Roland Maderebner hat nichts gegen Stahl oder Beton. Im Gegenteil: Jahrelang hat der Bauingenieur von der Universität Innsbruck bei Tunnelbauprojekten gearbeitet und diese Werkstoffe als selbstständiger Baumeister in seiner Firma eingesetzt, wenn es der Entwurf erfordert hat. Allerdings hat sich der heute 39-Jährige immer mal wieder gefragt: Geht das nicht auch mit Holz? Das war der Impuls für ein neues Holzverbindungssystem.
"Auf dem Namen sind wir gekommen, weil das Ding wie eine Spinne aussieht. Das bedeutet, wir haben sechs Arme. Die sind in horizontaler Ebene über 360 Grad gleichmäßig verteilt. Und wir haben dann noch einen sogenannten Stützenkopf und einen Stützenfuß. Das bedeutet, wir haben dann im Endeffekt acht Extremitäten und deswegen heißt die Geschichte 'Spider Connector'."
Die "Spinne" verstärkt Decken aus Sperrholz
Der "Spider Connector" besteht aus Stahl und ist vor allem als Verstärkungsmaßnahme für Konstruktionen in Brettsperrholzbauweise gedacht. Das sind Platten aus mehreren rechtwinklig miteinander verleimten Holzschichten, die im Holzbau heute etwa für flache Decken eingesetzt werden. Üblicherweise ruhen die Deckenplatten auf Trägerbalken und Stützwänden im Abstand von sechs Metern. Nun reichen Stützen an zwei Punkten, um Decken freitragend bis zu sieben Meter weit zu spannen.
"Mit dem 'Spider-Connector' ist es möglich, Stützenweiten von mehr als 5 mal 5 Metern zu realisieren. Soll heißen: Bis jetzt wurden Decken mit Brettsperrholz realisiert, die bisher aber immer auf Unterzügen oder Wänden aufgelagert wurden. Mit dem Spider Connector wird es möglich, Wände durch Stützen zu ersetzen und Unterzüge beziehungsweise Balken zu eliminieren."
Für Architekten bedeutet das, sie können Räume flexibler gestalten. Und die Bauherren sparen Kosten, weil Trägerkonstruktionen wegfallen. Der Clou ist aber: Flachdecken aus Holz können nun punktgestützt so weit gespannt werden wie bisher nur Decken aus Stahlbeton. Denn die Kombination von Verbinder und Stütze erlaubt, die senkrechten Stützlasten in den Boden durchzuleiten, ohne die Deckenelemente quer zur Faser zu beanspruchen. Außerdem verstärken die "Spinnenarme" die Decke nahe der Stütze.
Ein langer Weg von der Idee zum Produkt
Vom ersten Entwurf bis zu Marktreife des Systems habe es 10 Jahre gedauert, sagt Roland Maderebner, der inzwischen am Institut für Holzbau der Universität Innsbruck arbeitet.
"Ich habe die Idee dann schrittweise meinen damaligen Arbeitskollegen präsentiert. Einige waren sofort Feuer und Flamme, es hat aber auch viele Gegenstimmen gegeben, die dahingehend lauteten: ‚Roland, du hast zu viel betoniert. Du denkst zu sehr wie ein Betonbauer, Holzbau funktioniert anders!‘ Ich habe dann mit wenigen Mitteln und viel Eigenmittel begonnen, die ersten Prototypen zu bauen, und habe dann die Möglichkeit bekommen – das ist das Schöne an einer Universität – diese Idee tatsächlich auch einmal auszuprobieren, bedeutet: Prüfen im Labor."
Danach war dem Bauingenieur klar, seine Idee funktioniert. Nun stand er vor seiner "schwierigsten Aufgabe", wie er sagt: Geld einwerben, um ein marktreifes Produkt zu entwickeln. Er schrieb einen Antrag an die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft und bekam eine Zusage für 320.000 Euro über drei Jahre. Allerdings war das Geld an zwei Bedingungen geknüpft: Roland Maderebner musste erst einen Partner aus der Industrie von dem Projekt überzeugen. Und er durfte die Fördermittel nicht für das Bauholz ausgeben, das er für seine Tests benötigte.
In der Praxis sogar besser als in der Theorie
"Ich habe dann die vier größten Brettsperrholzhersteller mit ins Boot holen können. Ich bin dann wieder Türklinkenputzen gewesen, habe denen das Ding vorgestellt. Die waren sofort Feuer und Flamme. Und ich habe dann doch in Summe 75 Kubikmeter Brettsperrholz bekommen. Das ist ein ordentliches Einfamilienhaus, was du damit bauen kannst und damit haben wir dann die ganzen Versuche durchführen können."
2013 konnten die Experimente im Labor beginnen: Durchstanzversuche, um zu sehen, welche Kräfte auf den "Spider Connector" wirken und wie sich Lasten im Holz verteilen. Roland Maderebner war damals 33 und beeindruckt, wie belastbar das System in der Praxis war.
"Das Sprichwort bei uns Bauingenieuren lautet aber wie folgt: 'Die Rechnung, das ist die Kür, das Experiment, das ist die Pflicht'. Mein Rechenmodell ist immer davon ausgegangen, dass es eine definitive Erhöhung der Belastbarkeit von diesem beanspruchten Knotenpunkt von doch 40, 50 Prozent bringen wird. Das Experiment hat dann schlussendlich eine Steigerung von plus 300 Prozent gebracht."
Erste Gebäude mit dem "Spinnne-Verbinder" werden bereits errichtet
Konkret heißt das: Mit dem "Spinnen-Verbinder" kann in Gebäuden eine senkrechte Last von bis zu 500 Tonnen in den Boden geleitet werden – ein Novum im Holzbau, wie der Bauingenieur betont. Damit waren dann auch die letzten Kritiker überzeugt. Die Entwicklung bis zur Marktreife dauerte dann noch einmal zwei Jahre. Zeit, in der Roland Maderebner einen Großfeldversuch zum Schwingungsverhalten durchführte, Patentanträge schrieb und weiter tüftelte. Denn um Holzdecken mit mehreren Metern Spannweite zu konstruieren, müssen die Brettsperrholzplatten, die nicht unmittelbar auf den Stützen aufliegen, an den Plattenkanten Stoß an Stoß fest mit den anderen verbunden werden.
"Das war die zweite, vielleicht sogar größere Herausforderung als der 'Spider Connector'. Weil mein Ziel war: Ich möchte auf der Unterseite keine Applikation anbringen und auch nicht auf der Oberseite, ansonsten erfülle ich nicht mehr die Thematik einer Flachdecke. Blick zu den Materialtechnologen: Die haben zum damaligen Zeitpunkt mit Polymer-Beton herumgespielt."
Nach einigem Ausprobieren war die Lösung gefunden: In die zu verbindenden Platten wird von oben eine Nut gefräst, die dann mit Polymerbeton ausgegossen wird. Im vergangenen Jahr wurde das europäische Patent für den "Spider Connector" erteilt. Das Produkt wird heute von vom österreichischen Verbindehersteller Rothoblaas in Lizenz vertrieben. Wichtiger als das Geld ist Roland Maderebner aber, dass seine Erfindung dazu beiträgt, dem Holzbau neue Möglichkeiten zu eröffnen. Ein erstes größeres Gewerbegebäude in Tirol wird mit der "Spinne" gerade gebaut. Weitere in Deutschland, der Schweiz und Norwegen sind bereits in Planung.