Der bange Blick auf den Akkustatus des Smartphones gehört für viele Menschen zum Alltag. Ist man nicht mit dem Auto unterwegs oder der Bahn, wo man auch während einer Reise das Handy nachladen kann, wird es für viele ein Wettlauf gegen die Zeit. Das war vor 15 Jahren auch schon so, erinnert sich Sascha Kühn.
"Die ersten Smartphones gab es schon, von HTC, hatte ich auch eins und hatte ständig einen leeren Akku."
So genannte Powerbanks, also externe Lithium-Ionen-Akkus, mit denen sich mobile Geräte mehrfach aufladen lassen, gab es damals noch nicht. Sascha Kühn verfolgte an der Universität Saarbrücken eine andere Idee.
"Damals ging es mir darum, eine Technologie zu finden, mit der es möglich ist, mobil Strom zu erzeugen unabhängig vom Stromnetz."
Brennstoffzelle für die Stromerzeugung
Im Rahmen seiner Doktorarbeit tüftelte der Ingenieur an einem Verfahren, mit dem man eine nanokristalline Elektrolytschicht auf ein Metall aufbringt. Sein Ziel: Eine tragbare Brennstoffzelle, die chemische Energie in elektrischen Strom verwandelt, mit dem sich Mobiltelefone und Laptops unterwegs aufladen lassen. Sascha Kühn wollte eine Brennstoffzelle entwickeln, die mit gasförmigen Treibstoffen wie Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen betankt werden kann, die eine hohe Energiedichte haben. Das Projekt gedieh und brachte sogar ein Patent hervor.
"In dem Patent ging es um die nanotechnologische Beschichtung von metallischen Substraten, so dass man in der Lage ist, extrem dünne Schichten mit einer extrem hohen Dichte und kleiner Korngröße auf Metalle aufbringen zu können. Diese Schichten dienen als Elektrolyt der Brennstoffzelle."
Crowdfunding für die Umsetzung der Idee
Die Entwicklung der mobilen Brennstoffzelle hatte Kühn 2008 das Start-up-Unternehmen eZelleron gegründet. Das erste Produkt, das eZelleron auf dem Markt bringen wollte, war ein Handladegerät, das sich auch mit Campinggas aufladen lässt, einem handelsüblichen Propan-Butan-Gemisch. Im Gerät selbst, wird das Gemisch zunächst in wasserstoffreiches Gas aufgespalten, das dann in einer Brennstoffzelle reagiert und Strom erzeugt. Über ein USB-Kabel lassen sich damit dann portable Elektrogeräte aufladen. Um das "Kraftwerk" für die Hostentasche bis zur Marktreife zu entwickeln, sammelte Sascha Kühn 2015 auf einer Crowdfunding-Plattform Geld für die Umsetzung seiner Vision. Ihm zufolge hätte eine Gasladung so viel Strom geliefert, wie ein handelsübliches Smartphone im Monat benötigt. Ein handlicher Prototyp, groß wie ein Smartphone und schickem Design, überzeugte viele Menschen.
"Das war auch sehr erfolgreich und wir konnten über eine Million Euro einsammeln, die dann später in die Fertigung investiert wurden."
11.000 Menschen hatten sich an der Kampagne beteiligt und das Projekt finanziell unterstützt, 15.000 Vorbestellungen gab es. Doch Sascha Kühn konnte nicht liefern. Die potenziellen Käufer warteten auf ihr versprochenes Gerät und wurden – wegen Verzögerungen bei der Entwicklung - immer weiter vertröstet.
"Das einzige Problem, was es bei dem Handlade-Kraftwerk technisch gab, war die Umsetzung der Nebenaggregate, also der Mikroventile, der Mikropumpen und dazu hätte es eben auch noch mehr Geld bedurft."
Der Erfinder, für den es lange nur aufwärts gegangen war, stand plötzlich in der Kritik. Zu allem Übel bekam er dann auch noch Post von einem Anwalt.
Keine Chance für Marktreife von Handladekraftwerken durch Insolvenz
"Die große Hürde war aber, dass gleichzeitig eine Klage von der Band Kraftwerk lief und deswegen alle Investoren abgesprungen sind und das Projekt letztendlich so nicht umgesetzt werden konnte."
Die Düsseldorfer Elektro-Pop-Band klagte gegen eZelleron, weil sie durch die gleichnamige Minibrennstoffzelle ihre Markenrechte verletzt sah. Die finanziellen Schwierigkeiten von eZelleron wurden immer größer. Die Firma ging 2016 Pleite. Anfang 2018 wurde bekannt, dass das Amtsgericht Dresden gegen Sascha Kühn ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet hat, das noch nicht abgeschlossen ist. Er glaubt immer noch an seine Idee - und hat zwischenzeitlich versucht, sie in den USA umsetzen.
"Das Projekt und die Technologie waren im Silicon Valley schon bekannt. Dort gab es ein großes Interesse an der Technologie an sich und auch an der Umsetzung des Handladekraftwerkes."
Brennstoffzelle für die Hosentasche soll es doch noch geben
2018 ist Sascha Kühn wieder nach Dresden zurückgekehrt und will - mit frischem Geld versorgt, wie er Ende November mitteilte - das Projekt voranbringen. Dabei konzentriert sich sein neues US-Unternehmen kraftwerk Inc. zunächst ausschließlich auf die Kerntechnologie, die sogenannten "tubes". Das sind kleine, röhrenförmige Festoxidbrennstoffzellen (SOFC) aus nanobeschichtetem Metall. Diese Tubes werden Kühn zufolge derzeit vor allem von Automobilkonzernen gekauft, die an der Entwicklung neuer Elektroautos arbeiten. Und langfristig betrachtet? Kommt die Brennstoffzelle für die Hosentasche vielleicht doch noch irgendwann?
"Also, ich bin mir sicher, dass es die geben wird. Ich traue mich nur nicht mehr, eine zeitliche Vorhersage zu machen."
Am Bedarf der Nutzer habe sich nicht viel geändert, im Gegenteil, betont Sascha Kühn. Beim Internet der Dinge gebe es tausende Anwendungen, die netzunabhängig Strom brauchen, das hätten die jüngsten Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Überschwemmungen und Waldbrände in den USA gezeigt.
"Akkus werden irgendwann leer, aber ein elektrochemisch aufladbares, also mit Gas betriebenes Brennstoffzellengerät wird halt so schnell nicht leer, weil sie können sehr viel Gas dabei haben. Und dann haben sie halt auch sehr viel Strom."