Archiv

Toggo Radio
RTL startet neuen Sender für Kinder

In Deutschland gibt es hunderte Radiosender - aber nur ein vergleichsweise kleines Hörfunkangebot für Kinder. Eine Lücke, die Super RTL mit seinem neuen Sender Toggo Radio nun schließen will. Aber wie groß ist der Markt für ein solches Angebot überhaupt?

Von Michael Borgers |
Mädchen hören gemeinsam Musik und schauen auf Tablets
Toggo Radio startet mit einer vierstündigen Morningshow (imago stock&people)
RTL – drei große Buchstaben, bei denen die meisten wohl heute an Fernsehen denken. Der Sender macht seit Beginn des Privat-TVs Mitte der 1980er-Jahre einige der erfolgreichsten Programme in Deutschland.
Doch davor hatte RTL vor allem für ein anderes Medium gestanden, daran erinnert eine Doku des Hauses: "Der 15. Juni 1957, die erste Sendestunde des deutschen Programms von Radio Luxemburg: 'Meine Damen und Herren, liebe Zuhörer, Sie hören nun das Programm von Radio Luxemburg in deutscher Sprache. Wir senden von heute an jeden Tag von 14 bis 15 Uhr ein leichtes Musikprogramm. Hier ist Radio Luxemburg auf der Mittelwelle 200 und acht Meter.'"
Eine Stunde Radioprogramm, aus der eines der größten Medienhäuser Europas geworden ist – und das nun ein neues Angebot in seinem Portfolio führt: "Wir sind Toggo Radio, wir sind ab sofort für Euch am Start – und das den ganzen Tag. Immer und überall genau die richtige Musik für Euch. Morgens im Bad."
Schüler arbeiten mit einem Tablet.
Kinder-Medien-Studie 2019 - Kinder konsumieren klassisch
Mit der Kinder-Medien-Studie untersuchen Zeitschriften-Verlage seit einigen Jahren das Medienverhalten von Kindern. 2019 hat die Studie einige alte Klischees bestätigt.
Mit Toggo Radio will Super RTL künftig auf allen Plattformen vertreten sein, wie Programmchef Martin Gradl erklärt: "Audio fehlt eigentlich bei uns bisher noch. Unser Anspruch und unser Wunsch ist ja, für die Kinder dort zu sein, wo sie sind."
Radiosender soll an Erfolg von Super RTL anknüpfen
Bekannt gegeben hatte Super RTL seine Pläne erst Ende April, zu einer Zeit, als Deutschland in weiten Teilen noch völlig Corona-gelähmt war. Anlass war das 25-jährige Jubiläum des Senders, einer Erfolgsgeschichte: Neben dem öffentlich-rechtlichen KIKA ist Super RTL das erfolgreichste TV-Angebot für Kinder und Jugendliche. Das neue Radioprogramm soll daran anknüpfen.
Die Finalisten Felix (17, aus Essen) , l-r, Julia (15, aus Berlin), Annalea (14 aus Leipzig), Leon (17, aus Berlin) , Zuzanna (15, aus Braunschweig). Sidney (15, aus Willich Nersen), Jonah (9, aus Düsseldorf), Chasji Ayvar (18 aus Köln) posieren am 14.03.2018 in Köln bei einem Vorabpressetermin mit den Finalisten von "Dein Song" Wer wird Songwriter des Jahres 2018, der einzige Nachwuchskomponisten Wettbewerb im deutschen Fernsehen. Das Finale wird am 16.03. 19.05 im ZDF und KiKa ausgestrahlt.
KiKA, Super RTL und Co. - Kinder-TV wird zum "Content Hub"
Viele Kinder greifen immer öfter zu Tablet und Smartphone. Die Kindersender ziehen jetzt nach: KiKA startet eine Mediathek-App, Super RTL ein soziales Netzwerk.
Gradl: "Natürlich haben wir für uns auch Wachstumsszenarien im Kopf, wo wir sagen: Okay, wir fangen jetzt mal mit 'Toggo Radio Euer Morgen' an, das wird eine Live-Morningshow sein, erstmal vier Stunden. Aber wir können uns sehr gut vorstellen, dass sukzessive dann auch auszudehnen. Das hängt natürlich auch vom Erfolg ab und wie viel wir erreichen."
