Mario Dobovisek: Aus astronomischer Sicht nur knapp verfehlt hat uns vor zwei Wochen der Asteroid 2012DR14. Wäre er auf der Erde eingeschlagen, hätte er durchaus zu einem Artensterben führen können, ähnlich dem des Dinosaurierzeitalters. Doch der Himmel über uns hat sich nicht verdunkelt und wir zumindest, wir leben noch. Fast 2000 andere Arten sind dagegen in dieser kurzen Zeit ausgestorben, wenn man den Zahlen der Vereinten Nationen glauben schenken mag, die in ihrem Bericht zur Artenvielfalt davon ausgehen, dass täglich bis zu 130 Arten von unserem Planeten verschwinden. Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen – die Artenvielfalt, sie nimmt ab, dennoch meinen viele Touristen, sich Souvenirs aus Elfenbein oder Haut vom Aussterben bedrohter Tiere mit nach Hause bringen zu müssen. Dagegen kämpft seit 40 Jahren das Washingtoner Artenschutzabkommen, deren Unterzeichnerstaaten sich ab morgen in Bangkok zu ihrer Jubiläumssitzung treffen, um über die Liste der bedrohten Arten zu verhandeln. Am Telefon begrüße ich Klaus Töpfer, den früheren UNEP-Chef und CDU-Bundesumweltminister. Heute steht er dem IASS in Potsdam vor, einem Forschungsinstitut für Klimawandel, Nachhaltigkeit und Energiesicherheit. Guten Morgen, Herr Töpfer!
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!
Dobovisek: Arten verschwinden, neue entstehen dagegen, wie schwer trifft uns das Artensterben?
Töpfer: Ja, die natürliche Evolution hat es natürlich immer gegeben wird es auch weiter geben. Aber der Verlust ist mindestens hundertmal schneller, als die Evolution wieder Neues entstehen lassen kann. Wir leiden also wirklich massiv darunter, dass die Vielfalt auf unserer Erde verloren geht, dass die Vielfalt von Schöpfung verloren geht, das ist sicherlich ein emotionales, ein Thema der Verantwortung des Menschen, aber es ist darüber hinaus auch ein Thema der Ökonomie, der Wirtschaft, es ist ein Thema auch der Entwicklungszusammenarbeit, also es ist eine ganz, ganz wichtige Fragestellung. Artenschutz ist kein Luxusproblem, wie der eine oder andere meint, sondern es ist ein guter Beitrag auch zum Überleben der Menschheit auf einem Planeten mit bald neun Milliarden Menschen.
Dobovisek: Wir erinnern uns an den Tod von Lonesome George im vergangenen Sommer, dem letzten Vertreter der Riesenschildkröten auf den Galapagos-Inseln, auch über Schildkröten wollen die Unterzeichner des Artenschutzabkommens ab morgen diskutieren. Streit erwarten Artenschützer um Eisbären und Haie – mal wieder, muss man sagen. Werden sich wirtschaftliche Interessen auch mal wieder durchsetzen?
Töpfer: Bei all den genannten Tierarten, die dem einen oder anderen Hörer oder der Hörerin exotisch vorkommen mögen, alle diese haben einen ganz besonderen wirtschaftlichen Anreiz, einen Anreiz etwa, dass das Nashorn der Nashörner in einigen asiatischen Staaten, etwa in Vietnam, geradezu als Wunderwaffe gegen Krebs angesehen wird, die angesprochenen Haie wegen ihrer Flossen, und vieles andere mehr als Delikatesse auf den Tischen der durchaus sehr wohlhabenden Menschen. Alles dies sind also auch deswegen Herausforderungen dafür, dass wir den internationalen Handel kontrollieren, das ist ja der Sinn dieses Washingtoner Artenabkommens, CITES, und das IT heißt International Trade, also internationaler Handel soll kontrolliert werden, deswegen sind unsere Zöllner und Zöllnerinnen ganz außerordentlich wichtige Partner in diesem Kampf hier. Es muss auch darum gehen, dass wir immer wieder überlegen, welche zusätzlichen Arten müssen da reingenommen werden. Und Sie haben ja recht, bereits jetzt sind doch sehr massive Widerstände aus einigen asiatischen Fischereiorganisationen gegen das, was in Bangkok zusätzlich beschlossen werden kann, angemeldet worden. Der Kampf um den Schutz der Wale ist wirklich schon Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, als ich selbst noch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, das ja für CITES mit zuständig ist, leitete, war das schon die zentrale Frage. Die Kolleginnen und Kollegen aus Japan haben das nie hinnehmen wollen, auch in anderen, in nordeuropäischen Staaten hat das eine ganz andere Bedeutung, also ja, es gibt immer wieder die Auseinandersetzung zwischen dem, was ökologisch, also natur- und umweltschützend notwendig ist, und dem, was ökonomisch hingenommen wird.
