Christine Heuer: Wegen seiner Bankenkrise bekommt Spanien kein frisches Geld mehr auf den Finanzmärkten. Das hat die Regierung in Madrid gestern offen eingeräumt und die Europäische Union damit sehr beunruhigt. In Brüssel und nicht nur dort werden Rettungsszenarien beraten, derweil scheint sich die Börse in Madrid leicht zu erholen.
In Brüssel hat derweil EU-Kommissar Michel Barnier neue Vorschläge gemacht, wie angeschlagene Banken gerettet oder auch abgewickelt werden können.
Spanien in der Krise, Überlegungen über das beste Rettungsszenario in Brüssel – am Telefon ist der FDP-Haushaltspolitiker Florian Toncar. Guten Tag nach Berlin.
Florian Toncar: Guten Tag, Frau Heuer.
Heuer: Herr Toncar, direkte Hilfen für den spanischen Bankenrettungsfonds Frob. Ist das erlaubt?
Toncar: Nein! Das ist ja gerade in dem Beitrag von Frau Riedel aus Brüssel auch klar geworden. Das ist nicht vorgesehen, sondern die Verträge sehen vor, wenn ein Staat seine Banken nicht mehr alleine rekapitalisieren kann, dass der Staat Hilfen zur Rekapitalisierung von Banken aus europäischen Mitteln bekommt, dafür werden dann auch Bedingungen mit dem Staat vereinbart, wir geben das Geld ja auch nicht ohne Voraussetzungen, und dass der Staat das Geld dann direkt an die Banken gibt. Das ist so in den Verträgen vorgesehen, Spanien hat dem auch zugestimmt, also das entspricht den geltenden Regeln, es so zu machen. Wer jetzt über direkte Rekapitalisierung von Banken spricht, der spricht im Grunde über etwas, wofür es keine Rechtsgrundlage gibt, und wie Frau Riedel gesagt hat, ist es auch nicht praktikabel. Wir haben gar nicht die Möglichkeit, von Europa aus zu steuern. Ob die spanische Bank, die dann vielleicht Geld bekommt, sich dann auch wirklich neu aufstellt und saniert wird, das kann nur die spanische Regierung selber machen.
Heuer: In der Europäischen Union werden diese direkten Hilfen aber dennoch diskutiert. Sind Sie sicher, dass die EU nicht am Ende sich doch hinreißen lässt zu dieser Lösung?
Toncar: Das kann ich mir schon deshalb nicht vorstellen, weil es sehr, sehr aufwendig wäre, die entsprechenden Verträge, den EFSF-Vertrag beispielsweise zu ändern. Das würde sehr, sehr lange dauern und ich glaube, dass das auch nicht vertrauensstiftend wäre. Man muss ja auch mal gucken, dass wir in Europa nicht ständig Vereinbarungen in Frage stellen, denn wenn man sich mal die Investoren anschaut, die überlegen, soll ich jetzt mich in Europa finanziell weiter engagieren, dann schauen die natürlich auch, glauben die Europäer selber daran, dass ihre Instrumente greifen, oder sind sie sich uneinig darüber, was zu tun ist. Also wer ständig Vereinbartes in Frage stellt, der verschärft die Krise. Deswegen würde ich uns sehr dazu raten zu sagen, wir sind bereit, die Instrumente, die es gibt, zu nutzen. Dazu zählen auch Kredite an Spanien zur Rekapitalisierung der spanischen Banken, wenn das nötig ist, gegen entsprechende Bedingungen, die die spanische Regierung dann erfüllen muss.
Heuer: Aber Spanien, Herr Toncar, will ja nun mal nicht unter den Euro-Rettungsschirm. Kann man Madrid dazu zwingen?
