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Tödlicher Unfall in Südtirol
"Bild" riskiert Rechtsbruch mit Privatfotos

Die "Bild"-Zeitung bebilderte den tragischen Autounfall in Südtirol mit Fotos der Opfer, die sie vermutlich in sozialen Medien gefunden hat. Ohne das Einverständnis der Angehörigen sei das ein kalkulierter Rechtsbruch, sagte der Medienanwalt Christian Schertz dem Dlf.

Bettina Schmieding im Gespräch mit Sebastian Wellendorf / Text: Annika Schneider |
05.01.2020, Italien, Luttach: Blumen, Kerzen und Gedenkschmuck stehen und liegen am Ort des Unfalls und leuchten nach Sonnenuntergang. Ein Auto war in eine Gruppe Urlauber gefahren und hat dabei sechs Menschen getötet. Foto: Lino Mirgeler/dpa | Verwendung weltweit
Sieben Menschen kamen bei einem schweren Unfall in Südtirol ums Leben - die "Bild" berichtete ausführlich (picture alliance/Lino Mirgeler/dpa)
Unter dem Titel "Diese jungen Leben zerstörte der Totraser" berichtete die "Bild" am Dienstag erneut über den schweren Autounfall mit sieben Toten in Südtirol. Über der Überschrift zeigte das Blatt Fotos der Opfer, versehen mit Namen und Altersangaben.
Eine der abgebildeten Frauen ist allerdings weder tot noch war sie bei dem Unfall in Südtirol überhaupt dabei. Der Bildblog berichtete schon gestern darüber, dass die Betroffene auf Facebook entsprechende Anschuldigungen gegenüber der "Bild" erhoben hat. Das Blatt habe ein Foto von ihr verwendet, ohne dass sie von dem Unfall betroffen gewesen sei.
Falsches Opferfoto gedruckt
Ein Sprecher der "Bild"-Zeitung bestätigte dem Deutschlandfunk auf Anfrage, dass in der gedruckten Zeitung ein falsches Foto erschienen sei. Man habe die Familie um Entschuldigung gebeten und das Foto online sowie im E-Paper sofort ausgetauscht.
Hier wurde jemand öffentlich für tot erklärt, und das bundesweit und vor einer millionenfachen Leserschaft - im dritten Quartal 2019 verkaufte sich die "Bild" mit einer Auflage von fast 1,5 Millionen Exemplaren. Hinzu kommt die Berichterstattung im Netz, wo das Foto ebenfalls zu finden war. Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass unsaubere Berichterstattung für die Protagonistinnen und Protagonisten massive Folgen haben kann.
Recherche auf Facebook und Co.
Ein gängiger Vorwurf lautet, Boulevardreporterinnen und -reporter würden nach Katastrophen "Witwen schütteln". Der Begriff steht im Journalismus dafür, Angehörige von Opfern schon kurz nach dem Geschehen zu befragen, um an möglichst viele private Informationen zu kommen. Der Pressekodex verbietet diese Vorgehensweise: Bei der Recherche sei Zurückhaltung geboten, wenn Menschen in einer seelischen Extremsituation sind, heißt es dort. Ihre Lage dürfe nicht gezielt zur Informationsbeschaffung ausgenutzt werden.
Inzwischen bedienen sich Boulevardjournalisten aber längst auch anderer Mittel: Viele Informationen stammen aus sozialen Netzwerken. Auch die Bilder der Unfallopfer in der "Bild"-Zeitung kommen vermutlich aus dem Netz - die Bildquelle ist als "privat" angegeben.
Verletzung des Rechts am eigenen Bild
Fotos aus Facebook oder Instagram abzudrucken, ohne die Einwilligung der Abgebildeten oder ihrer Angehörigen einzuholen, sei "eklatant rechtswidrig", sagte der Medienrechtsanwalt Christian Schertz dem Deutschlandfunk. Das verletze das Recht am eigenen Bild, das auch nach dem Tod gelte.
Dass "Bild" dennoch Fotos von den Unfallopfern verwende, sei kalkulierter Rechtsbruch. Es gehe um Auflagensteigerung, stellte der Anwalt klar. "Erfahren Sie mit BILDplus, wer die Opfer des Totrasers Stefan L. waren", heißt es auf der Internetseite der Bild. Weiterlesen kann nur, wer ein Digital-Abonnement hat oder abschließt.
Ein Drittel der Rügen ging 2019 an "Bild"
Dass der Springer-Konzern, zu dem die "Bild"-Zeitung gehört, beim Ringen um Leserinnen und Leser die Grenzen der Medienethik immer wieder ausreizt, ist seit Jahren Thema: Regelmäßig gehen beim Presserat Beschwerden über die Boulevardzeitung ein.
Der Presserat ist in Deutschland dafür zuständig, dass sich Medien an den Pressekodex halten. Er setzt sich aus Entsandten der Verleger- und Journalistenverbände zusammen und übernimmt die freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Presse. Der Grundgedanke ist, dass eine staatliche Kontrolle die freie Berichterstattung gefährden könnte.
Der Presserat verfügt allerdings nicht über die gleichen Mittel wie die Justiz. Als schärfste Sanktion steht ihm die öffentliche Rüge zur Verfügung. Allein 2019 kassierten "Bild" und "Bild online" zusammen zehn Rügen – ein Drittel der Rügen, die das Gremium im ganzen Jahr aussprach.
Medienanwalt fordert Konsequenzen
Es sei offensichtlich, dass allein die Selbstkontrolle der Medien durch den Presserat bei der "Bild" nicht funktioniere, sagte Medienrechtsanwalt Schertz gegenüber dem Dlf: "Die 'Bild'-Zeitung macht so weiter wie bisher."
Er forderte, dass die Zivilgerichte sehr viel höhere Entschädigungen für die Opfer ausurteilen müssten, was einen Präventiveffekt haben könne. Dann werde die "Bild" irgendwann abwägen, ob es sich für sie noch rechne, rechtswidrig Fotos zu drucken. Außerdem müsse man über strafrechtliche Sanktionen nachdenken. Das Recht am eigenen Bild zu verletzen, sei eine Straftat, die auf Strafantrag der Betroffenen verfolgt werde.