Eine Festplatte in Aktion: Rasend schnell schreibt sie digitale Daten Bit für Bit auf eine Magnetschicht. Eine bewährte Technologie, doch sie besitzt ein Manko: Auf Dauer sind die Daten nicht sicher. Festplatten halten nicht besonders lange, denn mit der Zeit degradiert die Magnetschicht. Damit die Daten nicht nach wenigen Jahren verloren gehen, müssen sie immer wieder umkopiert werden. Und das ist aufwändig, etwa für große Rechenzentren.
"Besonders wichtig ist das für die Cloud. In der Cloud werden riesige Datenmengen gespeichert, und es kostet viel Geld, diese Daten andauernd umzukopieren", sagt Peter Kazansky, Physiker an der Universität Southampton in England. Da auch andere Datenspeicher wie DVDs oder USB-Sticks nicht ewig halten, ließ er sich vor einigen Jahren ein neues Konzept einfallen.
"Wir verwenden ultraschnelle Laser, wie sie auch für Augen-OPs benutzt werden. Wird deren Licht auf einen winzigen Fleck gebündelt, konzentriert sich die Energie so stark, dass sich das Material, das man bestrahlt, verändert, ohne dabei zu schmelzen."
Erster Vorteil: Speicherkapazität
Konkret richten die Fachleute ihre ultrakurzen Blitze auf hochreines Quarzglas. Dort brennen die Lichtpulse die Datenbits so in das Glas ein, dass sich dessen Polarisationsverhalten verändert. Auslesen lassen sich die Daten, indem man erneut Licht durchs Glas schickt: Dabei verändern die eingebrannten Datenbits die Richtung, in der die Lichtwelle schwingt – was ein Lichtsensor messen kann. Der Clou: Der Laser beschreibt nicht nur die Glasoberfläche, sondern das gesamte Glasinnere. Zumindest auf dem Papier verspricht das eine beachtliche Speicherkapazität.
"Im Prinzip können wir bis zu 1000 Schichten in eine Scheibe von der Dicke einer CD schreiben. Damit wäre eine Speicherkapazität von bis zu 360 Terabyte möglich."
Das wäre zigmal mehr als bei heutigen Festplatten. Der Ansatz klingt vielversprechend, erinnert allerdings an eine andere Idee, die letztlich im Sande verlief: die Datenspeicherung per Holografie. Auch hier wurden die Daten dreidimensional in einen Kristall geschrieben, dort dann aber holografisch gespeichert, ähnlich wie beim Hologramm auf dem Personalausweis. Vor 15 Jahren galt das Konzept als Hoffnungsträger. Durchgesetzt hat es sich bislang nicht, sagt Peter Kazansky.
"Holographische Datenspeicher funktionieren nur mit bestimmten lichtempfindlichen Materialien wie zum Beispiel Polymeren. Doch die haben nur eine begrenzte Speicherkapazität und sind nicht sehr lange haltbar."
Zweiter Vorteil: Langzeitstabilität
Anders beim neuen optischen Speicherkonzept aus England. Kazansky und seine Leute traktierten ihre laserbeschriebenen Glasplatten unter anderem mit Wasser und mit Hitze. Dabei erwies sich der Datenträger als überaus widerstandfähig.
"Im Guinness-Buch halten wir den Weltrekord für das dauerhafteste Datenspeichermedium. Unsere Glasscheiben würden bei einer Temperatur von 180 Grad Celsius so lange halten wie das Universum alt ist, fast 14 Milliarden Jahre."
2013 präsentierte Kazanskys Team einen ersten Prototyp. Der konnte zwar nur eine Textdatei speichern, doch in der Folge entwickelten die Briten ihre Technik stetig weiter. Vor drei Jahren konnten sie einen IT-Riesen von ihrem 3D-Glasspeicher überzeugen: 2017 kündigte der Microsoft-Manager Mark Russinovich auf einer Microsoft-Konferenz eine Partnerschaft mit Kazanskys Gruppe an.
"Wir arbeiten mit der Universität von Southampton in England an einer Sache, die wir Project Silica nennen. Dabei geht es um die Datenspeicherung in Glas. Glas hat eine wirklich coole Eigenschaft – es hält ewig. Geht es also um die Langzeitspeicherung von Daten, ist Glas genau richtig."
Microsoft kommt mit ins Boot
Gemeinsam entwickelte man das Patent weiter – offenbar mit Erfolg. Im November 2019 präsentierte Microsoft publikumswirksam einen Meilenstein.
"Das war die Speicherung eines Superman-Films. Wir konnten die komplette 80-Gigabyte-Datei in einer Glasscheibe von der Größe einer CD speichern und anschließend wieder auslesen."
Die Langzeit-Archivierung riesiger Datensätze – das soll die Hauptanwendung der neuen Technik sein. Vor der Markteinführung gibt es aber noch diverse Probleme zu lösen, zum Beispiel, was das Auslesen der Daten anbelangt. Bislang erledigen das teure Spezialmikroskope. Und um die Signale aus den verschiedenen Ebenen des Quarzglases zuverlässig voneinander unterscheiden zu können, braucht es neuartige selbstlernende Algorithmen.
Nachteil: Schreibgeschwindigkeit
Zwei weitere Hürden: Die speziellen Laser sind derzeit noch sehr teuer – Stückpreis mehrere 100.000 Euro. Und das Speichern der Daten dauert noch zu lange.
"Als wir 2017 das Projekt mit Microsoft begannen, schafften wir nur einige hundert Byte pro Sekunde. Mittlerweile sind wir beim Tausendfachen, bei 300 Kilobyte pro Sekunde. Was wir erreichen müssen, sind Megabyte pro Sekunde. Da sind wir jetzt ganz nah dran. Und würden wir mit mehreren Laserstrahlen parallel schreiben, wären sogar einige Gigabyte pro Sekunde drin."
Um gläserne Datenspeicher zur Praxisreife zu entwickeln, wird es also einiges an Investitionen brauchen – und noch etwas Zeit. Drei bis fünf Jahre, schätzt Peter Kazansky, dürfte die Entwicklung wohl noch dauern.