Dobovisek: Bis 2010, Herr Töpfer, wollten die Vereinten Nationen mit ihrer Biodiversitätskonvention das Artensterben eigentlich stoppen, doch das Vorhaben scheiterte, das musste damals auch Jochen Flasbarth, der Präsident des deutschen Umweltbundesamtes, einräumen. Die Weltgemeinschaft habe ihre Ziele verfehlt, sagte Flasbarth, wir verlören nach wie vor unsere Artenvielfalt, den Reichtum und das Kapital unseres Planeten. Jedes Jahr würden Urwälder von der Größe Griechenlands gerodet und Korallenriffe verschwinden, wenn wir nicht gegen den Klimawandel angingen. Wer hat die politischen Prioritäten falsch gesetzt, Herr Töpfer?
Töpfer: Also zunächst mal ist es gut, dass Präsident Flasbarth darauf hinweist, dass auch das etwas mit Klimawandel natürlich zu tun hat. Das ist ein eigenes Thema, das kann man hier nur erwähnen. Es ist ganz ohne jeden Zweifel notwendig, die beiden Dinge zusammen zu sehen, auch bei uns. Nehmen Sie nur ein konkretes Beispiel: Wenn wir es schaffen, wieder Moore entstehen zu lassen, wieder zu vernässen – und da gibt es große Programme, Gott sei Dank, in Deutschland, auch mit der Unterstützung der Industrie –, dann werden darin sehr, sehr viele Mengen an CO2, also an Kohlendioxyd und damit dem zentralen Klimagas gebunden, auf Dauer in der Natur gehalten, so wie das auch bei den Regenwäldern ist. Es wurde angesprochen, die Regenwälder sind natürlich ganz besondere Senken für CO2. Es gibt große Programme, die den Schutz und die Wiederaufforstung als ein Instrument des Klimawandels sehen, die beiden Dinge also überschneiden sich, und wer erfolgreich Klimaschutz wirklich anstrebt, kann nicht daran vorbei und wird nicht daran vorbeigehen, gerade auch die Frage der Artenvielfalt, der Erhaltung der biologischen Vielfalt auch etwa in Mooren, wie ich angesprochen habe, zu einem zentralen Ziel zu machen.
Dobovisek: Klimawandel aufhalten helfen soll unter anderem die Energiewende, mit der wir sehr schnell bei der deutschen Innenpolitik landen, Herr Töpfer. Die neue Bundesforschungsministerin Wanka will am Montag eine Forschungsplattform zur Energiewende ins Leben rufen, der auch Sie angehören sollen. Will die Bundesregierung nun erforschen lassen, ob ihre ehrgeizigen Ziele überhaupt realisierbar sind?
Töpfer: Nein, das ist sicherlich nicht der Fall. Ich hatte ja die Ehre und die Freude, die Ethik-Kommission mitzuführen, zusammen mit Professor Kleiner, und wir waren uns da schon klar, dass diese Umsetzung auch mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten sehr, sehr wirksam realisiert werden kann, aber gerade auch mit Blick auf die Kosten, gerade auch mit der Verlässlichkeit in der mittel- und langfristigen Perspektive – wir wollen ja bis zum Jahre 2050 80 Prozent weniger CO2 in unserer Energieversorgung haben, und das ist nun weit mehr als in Anführungsstrichen "nur" die Umsetzung eines Ausstiegs aus der Kernenergie –, also wenn wir dazu …
Dobovisek: Also wenn Sie die Verlässlichkeit ansprechen, Herr Töpfer – verzeihen Sie die Unterbrechung –, dann müssen wir auch über die nachträgliche Kürzung bereits zugesagter Förderung zum Beispiel für bestehende Solaranlagen sprechen. Ist das ein Fehler, Herr Töpfer?