Toncar: Das ist ja auch nicht das Ziel, dass Spanien unter diesen Schirm kommt. Ich glaube, die Regierung in Madrid muss zusehen, dass sie ihre Hausaufgaben macht, dass sie möglichst vermeidet, dass sie anderer Staaten Geld in Anspruch nehmen muss. Das ist ja das Ziel. Aber sie muss natürlich irgendwann auch entscheiden, ob sie das noch kann, und dann muss sie einen Antrag stellen. Das heißt, es liegt alleine an Spanien, ob das überhaupt in Frage kommt, oder ob das nicht in Frage kommt.
Heuer: Ist Spanien ein grundsätzlich anderer Fall als Griechenland?
Toncar: Ganz gewiss. Da gibt es ganz verschiedene Gründe dafür. Das eine ist, dass die Gesamtverschuldung in Spanien bei knapp 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt; bei Griechenland ist man weit mehr als beim doppelten. Und das andere ist, dass Spanien natürlich durchaus auch einen industriellen Kern hat, Unternehmen hat, die wettbewerbsfähig sind, die auch etwas herstellen. Also da ist Spanien wirtschaftlich schon deutlich stärker aufgestellt. Die Probleme Spaniens liegen im Platzen einer Immobilienblase und im Bankensektor, das sind sehr spezifische Probleme, die man auch angehen muss. Aber das ist nicht zu vergleichen mit dem Szenario, was wir zurzeit in Griechenland erleben.
Heuer: Alsodass Spanien auch noch Pleite geht, das schließen Sie aus?
Toncar: Spanien hat eine Regierung, die stabil ist. Es ist auch so, dass man, glaube ich, in Spanien verstanden hat, dass man seine Probleme selber lösen muss, dass man nicht das Opfer ist von Ungerechtigkeit, sondern dass in der Vergangenheit einfach politische Fehler gemacht worden sind. Die Regierung in Spanien ist stabil, sie ist relativ neu im Amt, also es drohen auch nicht unmittelbar neue Wahlen, und ich glaube deswegen, dass die Spanier auch in der Lage sein werden, ihre Probleme zu lösen.
Heuer: Es wird trotzdem darüber nachgedacht, wie man stärker gemeinsam in Verantwortung für in Not geratene Mitgliedsstaaten gelangen kann – Stichwort Eurobonds. Herr Toncar, ist es nicht Zeit, sie doch einzuführen, damit alle gemeinsam die Risiken tragen, zum Nutzen des Euro und damit er überlebt?
Toncar: Ich halte das für eine völlig falsche Annahme, denn es ist natürlich, wenn man Eurobonds macht, also wenn praktisch alle europäischen Staaten alle gemeinsam für ihre Schulden einstehen, dann besteht ja für die Staaten, die eigentlich schon längst zu viele Schulden haben und deren Wirtschaft auch zu schwach entwickelt ist, kaum mehr ein Grund, noch was zu ändern, sich zu sanieren, und dann wird das Problem nur größer und es verschiebt sich zeitlich nach hinten. Also ich glaube, dass Eurobonds wirklich dazu führen, dass wir die Krise vielleicht für ein paar Monate vom Tisch kriegen, aber die kommt dann wieder und das Problem wird eher größer sein. Und abgesehen davon müsste man dazu auch die europäischen Verträge ändern, und das Bundesverfassungsgericht hat für Deutschland auch gesagt, dass das nicht geht. Insofern führt die Diskussion nicht weiter, wir sollten sie beenden. Ich lehne jedenfalls Eurobonds auch aus ganz praktischen Gründen definitiv ab.
Heuer: Michel Barnier – das haben wir im Beitrag aus Brüssel gerade gehört – hat den Vorschlag gemacht, Krisenfonds zur Bankenabwicklung einzurichten, die dann von den Banken selbst finanziert werden, und der Kommissionspräsident Barroso feiert das als Einstieg in die Bankenunion. Finden Sie das gut, Herr Toncar?
