Die Alcor Life Extension Foundation ist eine von drei Organisationen in den USA, die Menschen anbieten, ihren Körper nach dem Tod mithilfe von Kälte zu konservieren. In einem Werbevideo erklärt Max More, der ehemalige Präsident der Stiftung, was passiert, wenn ein Kunde im Sterben liegt: "Sobald wir eine Notfallmitteilung erhalten, schicken wir unser Standby-Team raus. Nachdem die Person für klinisch tot erklärt wurde, legen unser Leute los."
Das Notfallteam beginnt dann sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung und fängt an, den Körper mithilfe von Eis zu kühlen. Danach wird die oder der Tote ins Behandlungszentrum nach Arizona gebracht, wo die eigentliche Prozedur beginnt. Die Konservierung und Aufbewahrung eines ganzen Körpers kostet mindestens knapp 180.000 Euro, die Aufbewahrungskosten pro Jahr liegen bei rund 169 Euro.
Wer Geld sparen will, lässt nur sein Gehirn einfrieren
Mit umgerechnet gut 70.000 US-Euro deutlich preiswerter ist die alleinige Erhaltung des Gehirns mit oder ohne Schädel. Wer darauf setzt, muss allerdings darauf vertrauen, dass bei seiner Wiedererweckung von den Toten auch gleich ein geklonter Körper verfügbar ist, in den das Gehirn dann eingepflanzt werden kann.
Bei einer Ganz-Körper-Konservierung wird zunächst der Brustkorb geöffnet, um Zugang zu den zentralen Blutgefäßen am Herz zu bekommen, erklärt Max More: "Diese verbinden wir mit unserem Wärmetauscher und der Perfusionsmaschine. Das Ziel ist, das Blut und andere Körperflüssigkeiten möglichst schnell aus dem Körper zu spülen und durch ein Frostschutzmittel zu ersetzen. Damit wollen wir die Bildung von Eiskristallen verhindern." Denn die spitzen Eiskristalle würden die Körperzellen zerstören.
Eine Frostschutzlösung ersetzt Körperflüssigkeiten
Durch das Frostschutzmittel wird der Leichnam vitrifiziert: Die Flüssigkeit darin geht beim Herunterkühlen in einen glasartigen Zustand über, ohne Kristalle zu bilden. Ist die Prozedur abgeschlossen, werden die Körper oder die Köpfe der Verstorbenen in Behältern jahrzehntelang bei minus 160 Grad Celsius aufbewahrt. Ende Mai 2020 waren bei Alcor 177 Patienten kryokonserviert.
Kunde Nummer eins war James H. Bedford, der am 12. Januar 1967 eingelagert wurde – also vor über 50 Jahren. Damals wie heute ist die Zeit der entscheidende Faktor. Nach dem offiziell festgestellten Tod müssen die Verwesungsprozesse im Körper möglichst schnell durch Kühlung unterbunden werden. Das ist aber nicht so einfach, sagt Klaus Sames, Gerontologe und ehemaliger Anatomieprofessor aus Hamburg und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Biostase.
"Heute haben wir in Deutschland nicht die Möglichkeit direkt nach dem Tode einzugreifen, weil unsere Leichenschaugesetze vorschreiben, dass zunächst Leichenflecke vorhanden sein müssen. Das dauert etwa zwanzig Minuten minimal, bis diese sichtbar werden. Bis dahin ist bereits eine starke Schädigung eingetreten und wir können dann nur das, was dann noch verfügbar ist von dieser Person, der Biostase zuleiten."
Nach dem Tod muss alles schnell gehen
Die Deutsche Gesellschaft für Biostase will ihren Mitgliedern im Todesfall die bestmögliche Erstversorgung ermöglichen, damit ihr Leichnam die Überführung in ein Kryonik-Institut in Amerika oder Russland möglichst unversehrt übersteht. Auch Klaus Sames selbst möchte sich einfrieren lassen und hat bereits 1994 mit dem Cryonics Institute in Detroit einen Vertrag geschlossen. Die Kosten lagen damals bei 50.000 D-Mark. Heute sei es kaum teurer, erklärt Dennis Kowalski, der Präsident der Firma in Michigan: "Rund 2.000 Personen haben bei uns einen Vertrag unterschrieben. Mittlerweile haben wir 180 Menschen konserviert, was uns zur derzeit größten Kryonikfirma macht. Zudem sind unsere Preise mit 28.000 US-Dollar bezahlbar."
Kryokonservierung - eine Wette auf die Zukunft
Das Cryonics Institute ist eine Non-Profit-Organisation, alle Angestellten müssen auch Mitglied sein. Daher wird sich Dennis Kowalski, genau wie seine Familie, nach dem Tod in Clinton Township einfrieren lassen. Natürlich sei es theoretisch besser, sich bei bester Gesundheit einfrieren zu lassen – bevor lebenswichtige Organe versagen. Aber das sei vom Gesetz her nicht möglich und das wolle auch niemand, sagt Kowalski. Schließlich gehe man davon aus, dass der medizinische Fortschritt so rasant sei, dass man nach einer Revitalisierung in einigen Jahrzehnten zum Beispiel auch gleich den Krebs besiegen könnte, der einen einst das Leben kostete.
"Wenn jemand vor 100 Jahren gesagt hatte, stell Dir vor, dass man Menschen mithilfe eines Stromschlags wiederbeleben kann‘, dann hätte das doch nach Frankenstein geklungen! Dasselbe gilt für Organtransplantationen. Früher hätte es makaber oder seltsam geklungen, wenn man vorgeschlagen hätte, Leichen aufzuschneiden, ihre Organe zu entnehmen und anderen Menschen einzusetzen, damit sie überleben können. Heute ist das normal und viele Menschen weltweit profitieren von dieser Technologie."
Bei Ei- und Samenzellen ist das Einfrieren schon Standard
Eizellen oder Spermien werden heute bereits eingefroren und so lange in flüssigem Stickstoff gelagert bis sie benötigt werden. Das Auftauen klappe problemlos, betont Dennis Kowalski. Aber einen kompletten Körper oder ein Gehirn zurück ins Leben zu holen, wäre natürlich viel komplizierter – und unerwünschte Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Kritiker der Kryokonservierung gibt es deshalb reichlich. Der Reproduktions- und Regenerationsbiologie Stefan Schlatt von der Universität Münster hält die Kryonik für nicht durchführbar. Die Blut-Hirn-Schranke sei zu empfindlich und würde das Einfrieren nicht überstehen. Andere Kritiker bezeichnen das Einfrieren und Auftauen von Menschen als Fantasterei oder als Zukunftsmusik - aber genau das ist es in den Augen der Befürworter ja auch: Zukunftsmusik.
"Wenn es schief geht, bin ich immer noch tot"
Wer in 50 oder 100 Jahren ein Interesse daran haben könnte, die tiefgekühlten Leichen zu reanimieren, bleibt allerdings ebenso unklar, wie die Frage, wer dann die Kosten ihrer Behandlung übernimmt oder – wenn alles glatt geht - für ihren Lebensunterhalt aufkommt. Den emeritierten Professor Klaus Sames, der selbst lange im Bereich Kryonik geforscht hat, schreckt diese Ungewissheit nicht. Er ist über 80 und geht davon aus, dass er nach seinem Tod rund hundert Jahre auf Eis liegen wird, bevor eine Wiederbelebung möglich sein könnte: "Da diese Chance besteht, ist es ja nicht falsch, sie zu ergreifen. Wenn es schief geht, bin ich immer noch tot. Aber es kostet mich nichts außer dem Geld, das ich sowieso nicht mitnehmen kann."