Töpfer: Ja, ich glaube, das ist ja bisher ein Vorschlag des Umweltministers, das ist ja noch nicht Realität. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wir sollten ganz, ganz zurückhaltend sein, in bereits getroffene und realisierte Entscheidungen rückwirkend einzuwirken – ja, da gibt es, und da hat Herr Altmaier sicher recht, viele, die ein sehr gutes Geschäft gemacht haben, etwa mit Windenergiestandorten im hohen Norden Deutschlands, aber das kann nicht im Nachhinein dazu führen, dass die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen so drastisch infrage gestellt wird, das hätte wiederum Auswirkungen auf das Investieren in der Zukunft, gerade in diese Energiebereiche, aber weit darüber hinaus. Das hat auch etwas zu tun mit der Verlässlichkeit staatlichen Handelns, das interessiert nicht nur die Menschen in Deutschland, sondern auch diejenigen, die in Deutschland investieren wollen und die nicht …
Dobovisek: Müssen also diese über 20 Jahre getroffenen Garantien tabu sein, kurze Antwort bitte?
Töpfer: Ich glaube, das ist richtig, wir sollten hier Rechtmäßigkeit auch dadurch honorieren, dass wir sie jetzt nicht nachträglich verändern.
Dobovisek: Welche Vergünstigungen, wenn wir auf die Industrie schauen, die ja bei der EEG-Umlage, also der Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energie zum Teil ausgenommen ist, welche Vergünstigungen müssten gestrichen werden?
Töpfer: Man kann das sicherlich nicht in einer pauschalen Antwort sagen. Richtig ist, dass wir allein aus Rechtssicherheit gegenüber europäischem Recht daran wirklich denken müssen, nicht zu viele Unternehmen da mit hineinzunehmen. Es gibt auch negative Signale, wenn jemand knapp unter der Schwelle ist, dass er dann wirklich Energie vergeudet, und darüber zu kommen ist ein solches Beispiel dafür. Nein, wir müssen da sehr sorgfältig noch mal überprüfen, glaube ich. Es ist eine gute Sache, auch mit Blick auf die Rechtssicherheit in Europa, und auch mit der Konsequenz dafür, dass nicht die Kosten der Energiewende der tragen muss, der eigentlich der Schwächste in dieser Kette ist, nämlich der Verbraucher, bis hin zu denen, die sozial echte Schwierigkeiten haben, wenn der Strompreis ansteigt und sie diesen nicht mehr bezahlen können.
Dobovisek: Klaus Töpfer. Der Christdemokrat war einst Bundesumweltminister und Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Töpfer: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!
Dobovisek: Arten verschwinden, neue entstehen dagegen, wie schwer trifft uns das Artensterben?
Töpfer: Ja, die natürliche Evolution hat es natürlich immer gegeben wird es auch weiter geben. Aber der Verlust ist mindestens hundertmal schneller, als die Evolution wieder Neues entstehen lassen kann. Wir leiden also wirklich massiv darunter, dass die Vielfalt auf unserer Erde verloren geht, dass die Vielfalt von Schöpfung verloren geht, das ist sicherlich ein emotionales, ein Thema der Verantwortung des Menschen, aber es ist darüber hinaus auch ein Thema der Ökonomie, der Wirtschaft, es ist ein Thema auch der Entwicklungszusammenarbeit, also es ist eine ganz, ganz wichtige Fragestellung. Artenschutz ist kein Luxusproblem, wie der eine oder andere meint, sondern es ist ein guter Beitrag auch zum Überleben der Menschheit auf einem Planeten mit bald neun Milliarden Menschen.
Dobovisek: Wir erinnern uns an den Tod von Lonesome George im vergangenen Sommer, dem letzten Vertreter der Riesenschildkröten auf den Galapagos-Inseln, auch über Schildkröten wollen die Unterzeichner des Artenschutzabkommens ab morgen diskutieren. Streit erwarten Artenschützer um Eisbären und Haie – mal wieder, muss man sagen. Werden sich wirtschaftliche Interessen auch mal wieder durchsetzen?
