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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Urinal für Frauen

Um den direkten Kontakt mit Keimen auf öffentlichen Toiletten zu vermeiden, hocken Frauen häufig über der Kloschüssel, ohne sich zu setzen. Oder sie verwenden viel Klopapier zum Abdecken. Der Wissenschaftler Mete Demiriz hat schon vor Jahren Urinale für Frauen entwickelt. Einen Hersteller konnte er bislang nicht finden.

Von Michael Stang |
    Eine Frau betritt am Donnerstag in der B-Ebene der Hauptwache in Frankfurt am Main eine neuartige Toilettenanlage für Frauen. In zwei Kabinen wurden moderne Damenurinale installiert, die ganz ohne Wasserspülung auskommen.
    Die Frauenurinale, die in Frankfurt getestet wurden, kamen nicht so gut an. (dpa / picture-alliance / Arne Dedert )
    Mete Demiriz eilt durch die Flure der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Der Professor für Sanitär- und Bädertechnik öffnet eine große Metalltür und betritt eine Laborhalle. Der Wissenschaftler weist auf eines der Regale.
    "Da oben sehen Sie die wandhängenden Frauenurinale als Prototyp."
    Mete Demiriz erforscht einen der intimsten Bereiche des menschlichen Alltags: den Toilettengang. In den vergangenen Jahren hat er bei Umfragen herausgefunden, wie Frauen öffentliche Toiletten benutzen. Das Ergebnis: Um den direkten Kontakt mit Keimen zu vermeiden, kauern, hocken oder stellen sie sich über die Kloschüssel, ohne sich zu setzen.
    Oder sie bauen auf der Klobrille eine Art Nest aus Unmengen an Klopapier. Um Muskelkrämpfe und verstopfte Rohre zu vermeiden, hat der Wissenschaftler vor rund 20 Jahren mit der Entwicklung von ergonomischen Frauenurinalen begonnen, angefangen mit dem Prototyp EFEU, für den er 1998 ein Patent beantragt hatte.
    "Die sind kontaktfrei. Die sehen aus wie Herrenurinale. Der große Unterschied ist, dass auch bei diesen Urinalen Toilettenpapier durchgeht."
    Kein Interesse von Herstellern
    Das Urinal ist so geformt, dass es Frauen rückwärts stehend in einer leichten Ski-Hocke benutzen können. Einen Hersteller hat Mete Demiriz für diesen Prototypen allerdings vergeblich gesucht. Mangelnde Akzeptanz und fehlende Wirtschaftlichkeit waren die Argumente, die er zu hören bekam. Vielleicht lag es am Prinzip? Der Forscher entwickelte ein zweites Frauenurinal; dieses erinnert an ein französisches Stehklo, im Fachjargon auch Hocktoilette genannt.
    "Diese Boden-hockende Variante haben wir, weil es wie so ein Schmetterling aussieht, Papillon genannt."
    Mete Demirez hat sie nach einigen Umfragen entwickelt und an die Bedürfnisse der Nutzerinnen angepasst. Der hohe Rand im vorderen Bereich dient als Spritzschutz.
    "In normalen Hocktoiletten ist es so, dass der Ablauf, also das Loch, ganz hinten ist und für die Fäkalien gedacht ist. Wenn jetzt eine Frau sich daran hockt und uriniert, dann trifft der Urin auf eine ziemlich flache Fläche, die sehr nah an den Füßen ist und spritzt dann entsprechend an die Beine zurück. Das ist sehr unangenehm, das kritisieren sehr viele Frauen und das ist hier vermieden worden bei der Entwicklung."
    Einige Modelle erlangten Marktreife
    Der Gelsenkirchener Forscher ist nicht der einzige Erfinder von Frauenurinalen. In den vergangenen 30 Jahren tauchten europaweit verschiedene Prototypen auf, einige schafften es sogar bis zur Markttreife und wurden zum Beispiel bei Musikfestivals eingesetzt. Dort zeigten sich die Frauen begeistert, aber mit dem Argument, dass es besser sei, als sich hinter einen Busch zu hocken. Wer sich umhört, für wie sinnvoll Frauen solche Urinale halten, bekommt unterschiedliche Antworten.
