Das Geräusch einer guten Maschinenschreiberin ist kein Klappern, sondern ein Schwirren, heißt es 1930 im Jahrbuch der Frauenarbeit. In dieser Zeit gab es in Deutschland die von Sekretärinnen erzeugte akustische Kulisse in jedem Büro. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 hielten die zahllosen Schreibkräfte dann eine Verwaltungs-Maschinerie am Laufen, die in ihrer Konsequenz zu Terror, Krieg und Vernichtung führte.
Aileen Ittner, Daniel Rother und Elisabeth Hinrichs haben sich dieser Maschinerie von einem winzigen Detail aus angenähert. Einem einzigen Zeichen auf der Schreibmaschinentastatur: dem beweglichen Typenhebel mit der SS-Rune. Wie kam der zweifache Blitz, ein Symbol, das heute geradezu sinnbildlich für Gewalt und Verbrechen steht, in den Zeichensatz der Schreibmaschinen? Elisabeth Hinrichs:
"Es gab die Schreibmaschine Olympia Robust – die hieß die Wehrmachtschreibmaschine, und es gab auch Chroma, die haben das auch angeboten, aber es war eben nicht, was man beim Dritten Reich erstmal denken würde – einen Erlass, alle Schreibmaschinen müssen das haben, sondern ein Angebot der Schreibmaschinenindustrie."
Den beweglichen Typenhebel mit SS-Zeichen gab es auch als Sonderanfertigung. Die Schreibmaschinenfabriken lieferten ihn auf Anfrage. So konnte, wer wollte, den Zeichensatz seiner Schreibmaschine individuell anpassen und damit seine Loyalität dem NS-Herrschaftsapparat gegenüber unter Beweis stellen. Zwar gibt es heute zur Geschichte des Nationalsozialismus unzählige Publikationen, trotzdem suchten die drei Typografiestudierenden am Anfang ihres Projektes lange nach Dokumenten, die die Entstehungsgeschichte des SS-Zeichens näher erhellten. In dem Buch dokumentieren handschriftliche Briefe, Zeitungsausschnitte, Aktenvermerke, Schriftwechsel und Fotos die Ergebnisse einer zwei Jahre währenden Recherche in Archiven. Die Studierenden waren dort mit einer Materialität konfrontiert, die sie bis dahin nicht kannten.
"Zusammengenähte Akten, verrostete Büroklammern, Tesafilmlöcher und so weiter. Dass es auch eine Visualität von Geschichte gibt, die überhaupt nicht übertragen wird in Geschichtsbüchern oder in Biografien, da sind dann auch mal Abbildungen drin, aber was es eben bedeutet, einen Brief in der Hand zu haben, das hat uns einfach unglaublich fasziniert, diese Materialität, und das wollten wir so weit wie möglich adaptieren, damit wir das dem Leser auch so ein kleines bisschen ermöglichen nachzuvollziehen."
Die Umsetzung der Grafikstudierenden unterscheidet sich in ihrer Form augenfällig von wissenschaftlichen Untersuchungen über die NS-Zeit. Schon von außen wirkt "XX- Die SS-Rune als Sonderzeichen auf Schreibmaschinen" weniger wie ein Buch, sondern eher wie eine Akte. Bei ihrer Recherche stießen die drei Studierenden auch auf den Mann, der das Zeichen gestaltet hat: der SS-Obersturmführer Walter Heck. Er hatte das doppelte S, das als Abkürzung für Schutzstaffel stand, 1929 zu gezackten Siegrunen umgeformt. Ein Machtzeichen, das Dynamik und Aggressivität vermitteln sollte. Wie man in einem Schriftwechsel aus dem Jahre 1944 nachlesen kann, lebte Heck Ende der 1920er-Jahre unter prekären Verhältnissen und erhielt für seinen Entwurf des SS-Zivilabzeichens lächerliche 2,50 Reichsmark. Nachdem das von ihm gestaltete Doppel-S seinen zweifelhaften Siegeszug erlebt hatte, meldete Heck, wenn auch zaghaft, seine Urheberansprüche an. Elisabeth Hinrichs:
"Er hat dieses Zeichen entworfen, aber die SS-Führung wusste nicht, dass das wirklich gestaltet wurde von einer Person, und dann kam das raus, der schreibt dann an Himmler, und dann macht Himmler so ganz für unser Gefühl bizarre Versprechungen, dass er eben sagt, er kriegt ein Haus nach dem Krieg in einer Region, die er sich auswählen darf, Bedingung ist aber, dass er bis dahin zwei Kinder gezeugt hat."
