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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Das kettenlose Fahrrad

Seit über 100 Jahren funktioniert der Fahrrad-Antrieb nach dem gleichen Prinzip: Die Kraft, mit der man in die Pedale tritt, wird per Kette auf das Hinterrad übertragen. Vor allem Elektrofahrräder könnten ohne Kette besser fahren. In Wernigerode arbeitet man daran.

Von Simon Schomäcker |
Ein Prototyp eines kettenlosen und elektronisch gesteuerten Fahrrads steht auf einer asphaltierten Fläche
Die Hochschule Harz arbeitet an einem kettenlosen Elektrofahrrad (Deutschlandradio / Simon Schomäcker)
Das Gelände der Hochschule Harz in Wernigerode ist hügelig. Eine gute Möglichkeit also, um hier E-Bikes zu testen. Ich sitze zum ersten Mal auf so einem Elektrofahrrad und radle über den Campus. Wie viele andere seiner Art wirkt das Gefährt etwas klobig, da am Rahmen ein Gehäuse für die Elektronik sitzt. Aber abgesehen vom Motoren-Geräusch fährt sich das Rad wie ein mechanisches Modell – obwohl in diesem Fall keine Kette Pedale und Hinterrad verbindet.
"Der Fahrer pedaliert in einen Generator, der zwischen den Kurbeln angeordnet ist und erzeugt damit elektrische Leistung. Diese elektrische Leistung wird dann über eine Elektronik so aufbereitet, dass sie dem Antriebsmotor, der sich am Hinterrad befindet, zugeführt wird. Und dieser Antriebsmotor treibt dann das Fahrrad",
erläutert Steffen Braune vom Institut für Automatisierung und Informatik. Hier hat der Ingenieur gemeinsam mit Kollegen das kettenlose Elektrofahrrad entwickelt. Durch weniger mechanische Teile wollten sie den Wartungsaufwand verringern - und den Energieverbrauch effizienter steuern. Ein erster Prototyp entstand 2011. Steffen Braune und Institutsleiter Prof. Dr. Klaus-Dietrich Kramer zeigen das Fahrrad mit den vielen Kabeln.
Weniger Mechanik, weniger Wartungsaufwand
"Wir haben an dem ersten Fahrrad Satteltaschen dran. Die haben wir nicht angebaut, um irgendwas zu transportieren, sondern weil die Elektronik Platz brauchte. Und die sind auch gut voll geworden."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Ein Rad für die Stadt, für die Berge und für Lasten: Reporter Simon Schomäcker drehte eine Runde mit dem kettenlosen E-Bike (Deutschlandradio / Simon Schomäcker)
"Hier haben wir noch eine riesengroße Sicherung verbaut, damit man nicht Gefahr läuft, dass das Fahrzeug eventuell mal abbrennt bei irgendwelchen widrigen Verhältnissen. Sie sehen die Motoren und die Generatoren hier - sehr groß, Direktantriebe."
Kettenlose Fahrräder - bisher mit begrenztem Erfolg
Ein Fahrgefühl wie bei einem normalen Fahrrad vermittelt dieser erste Prototyp noch nicht. Auch anderen Entwicklerteams, etwa aus Südkorea, ist das nie gelungen. Sie hatten schon vorher kettenlose Fahrräder gebaut und teils sogar auf den Markt gebracht - mit begrenztem Erfolg. Die Wernigeröder Forscher fingen zunächst an, die mechanischen Komponenten an ihrem Rad zu verbessern. So setzten sie beispielsweise Planetengetriebe an Generator und Motor ein. Sie besitzen mehrere kleine Zahnräder, die um ein großes laufen. Steffen Braune:
"Wir haben diesen Generator mit einem Planetengetriebe auch versehen, damit wir mehr Drehmoment am Generator bekommen. Beim ersten Modell war noch kein Getriebe drin. Und dementsprechend war das Gegenmoment, was der Fahrer erfährt, noch entsprechend klein. Und hier ist es jetzt schon so, dass man auf der Kurbel stehen kann. Das hält der Generator gegen. Und das macht eine Kette normalerweise auch."
Die Planetengetriebe erlaubten es außerdem, Generator und Motor aufgrund des größeren Drehmoments kleiner zu bauen. Den erzeugten Strom speichert ein 48-Volt-Akku zwischen. Er kann auch unterstützende Energie liefern - wie bei einem normalen E-Bike. Der Akku versorgt sowohl den Antriebsmotor an der Nabe als auch die Elektronik. Diese füllt längst keine Satteltaschen mehr, sondern passt heute in das bereits erwähnte Gehäuse auf dem Rahmen. Die Elektronik regelt nicht nur die Energieversorgung, sondern auch Fahrgeschwindigkeit und Gangschaltung.
Software schaltet in den nächsthöheren Gang
"Per Software kann der Fahrer einen Gang auswählen - oder in einem besonderen Betriebsmodus den Gang vom Fahrrad auch auswählen lassen. Nach außen hin fühlt sich das genauso an wie eine konventionelle mechanische Schaltung. Aber sie ist halt virtuell und elektronisch."
Das bedeutet: Eine mechanische Veränderung wie etwa bei einer Kettenschaltung findet nicht statt. Bedient wird die Software über ein handelsübliches Smartphone, das sich auf den Lenker klemmen lässt. Auf dem Bildschirm ist eine Art Armaturenbrett mit Tachometer und Gang-Auswahl zu sehen. Allerdings sind die Bedien-Buttons relativ klein. Mit Handschuhen ist es daher noch schwierig, sie zu treffen.
Alle bisherigen Prototypen ihres kettenlosen Elektrofahrrads haben die Wernigeröder Forscher bis ins kleinste Detail selbst gefertigt. Zurzeit wiegt es mit 29 Kilogramm ca. fünf Kilo mehr als ein herkömmliches E-Bike. Das nächste Modell soll wesentlich leichter werden. Dafür arbeiten die Experten mit einem Automobil-Zulieferer zusammen, auch um das Rad nach neun Jahren Entwicklung endlich marktreif zu bekommen. Preislich soll es dann mit normalen E-Bikes mithalten können. Neben City-Rädern oder Mountainbikes kommt die Technik vor allem auch für Lasten-Dreiräder infrage, meint Klaus-Dietrich Kramer:
"Ganz großer Vorteil unseres Systems ist ja, dass wir nicht mehr von dieser Verbindung Tretlager zu Kette Hinterrad abhängig sind. Diese Freiheit bietet natürlich Möglichkeiten für unterschiedlichste Konstellationen der Anordnung des Tretlagers, des Motors, des Generators. Und das macht die Sache genau interessant".