Töpfer: Bei all den genannten Tierarten, die dem einen oder anderen Hörer oder der Hörerin exotisch vorkommen mögen, alle diese haben einen ganz besonderen wirtschaftlichen Anreiz, einen Anreiz etwa, dass das Nashorn der Nashörner in einigen asiatischen Staaten, etwa in Vietnam, geradezu als Wunderwaffe gegen Krebs angesehen wird, die angesprochenen Haie wegen ihrer Flossen, und vieles andere mehr als Delikatesse auf den Tischen der durchaus sehr wohlhabenden Menschen. Alles dies sind also auch deswegen Herausforderungen dafür, dass wir den internationalen Handel kontrollieren, das ist ja der Sinn dieses Washingtoner Artenabkommens, CITES, und das IT heißt International Trade, also internationaler Handel soll kontrolliert werden, deswegen sind unsere Zöllner und Zöllnerinnen ganz außerordentlich wichtige Partner in diesem Kampf hier. Es muss auch darum gehen, dass wir immer wieder überlegen, welche zusätzlichen Arten müssen da reingenommen werden. Und Sie haben ja recht, bereits jetzt sind doch sehr massive Widerstände aus einigen asiatischen Fischereiorganisationen gegen das, was in Bangkok zusätzlich beschlossen werden kann, angemeldet worden. Der Kampf um den Schutz der Wale ist wirklich schon Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, als ich selbst noch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, das ja für CITES mit zuständig ist, leitete, war das schon die zentrale Frage. Die Kolleginnen und Kollegen aus Japan haben das nie hinnehmen wollen, auch in anderen, in nordeuropäischen Staaten hat das eine ganz andere Bedeutung, also ja, es gibt immer wieder die Auseinandersetzung zwischen dem, was ökologisch, also natur- und umweltschützend notwendig ist, und dem, was ökonomisch hingenommen wird.
Dobovisek: Bis 2010, Herr Töpfer, wollten die Vereinten Nationen mit ihrer Biodiversitätskonvention das Artensterben eigentlich stoppen, doch das Vorhaben scheiterte, das musste damals auch Jochen Flasbarth, der Präsident des deutschen Umweltbundesamtes, einräumen. Die Weltgemeinschaft habe ihre Ziele verfehlt, sagte Flasbarth, wir verlören nach wie vor unsere Artenvielfalt, den Reichtum und das Kapital unseres Planeten. Jedes Jahr würden Urwälder von der Größe Griechenlands gerodet und Korallenriffe verschwinden, wenn wir nicht gegen den Klimawandel angingen. Wer hat die politischen Prioritäten falsch gesetzt, Herr Töpfer?
Töpfer: Also zunächst mal ist es gut, dass Präsident Flasbarth darauf hinweist, dass auch das etwas mit Klimawandel natürlich zu tun hat. Das ist ein eigenes Thema, das kann man hier nur erwähnen. Es ist ganz ohne jeden Zweifel notwendig, die beiden Dinge zusammen zu sehen, auch bei uns. Nehmen Sie nur ein konkretes Beispiel: Wenn wir es schaffen, wieder Moore entstehen zu lassen, wieder zu vernässen – und da gibt es große Programme, Gott sei Dank, in Deutschland, auch mit der Unterstützung der Industrie –, dann werden darin sehr, sehr viele Mengen an CO2, also an Kohlendioxyd und damit dem zentralen Klimagas gebunden, auf Dauer in der Natur gehalten, so wie das auch bei den Regenwäldern ist. Es wurde angesprochen, die Regenwälder sind natürlich ganz besondere Senken für CO2. Es gibt große Programme, die den Schutz und die Wiederaufforstung als ein Instrument des Klimawandels sehen, die beiden Dinge also überschneiden sich, und wer erfolgreich Klimaschutz wirklich anstrebt, kann nicht daran vorbei und wird nicht daran vorbeigehen, gerade auch die Frage der Artenvielfalt, der Erhaltung der biologischen Vielfalt auch etwa in Mooren, wie ich angesprochen habe, zu einem zentralen Ziel zu machen.