Toncar: Das was Herr Barnier vorgestellt hat, ist ziemlich genau das, was in Deutschland seit eineinhalb Jahren gilt. Wir haben einen solchen Restrukturierungsfonds. Der wird auch gespeist von einer Abgabe, die die Banken selber bezahlen müssen: die sogenannte Bankenabgabe. Und das war eines unserer Konzepte, weil wir gesagt haben, es muss im Extremfall auch möglich sein, eine Bank kontrolliert abzuwickeln. Es kann ja nicht sein, dass Banken Risiken eingehen, Gewinne machen, und dann, wenn es schief läuft, muss der Staat dafür den Kopf hinhalten mit Steuergeld. Also haben wir das in Deutschland längst eingeführt und wir haben von Anfang an gesagt, wir sehen das eigentlich als Vorbild auch für Europa insgesamt. Also wenn das, was Herr Barnier vorschlägt, wenn das die Richtung ist, auf die sich die europäischen Staaten verständigen können, dass wir alle gemeinsam in der Lage sind, Banken, die nicht vernünftig gewirtschaftet haben, auch abzuwickeln und auch Gläubiger wieder in Haftung zu nehmen, wenn das der Weg ist, dann wäre das sicherlich ein Fortschritt.
Heuer: CDU-Fraktionschef Volker Kauder macht sich jetzt stark für ein Wachstumspaket für Spanien. Ist das die neue deutsche Regierungslinie, eine Schamattacke auf François Hollande und auf die deutsche SPD?
Toncar: Nein. Ich halte es für ein Gerücht und eine manchmal auch wohl gestrickte Legende, dass Deutschland irgendwem verboten hätte, in der Vergangenheit auf Wachstum zu setzen. Was wir immer gesagt haben: es bringt nichts, wenn die Staaten eh schon so hohe Schulden haben, dass Investoren einen Bogen um diese Staaten machen, dass die sich kaum noch Geld leihen können, diesen Staaten zu empfehlen, dass sie sich das Wachstum mit noch mehr Schulden erkaufen, denn das vergrößert doch das Problem. Die Staaten, über die wir reden, die Probleme haben, Wachstumsprobleme und Schuldenprobleme, sind doch längst an der Grenze, dass sie kein neues Geld mehr bekommen, und deswegen sind zusätzliche Schulden keine Antwort. Wachstum durch Strukturreformen, zum Beispiel durch die Öffnung des Arbeitsmarktes, zum Beispiel durch eine Strategie gegen Jugendarbeitslosigkeit, sind sehr sinnvoll, und da war Deutschland auch nie der Grund, dass das bisher nicht geklappt hat.
Heuer: In Deutschland, Herr Toncar, wird ja auch die Finanztransaktionssteuer wieder neu verhandelt, um die Opposition beim Fiskalpakt mit ins Boot zu holen, und bisher war das ja Teufelszeug für die FDP. Stimmt es, wie wir heute lesen können, dass Ihre Partei nun doch einlenkt?
Toncar: Wir haben uns dem Grunde nach bereits bei Ausbruch dieser Staatsschuldenkrise darauf geeinigt, dass es möglichst im Rahmen der EU eine Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise geben soll. In Deutschland haben wir die Bankenabgabe übrigens ja auch schon eingeführt. Was die FDP nicht möchte ist, dass im Grunde eine Steuer, die nur in einzelnen Ländern in Europa eingeführt wird, dazu führt, dass Geschäfte, die heute übers Internet ziemlich leicht abzuwickeln sind, fast überall auf der Welt, dass die in Länder wandern, wo es keine Aufsicht gibt, keine Regulierung gibt. Da macht man Märkte nicht stabiler, sondern man macht sie fragiler und im übrigen werden dann die Steuern ja auch nicht hier bezahlt. Das heißt, wir müssen schon gucken, dass der Teilnehmerkreis groß genug ist, dass insbesondere auch London mit dabei ist. Ansonsten ist die Finanztransaktionssteuer vielleicht ein schönes Wort, aber sie wird überhaupt nicht die Erfolge bringen, die sich manche davon versprechen.