Konkurrenz zu öffentlich-rechtlichen Kindernachrichten
Gesendet wird via Online-Stream, im Programm will man sonst zunächst darauf setzen, Inhalte vom eigenen TV-Angebot zu adaptieren oder Hörspiele – beispielsweise vom Traditionslabel Europa – zu senden.
Und, das ist Gradl, dem früheren Nachrichtenchef von RTL, besonders wichtig: Toggo Radio soll die junge Zielgruppe auch seriös informieren, genau wie die wohl bekannteste Nachrichtensendung auf KIKA.
"Da ist 'Logo' ja noch so eine Art Monopolist, wenn man so will, und wir wollen natürlich mit Toggo Radio sukzessive auch ein ernst zu nehmendes Kinder- und Familien-Nachrichtenangebot bieten eben."
Viele Kinderangebote setzen auf digitale Ausspielwege
Aber wie groß ist der Markt für ein solches Angebot überhaupt? Die KIM-Studie erhebt seit mehr als 20 Jahren regelmäßig Daten zum Stellenwert von Medien im Alltag von Kindern zwischen sechs und 13 Jahren.
Thomas Rathgeb leitet die Untersuchung und hat dabei festgestellt: "Es gibt nur eine überschaubare Reihe an Kinderangeboten, und die sind ja oft nicht ein eigenes Programm. Also, oft sind die Kinderangebote eben ein Slot, eine bestimmte Sendung, eine bestimmte Sendezeit im Rahmenprogramm eines anderen Programmes, und deswegen ist das relativ schwer zu erfassen."
Der öffentlich-rechtliche Kinderradiokanal KiRaKA wurde im vergangenen Jahr eingestellt. Seitdem sendet der WDR "Die Sendung mit der Maus zum Hören" als hochwertig vorproduzierten Podcast im Live-Stream. Auch Deutschlandfunk Kultur setzt bei seinem Kindermagazin Kakadu inzwischen nicht mehr auf ein tägliches lineares, sondern ein digital abzurufendes Angebot.
ILLUSTRATION - Ein Kind schaut auf einem Laptop einen Trickfilm, aufgenommen am 06.01.2015 in Dresden (Sachsen).
Kinderfernsehen - Second Screen in Bauklotzstadt
Kinder hocken nicht nur vor dem Flachbildschirm, sondern surfen dazu oft auch noch parallel im Netz. Diese noch relativ neue Angewohnheit wollen die klassischen Fernsehmacher jetzt für sich nutzen.
Kinderradio als Familienradio
Und die Privaten? In Berlin machen beim gemeinnützigen und nicht-kommerziellen Radijojo auch Kinder selbst pädagogisch wertvolles Radio. Doch das einzige laufend neu produzierte Vollprogramm kommt seit bald 15 Jahren aus Potsdam und nennt sich Radio Teddy. Täglich mehr als 400.000 Hörerinnen und Hörer empfangen den Sender im Netz oder in bestimmten Gegenden via DAB+ oder UKW.
Radio Teddy mit seiner Musikfarbe, die auch Erwachsene anspricht, könnte eine Art Blaupause für Toggo Radio sein, glaubt auch Medienforscher Rathgeb. Denn: Kinder würden vor allem mit ihrer Familie Radio hören.
Und das liegt daran, das haben wir auch gefragt, zu welchen Tageszeiten welche Medien genutzt werden, dass Radio vor allem beim Frühstück, beim Mittagessen, beim Abendessen genutzt wird, das heißt, es ist ein Zeichen: In der Familie läuft das Radio, und die Kinder hören da mit. Radio hören, Musik hören, das ist da einfach ein gewisses Ritual im Laufe des Tages."
Musik werde auch bei Toggo Radio eine zentrale Rolle spielen, kündigt Programmchef Martin Gradl an: "Das heißt, was wir uns vorgenommen haben, ist einerseits, die Kinder zu erreichen, aber eben auch die Eltern."