Auf Walter Heck waren die Autoren durch eine Fußnote in einem Buch über die Runenkunde im Dritten Reich gestoßen. Im Bundesarchiv fanden sie Dokumente, die bisher unbeachtet geblieben sind. Das Buch funktioniert wie ein Link, und das scheinbare Detail mit dem Sonderzeichen auf der Schreibmaschinentaste gehört in ein Gesamtbild zum Dritten Reich. Der problematische Umgang mit dem Runenzeichen, der bis in die Gegenwart fortwirkt, wird bereits im Titel des Buches mitreflektiert: "XX"- steht heute für das SS-Zeichen. Nur mit diesem Platzhalter darf es im Internet verwendet werden. Günter Karl Bose erklärt die Entstehung der Publikation, die am Institut für Buchkunst in der Reihe "Studien zur Grammatologie" erschien:
"Ich glaube, zunächst ist es erstmal dieses absichtslose Herangehen, es gibt nicht eine Form, die man erfüllen möchte. Man ist jetzt nicht der junge Historiker, der an einer Dissertation arbeitet, nicht der Essayist, nicht derjenige, der an einer wissenschaftlichen Monografie schreibt, der in einem Forschungsprojekt steckt, sondern jemand, der sich Material anschaut, der liest und eigentlich noch nicht so ganz sicher ist, was daraus werden wird."
"Ich glaube, es ist auch ein Stück weit eine ganz persönliche Annäherung an das Dritte Reich, weil mir persönlich ging es immer so aus den Erzählungen von der Familie, dass ich die Gesellschaft nicht verstanden hab, und ich glaube, das war für mich auch eine ganz wichtige Herangehensweise, dass ich irgendwie mehr verstehe, wie so eine Gesellschaft funktioniert, und das ist lässt sich schon an so alltäglichen Details ganz gut ablesen."
Aileen Ittner, Daniel Rother und Elisabeth Hinrichs haben sich dieser Maschinerie von einem winzigen Detail aus angenähert. Einem einzigen Zeichen auf der Schreibmaschinentastatur: dem beweglichen Typenhebel mit der SS-Rune. Wie kam der zweifache Blitz, ein Symbol, das heute geradezu sinnbildlich für Gewalt und Verbrechen steht, in den Zeichensatz der Schreibmaschinen? Elisabeth Hinrichs:
"Es gab die Schreibmaschine Olympia Robust – die hieß die Wehrmachtschreibmaschine, und es gab auch Chroma, die haben das auch angeboten, aber es war eben nicht, was man beim Dritten Reich erstmal denken würde – einen Erlass, alle Schreibmaschinen müssen das haben, sondern ein Angebot der Schreibmaschinenindustrie."
Den beweglichen Typenhebel mit SS-Zeichen gab es auch als Sonderanfertigung. Die Schreibmaschinenfabriken lieferten ihn auf Anfrage. So konnte, wer wollte, den Zeichensatz seiner Schreibmaschine individuell anpassen und damit seine Loyalität dem NS-Herrschaftsapparat gegenüber unter Beweis stellen. Zwar gibt es heute zur Geschichte des Nationalsozialismus unzählige Publikationen, trotzdem suchten die drei Typografiestudierenden am Anfang ihres Projektes lange nach Dokumenten, die die Entstehungsgeschichte des SS-Zeichens näher erhellten. In dem Buch dokumentieren handschriftliche Briefe, Zeitungsausschnitte, Aktenvermerke, Schriftwechsel und Fotos die Ergebnisse einer zwei Jahre währenden Recherche in Archiven. Die Studierenden waren dort mit einer Materialität konfrontiert, die sie bis dahin nicht kannten.
