben 30 Menschen an dieser Krankheit. Offenbar wird diese Erbkrankheit von einem krankhaft veränderten Prion ausgelöst, ähnlich wie es bei der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit der Fall ist.

    Vor 20 Jahren lernte Ignazio Roiter, heute Chefarzt der Klinik in Treviso, ein Mitglied dieser Familie kennen, der bereits an den Symptomen der Erbkrankheit litt. "Er war scheinbar stark depressiv, immer müde und fiel am hellichten Tag in Traumzustände oder Visionen und verlor zunehmend den Kontakt zur Realität. Er litt jedoch nicht an Depressionen, aß ganz normal und war physiologisch gesehen gesund", erklärt die römische Schlafforscherin Carla Malloni, die die Krankheit mit Roiter erforscht. Der Patient starb nach neun Monaten.

    In der Familie wird seit dem 18. Jahrhundert von ähnlichen Krankheitsfällen berichtet. Die Untersuchung eines erkrankten Familienmitglieds bei dem Schlafforscher Elio Lugaresi in Bologna ergab, dass die Kranken nicht die Tiefschlafphasen durchlaufen, die für die Regeneration des Organismus notwendig sind. Der Mangel an diesen Schlafphasen führt schließlich zum Wahnsinn. Eine pathologische Untersuchung der Gehirne von verstorbenen Kranken ergab, dass die Hirnregion, die den Schlaf reguliert, durch Prionen geschädigt wird. "Diese Proteine wurden durch eine Erbkrankheit verändert, ähnliche Veränderungen hat man auch bei BSE festgestellt", so Malloni.

    Malloni und Roiter sind überzeugt, dass die Schlafkrankheit, die bei der Familie in Venetien entdeckt wurde, behandelt werden kann, wenn es gelingt, die negative Tätigkeit des genetisch modifizierten Prionen im Hirn zu bremsen. Noch ist allerdings unklar, wie das geschehen soll. In den letzten Monaten hat Roiter die DNA von 55 weiteren Familienmitglieder untersucht. Die meisten werden an der Krankheit erkranken.

    [Quelle: Thomas Migge]