Dobovisek: Klimawandel aufhalten helfen soll unter anderem die Energiewende, mit der wir sehr schnell bei der deutschen Innenpolitik landen, Herr Töpfer. Die neue Bundesforschungsministerin Wanka will am Montag eine Forschungsplattform zur Energiewende ins Leben rufen, der auch Sie angehören sollen. Will die Bundesregierung nun erforschen lassen, ob ihre ehrgeizigen Ziele überhaupt realisierbar sind?
Töpfer: Nein, das ist sicherlich nicht der Fall. Ich hatte ja die Ehre und die Freude, die Ethik-Kommission mitzuführen, zusammen mit Professor Kleiner, und wir waren uns da schon klar, dass diese Umsetzung auch mit den vorhandenen technischen Möglichkeiten sehr, sehr wirksam realisiert werden kann, aber gerade auch mit Blick auf die Kosten, gerade auch mit der Verlässlichkeit in der mittel- und langfristigen Perspektive – wir wollen ja bis zum Jahre 2050 80 Prozent weniger CO2 in unserer Energieversorgung haben, und das ist nun weit mehr als in Anführungsstrichen "nur" die Umsetzung eines Ausstiegs aus der Kernenergie –, also wenn wir dazu …
Dobovisek: Also wenn Sie die Verlässlichkeit ansprechen, Herr Töpfer – verzeihen Sie die Unterbrechung –, dann müssen wir auch über die nachträgliche Kürzung bereits zugesagter Förderung zum Beispiel für bestehende Solaranlagen sprechen. Ist das ein Fehler, Herr Töpfer?
Töpfer: Ja, ich glaube, das ist ja bisher ein Vorschlag des Umweltministers, das ist ja noch nicht Realität. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wir sollten ganz, ganz zurückhaltend sein, in bereits getroffene und realisierte Entscheidungen rückwirkend einzuwirken – ja, da gibt es, und da hat Herr Altmaier sicher recht, viele, die ein sehr gutes Geschäft gemacht haben, etwa mit Windenergiestandorten im hohen Norden Deutschlands, aber das kann nicht im Nachhinein dazu führen, dass die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen so drastisch infrage gestellt wird, das hätte wiederum Auswirkungen auf das Investieren in der Zukunft, gerade in diese Energiebereiche, aber weit darüber hinaus. Das hat auch etwas zu tun mit der Verlässlichkeit staatlichen Handelns, das interessiert nicht nur die Menschen in Deutschland, sondern auch diejenigen, die in Deutschland investieren wollen und die nicht …
Dobovisek: Müssen also diese über 20 Jahre getroffenen Garantien tabu sein, kurze Antwort bitte?
Töpfer: Ich glaube, das ist richtig, wir sollten hier Rechtmäßigkeit auch dadurch honorieren, dass wir sie jetzt nicht nachträglich verändern.
Dobovisek: Welche Vergünstigungen, wenn wir auf die Industrie schauen, die ja bei der EEG-Umlage, also der Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energie zum Teil ausgenommen ist, welche Vergünstigungen müssten gestrichen werden?
Töpfer: Man kann das sicherlich nicht in einer pauschalen Antwort sagen. Richtig ist, dass wir allein aus Rechtssicherheit gegenüber europäischem Recht daran wirklich denken müssen, nicht zu viele Unternehmen da mit hineinzunehmen. Es gibt auch negative Signale, wenn jemand knapp unter der Schwelle ist, dass er dann wirklich Energie vergeudet, und darüber zu kommen ist ein solches Beispiel dafür. Nein, wir müssen da sehr sorgfältig noch mal überprüfen, glaube ich. Es ist eine gute Sache, auch mit Blick auf die Rechtssicherheit in Europa, und auch mit der Konsequenz dafür, dass nicht die Kosten der Energiewende der tragen muss, der eigentlich der Schwächste in dieser Kette ist, nämlich der Verbraucher, bis hin zu denen, die sozial echte Schwierigkeiten haben, wenn der Strompreis ansteigt und sie diesen nicht mehr bezahlen können.
Dobovisek: Klaus Töpfer. Der Christdemokrat war einst Bundesumweltminister und Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Töpfer: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.