"Zusammengenähte Akten, verrostete Büroklammern, Tesafilmlöcher und so weiter. Dass es auch eine Visualität von Geschichte gibt, die überhaupt nicht übertragen wird in Geschichtsbüchern oder in Biografien, da sind dann auch mal Abbildungen drin, aber was es eben bedeutet, einen Brief in der Hand zu haben, das hat uns einfach unglaublich fasziniert, diese Materialität, und das wollten wir so weit wie möglich adaptieren, damit wir das dem Leser auch so ein kleines bisschen ermöglichen nachzuvollziehen."
Die Umsetzung der Grafikstudierenden unterscheidet sich in ihrer Form augenfällig von wissenschaftlichen Untersuchungen über die NS-Zeit. Schon von außen wirkt "XX- Die SS-Rune als Sonderzeichen auf Schreibmaschinen" weniger wie ein Buch, sondern eher wie eine Akte. Bei ihrer Recherche stießen die drei Studierenden auch auf den Mann, der das Zeichen gestaltet hat: der SS-Obersturmführer Walter Heck. Er hatte das doppelte S, das als Abkürzung für Schutzstaffel stand, 1929 zu gezackten Siegrunen umgeformt. Ein Machtzeichen, das Dynamik und Aggressivität vermitteln sollte. Wie man in einem Schriftwechsel aus dem Jahre 1944 nachlesen kann, lebte Heck Ende der 1920er-Jahre unter prekären Verhältnissen und erhielt für seinen Entwurf des SS-Zivilabzeichens lächerliche 2,50 Reichsmark. Nachdem das von ihm gestaltete Doppel-S seinen zweifelhaften Siegeszug erlebt hatte, meldete Heck, wenn auch zaghaft, seine Urheberansprüche an. Elisabeth Hinrichs:
"Er hat dieses Zeichen entworfen, aber die SS-Führung wusste nicht, dass das wirklich gestaltet wurde von einer Person, und dann kam das raus, der schreibt dann an Himmler, und dann macht Himmler so ganz für unser Gefühl bizarre Versprechungen, dass er eben sagt, er kriegt ein Haus nach dem Krieg in einer Region, die er sich auswählen darf, Bedingung ist aber, dass er bis dahin zwei Kinder gezeugt hat."
Auf Walter Heck waren die Autoren durch eine Fußnote in einem Buch über die Runenkunde im Dritten Reich gestoßen. Im Bundesarchiv fanden sie Dokumente, die bisher unbeachtet geblieben sind. Das Buch funktioniert wie ein Link, und das scheinbare Detail mit dem Sonderzeichen auf der Schreibmaschinentaste gehört in ein Gesamtbild zum Dritten Reich. Der problematische Umgang mit dem Runenzeichen, der bis in die Gegenwart fortwirkt, wird bereits im Titel des Buches mitreflektiert: "XX"- steht heute für das SS-Zeichen. Nur mit diesem Platzhalter darf es im Internet verwendet werden. Günter Karl Bose erklärt die Entstehung der Publikation, die am Institut für Buchkunst in der Reihe "Studien zur Grammatologie" erschien:
"Ich glaube, zunächst ist es erstmal dieses absichtslose Herangehen, es gibt nicht eine Form, die man erfüllen möchte. Man ist jetzt nicht der junge Historiker, der an einer Dissertation arbeitet, nicht der Essayist, nicht derjenige, der an einer wissenschaftlichen Monografie schreibt, der in einem Forschungsprojekt steckt, sondern jemand, der sich Material anschaut, der liest und eigentlich noch nicht so ganz sicher ist, was daraus werden wird."
"Ich glaube, es ist auch ein Stück weit eine ganz persönliche Annäherung an das Dritte Reich, weil mir persönlich ging es immer so aus den Erzählungen von der Familie, dass ich die Gesellschaft nicht verstanden hab, und ich glaube, das war für mich auch eine ganz wichtige Herangehensweise, dass ich irgendwie mehr verstehe, wie so eine Gesellschaft funktioniert, und das ist lässt sich schon an so alltäglichen Details ganz gut ablesen."