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Tödliche Windräder
Vogelschlag-Risiko europaweit minimierbar

Immer wieder sterben Vögel durch Kollisionen mit Windkraftanlagen. Britische Forscher haben anhand zahlreicher Studien Routen und Flughöhen von Zugvögeln verglichen. Den Wissenschaftlern zufolge könnte die EU vor allem auf potenzielle Risikostandorte leicht verzichten.

Von Volker Mrasek |
Der Windenergiepark Odervorland im Landkreis Oder-Spree
An zehn Prozent potenzieller zukünftiger Standorte von Windkraftanlagen müsste laut den Forschern mit einem erhöhten Risiko für Vogelschlag gerechnet werden (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Patrick Pleul)
Zugvögel in Europa starten von den unterschiedlichsten Ausgangspunkten Richtung Süden. Doch schon bald seien fast alle auf gemeinsamen Reiserouten unterwegs, sagt der Ökologe Jethro Gauld von der Universität East-Anglia in Großbritannien:
"Auf ihrer Reise nach Afrika fliegen Zugvögel entweder nach Spanien hinunter und überqueren die Straße von Gibraltar. Oder sie fliegen im Osten über die Türkei und Israel und nutzen auch dort nur einen schmalen Landkorridor. Das liegt daran, dass viele der großen Zugvögel nicht gerne über das Meer fliegen. Sie gleiten lieber mit Hilfe der Thermik und brauchen die Wärme der Landoberflächen."
Können schwarze Rotorblätter Vögel schützen?
Klimaschützende finden Windkraftanlagen super - Naturschützende dagegen nicht. Der Grund: Vögel und Fledermäuse können in den Rotoren sterben.

Gauld hat jetzt untersucht, wo die Vögel auf ihren Wanderungen dichte Windparks und Überlandleitungen kreuzen. Als Datengrundlage dienten dem britischen Ökologen Studien anderer Forscher mit 27 verschiedenen Zugvogel-Arten. Dabei waren die Tiere mit GPS-Positionssendern ausgerüstet worden:
"Ich hatte am Ende Daten aus insgesamt 65 Studien zur Verfügung. Die genauen GPS-Positionen verraten, ob die Vögel auch in Flughöhen unterwegs sind, in denen sie mit Windrädern und Stromleitungen kollidieren könnten."


Windrad-Hotspot Südspanien

Das Ergebnis der Auswertung: Nur in knapp fünf Prozent aller Fälle wurden die Vögel dort geortet, wo Windräder konzentriert sind und es besonders gefährlich für sie ist. Laut Gauld gibt es allerdings Hotspots mit höherem Risiko für Zusammenstöße, etwa im Süden Spaniens. Dort verunglückten immer wieder Weißstörche, Kraniche und Schwäne im dichten Netz aus Windparks und Stromleitungen. Das wisse man aus Beobachtungen vor Ort:
"Als Region mit einem hohen Risiko für Vogelschlag stellte sich auch Deutschland heraus. Zum einen, weil viele der GPS-Daten, die ich benutzt habe, von dort stammen. Zum anderen aber auch wegen der hohen Dichte von Windkraftanlagen in Deutschland."
Die Studie sagt nichts darüber aus, wie viele Zugvögel tatsächlich mit Rotorblättern kollidieren. Sie gibt nur das potenzielle Risiko an, wie es sich aus den GPS-Daten ergibt: Wie oft wurden Zugvögel in Gebieten mit dichter Energie-Infrastruktur geortet, und das auch in kritischen Höhen? Demnach scheint die Gefahr nicht übermäßig groß zu sein.
UV-Beschichtung gegen Vogelschlag
Jedes Jahr sterben in Deutschland Millionen Vögel, weil sie gegen Glasscheiben prallen. Eine schwäbische Glasfirma fand in den 90er Jahren eine Lösung für dieses Problem: Markierungen, die nur für Vögel sichtbar sind.

Sie wird sich allerdings in Zukunft erhöhen. Denn die EU-Kommission hat jüngst ihr Klimaschutzziel verschärft. Um es zu erreichen, sind auf jeden Fall weitere Windparks nötig. Wo sie stehen könnten, haben Energieexperten aus dem Forschungszentrum Jülich untersucht:
"Sie haben sämtliche Standorte in der EU ermittelt, an denen es möglich wäre, weitere Windturbinen zu bauen und wirtschaftlich zu betreiben."
Auch für diese Flächen prüfte Jethro Gauld, wie häufig Zugvögel dort geortet wurden, und zwar tief genug, um in Reichweite der Rotoren zu sein. Das Resultat: An zehn Prozent der potenziellen Standorte müsste mit einem erhöhten Risiko für Vogelschlag gerechnet werden. Auf diese Ausbauflächen könnte die EU aber ohne weiteres verzichten, betont der Forscher:
"Selbst die ehrgeizigsten Klimaziele wären erreichbar, wenn Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 700 Gigawatt hinzukämen. Nach der Jülicher Studie ist das aber nur ein Bruchteil von dem, was alle potenziellen Standorte in Summe liefern könnten. Ich folgere daraus: Wir können uns durchaus aussuchen, wo wir neue Windparks hinstellen, und dennoch unsere Ausbauziele für Erneuerbare Energien erreichen."
Seine Studie will der britische Ökologe in diesen Tagen bei einem Fachjournal einreichen, wie er sagt. In der Hoffnung, dass sie nach der Veröffentlichung auch von den Energiestrategen gelesen wird.