Heuer: Philipp Rösler hat gesagt, er schließt auch die Besteuerung auf Derivate nicht mehr aus. Geht Ihr Parteichef da vielleicht dann doch ein bisschen zu weit?
Toncar: Also wir müssen gucken, was in Europa machbar ist. Nachher mit drei oder vier Ländern was zu machen, was nichts bringt, weil alles dann um uns herum stattfindet, ist nicht so gut. Wenn wir uns orientieren an dem, was es zum Beispiel in Großbritannien schon gibt – das ist die sogenannte Stempelsteuer, die vor allem auf Börsengeschäfte erhoben wird -, wenn man es also möglichst nahe an dem macht, was Großbritannien bereits hat, dann sind die Verlagerungseffekte, dass Geschäfte nach London abwandern wegen dieser neuen Steuer, nicht so wahrscheinlich. Und dann muss man halt überlegen, wie wir mit den Derivaten umgehen können, die einen erheblichen Teil des Finanzmarktes ausmachen. Aber ich würde uns raten – und das ist auch das, was die Bundesregierung ja versucht, gerade auszuloten -, uns so nahe wie möglich an dem zu orientieren, was man mit einem großen Teilnehmerkreis durchsetzen kann, also was man beispielsweise auch mit den Briten machen kann.
Heuer: Und Sie sind zuversichtlich, dass Sie genügend Staaten zusammenbekommen?
Toncar: Es sind ganz schön schwierige Verhandlungen und das ist auch nicht so einfach, weil diese Steuer hat ökonomische Folgen, die nicht zu unterschätzen sind. Es ist nicht so einfach, sie einzuführen, auch technisch nicht im übrigen, denn man muss ja dann auch wissen, wie viele Transaktionen wo stattfinden, beispielsweise auch, was in London gehandelt wird, wenn man London mit einbeziehen will muss man wissen, was deutsche Banken dort handeln. Also das sind technisch sehr komplexe Fragen, deswegen mache ich da auch keine Prognose, wie es weitergeht. Aber wir bemühen uns, eine Lösung zu finden, die keine Wettbewerbsverzerrungen, keine Verlagerung von riskanten Geschäften in unregulierte Märkte mit sich bringt und die natürlich auch die Privatanleger, die Sparer, die Riester-Verträge schont. Auch das ist ein Gesichtspunkt, der uns wichtig ist.
Heuer: Der FDP-Haushaltspolitiker Florian Toncar im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen sehr, Herr Toncar.
Toncar: Vielen Dank, Frau Heuer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
In Brüssel hat derweil EU-Kommissar Michel Barnier neue Vorschläge gemacht, wie angeschlagene Banken gerettet oder auch abgewickelt werden können.
Spanien in der Krise, Überlegungen über das beste Rettungsszenario in Brüssel – am Telefon ist der FDP-Haushaltspolitiker Florian Toncar. Guten Tag nach Berlin.
Florian Toncar: Guten Tag, Frau Heuer.
Heuer: Herr Toncar, direkte Hilfen für den spanischen Bankenrettungsfonds Frob. Ist das erlaubt?
Toncar: Nein! Das ist ja gerade in dem Beitrag von Frau Riedel aus Brüssel auch klar geworden. Das ist nicht vorgesehen, sondern die Verträge sehen vor, wenn ein Staat seine Banken nicht mehr alleine rekapitalisieren kann, dass der Staat Hilfen zur Rekapitalisierung von Banken aus europäischen Mitteln bekommt, dafür werden dann auch Bedingungen mit dem Staat vereinbart, wir geben das Geld ja auch nicht ohne Voraussetzungen, und dass der Staat das Geld dann direkt an die Banken gibt. Das ist so in den Verträgen vorgesehen, Spanien hat dem auch zugestimmt, also das entspricht den geltenden Regeln, es so zu machen. Wer jetzt über direkte Rekapitalisierung von Banken spricht, der spricht im Grunde über etwas, wofür es keine Rechtsgrundlage gibt, und wie Frau Riedel gesagt hat, ist es auch nicht praktikabel. Wir haben gar nicht die Möglichkeit, von Europa aus zu steuern. Ob die spanische Bank, die dann vielleicht Geld bekommt, sich dann auch wirklich neu aufstellt und saniert wird, das kann nur die spanische Regierung selber machen.