    "Finde ich ganz großartig, also gerade wenn man unterwegs ist oder bei irgendwelchen Veranstaltungen, gibt es wahrscheinlich keine Frau, die sich nicht wünscht, mal eine andere Lösung zu finden." - "Ich habe noch nie ein Frauenurinal gesehen." - "Jedes System, was mich überzeugen sollte, müsste eins gewährleisten: Nämlich, dass ich mir dabei nicht auf die Hose pinkle." - Also dieses Ding mit der Skihaltung, finde ich, klingt plausibel und leicht umzusetzen." - "Also, ich würde es benutzen, weil es kontaktfrei ist." - "Und zweitens ist es mir immer noch wichtig, dass das in einem abgeschlossenen Raum stattfindet, wo ich die Tür zumachen kann und einfach allein bin."
    Installationen in deutschen Großstädten kamen bislang nicht so gut an. Zwei Frauenurinale, die etwa 2011 testweise an der Frankfurter U- und S-Bahnstation Hauptwache eingebaut wurden, nutzten im ersten Monat nur 622 von insgesamt 7.800 Frauen, die dort auf Toilette gingen - also gerade mal 7,5 Prozent. Und das, obwohl der Besuch der Urinale im Gegensatz zu den herkömmlichen Toiletten kostenfrei war. Ist also doch mangelnde Akzeptanz das Problem? Mete Demiriz bezweifelt das. Umfragen in Deutschland und Australien hätten gezeigt, dass Frauen Urinale in öffentlichen Toiletten nutzen würden, wenn es sie denn gäbe.
    Praxistest an der Uni
    Praxistests an der Hochschule in Gelsenkirchen bestätigen das. Im Gebäude nebenan unter der Mensa befinden sich öffentliche Toiletten. Dort hat Mete Demiriz vor einigen Jahren ein wandhängendes Frauenurinal einbauen lassen: eine leicht abgewandelte Efeu-Version aus Edelstahl.
    Zwischen den Männer- und Frauenklos hat der Sanitärforscher ein Labor eingerichtet. Hier erhebt er unter realen Bedingungen, welches stille Örtchen wann und wie oft benutzt wird. Er zeigt auf einen Monitor.
    "Hier auf diesem Bildschirm, da können wir genau sehen, wann wie oft die Anlagen benutzt worden sind. Das ist zum Beispiel heute, jetzt haben wir halb vier, ist das Frauenurinal 25 Mal benutzt worden."
    Genauso oft wie die anderen Toiletten. Mitarbeiterinnen und Studierende der Hochschule haben dieses Frauenurinal also akzeptiert.
    "Ich denke, das war eine gute Idee, ist eine gute Idee, aber ob das für Hersteller wirtschaftlich ist, das kann ich nicht beurteilen."
    Obwohl es verschiedene Frauen- und Unisexurinale bis in die Verkaufskataloge der Sanitärausstatter geschafft hatten, blieben sie letztlich alle Ladenhüter und verschwanden wieder aus dem Sortiment.
    "Es wird von den Herstellern nicht sehr kräftig vermarktet. Das ist für sie vielleicht ein Verlustgeschäft, denn jedes Urinal, was sie verkaufen wollen, ist ein WC weniger auf der Frauentoilette."
    Frauenurinale sind nicht platzsparend
    Das Problem ist, dass die Frauenurinale im Gegensatz zu Pissoirs für Männer genauso viel Platz brauchen wie eine normale Kloschüssel. Geringerer Platzbedarf und damit mehr Toiletten auf gleichem Raum wären aber ein wichtiges Verkaufsargument, weil sich so bei Großveranstaltungen die langen Schlangen vor Frauentoiletten vermeiden ließen.