Heuer: In der Europäischen Union werden diese direkten Hilfen aber dennoch diskutiert. Sind Sie sicher, dass die EU nicht am Ende sich doch hinreißen lässt zu dieser Lösung?
Toncar: Das kann ich mir schon deshalb nicht vorstellen, weil es sehr, sehr aufwendig wäre, die entsprechenden Verträge, den EFSF-Vertrag beispielsweise zu ändern. Das würde sehr, sehr lange dauern und ich glaube, dass das auch nicht vertrauensstiftend wäre. Man muss ja auch mal gucken, dass wir in Europa nicht ständig Vereinbarungen in Frage stellen, denn wenn man sich mal die Investoren anschaut, die überlegen, soll ich jetzt mich in Europa finanziell weiter engagieren, dann schauen die natürlich auch, glauben die Europäer selber daran, dass ihre Instrumente greifen, oder sind sie sich uneinig darüber, was zu tun ist. Also wer ständig Vereinbartes in Frage stellt, der verschärft die Krise. Deswegen würde ich uns sehr dazu raten zu sagen, wir sind bereit, die Instrumente, die es gibt, zu nutzen. Dazu zählen auch Kredite an Spanien zur Rekapitalisierung der spanischen Banken, wenn das nötig ist, gegen entsprechende Bedingungen, die die spanische Regierung dann erfüllen muss.
Heuer: Aber Spanien, Herr Toncar, will ja nun mal nicht unter den Euro-Rettungsschirm. Kann man Madrid dazu zwingen?
Toncar: Das ist ja auch nicht das Ziel, dass Spanien unter diesen Schirm kommt. Ich glaube, die Regierung in Madrid muss zusehen, dass sie ihre Hausaufgaben macht, dass sie möglichst vermeidet, dass sie anderer Staaten Geld in Anspruch nehmen muss. Das ist ja das Ziel. Aber sie muss natürlich irgendwann auch entscheiden, ob sie das noch kann, und dann muss sie einen Antrag stellen. Das heißt, es liegt alleine an Spanien, ob das überhaupt in Frage kommt, oder ob das nicht in Frage kommt.
Heuer: Ist Spanien ein grundsätzlich anderer Fall als Griechenland?
Toncar: Ganz gewiss. Da gibt es ganz verschiedene Gründe dafür. Das eine ist, dass die Gesamtverschuldung in Spanien bei knapp 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt; bei Griechenland ist man weit mehr als beim doppelten. Und das andere ist, dass Spanien natürlich durchaus auch einen industriellen Kern hat, Unternehmen hat, die wettbewerbsfähig sind, die auch etwas herstellen. Also da ist Spanien wirtschaftlich schon deutlich stärker aufgestellt. Die Probleme Spaniens liegen im Platzen einer Immobilienblase und im Bankensektor, das sind sehr spezifische Probleme, die man auch angehen muss. Aber das ist nicht zu vergleichen mit dem Szenario, was wir zurzeit in Griechenland erleben.
Heuer: Alsodass Spanien auch noch Pleite geht, das schließen Sie aus?
Toncar: Spanien hat eine Regierung, die stabil ist. Es ist auch so, dass man, glaube ich, in Spanien verstanden hat, dass man seine Probleme selber lösen muss, dass man nicht das Opfer ist von Ungerechtigkeit, sondern dass in der Vergangenheit einfach politische Fehler gemacht worden sind. Die Regierung in Spanien ist stabil, sie ist relativ neu im Amt, also es drohen auch nicht unmittelbar neue Wahlen, und ich glaube deswegen, dass die Spanier auch in der Lage sein werden, ihre Probleme zu lösen.
Heuer: Es wird trotzdem darüber nachgedacht, wie man stärker gemeinsam in Verantwortung für in Not geratene Mitgliedsstaaten gelangen kann – Stichwort Eurobonds. Herr Toncar, ist es nicht Zeit, sie doch einzuführen, damit alle gemeinsam die Risiken tragen, zum Nutzen des Euro und damit er überlebt?
Toncar: Ich halte das für eine völlig falsche Annahme, denn es ist natürlich, wenn man Eurobonds macht, also wenn praktisch alle europäischen Staaten alle gemeinsam für ihre Schulden einstehen, dann besteht ja für die Staaten, die eigentlich schon längst zu viele Schulden haben und deren Wirtschaft auch zu schwach entwickelt ist, kaum mehr ein Grund, noch was zu ändern, sich zu sanieren, und dann wird das Problem nur größer und es verschiebt sich zeitlich nach hinten. Also ich glaube, dass Eurobonds wirklich dazu führen, dass wir die Krise vielleicht für ein paar Monate vom Tisch kriegen, aber die kommt dann wieder und das Problem wird eher größer sein. Und abgesehen davon müsste man dazu auch die europäischen Verträge ändern, und das Bundesverfassungsgericht hat für Deutschland auch gesagt, dass das nicht geht. Insofern führt die Diskussion nicht weiter, wir sollten sie beenden. Ich lehne jedenfalls Eurobonds auch aus ganz praktischen Gründen definitiv ab.
Heuer: Michel Barnier – das haben wir im Beitrag aus Brüssel gerade gehört – hat den Vorschlag gemacht, Krisenfonds zur Bankenabwicklung einzurichten, die dann von den Banken selbst finanziert werden, und der Kommissionspräsident Barroso feiert das als Einstieg in die Bankenunion. Finden Sie das gut, Herr Toncar?
Toncar: Das was Herr Barnier vorgestellt hat, ist ziemlich genau das, was in Deutschland seit eineinhalb Jahren gilt. Wir haben einen solchen Restrukturierungsfonds. Der wird auch gespeist von einer Abgabe, die die Banken selber bezahlen müssen: die sogenannte Bankenabgabe. Und das war eines unserer Konzepte, weil wir gesagt haben, es muss im Extremfall auch möglich sein, eine Bank kontrolliert abzuwickeln. Es kann ja nicht sein, dass Banken Risiken eingehen, Gewinne machen, und dann, wenn es schief läuft, muss der Staat dafür den Kopf hinhalten mit Steuergeld. Also haben wir das in Deutschland längst eingeführt und wir haben von Anfang an gesagt, wir sehen das eigentlich als Vorbild auch für Europa insgesamt. Also wenn das, was Herr Barnier vorschlägt, wenn das die Richtung ist, auf die sich die europäischen Staaten verständigen können, dass wir alle gemeinsam in der Lage sind, Banken, die nicht vernünftig gewirtschaftet haben, auch abzuwickeln und auch Gläubiger wieder in Haftung zu nehmen, wenn das der Weg ist, dann wäre das sicherlich ein Fortschritt.
Heuer: CDU-Fraktionschef Volker Kauder macht sich jetzt stark für ein Wachstumspaket für Spanien. Ist das die neue deutsche Regierungslinie, eine Schamattacke auf François Hollande und auf die deutsche SPD?
Toncar: Nein. Ich halte es für ein Gerücht und eine manchmal auch wohl gestrickte Legende, dass Deutschland irgendwem verboten hätte, in der Vergangenheit auf Wachstum zu setzen. Was wir immer gesagt haben: es bringt nichts, wenn die Staaten eh schon so hohe Schulden haben, dass Investoren einen Bogen um diese Staaten machen, dass die sich kaum noch Geld leihen können, diesen Staaten zu empfehlen, dass sie sich das Wachstum mit noch mehr Schulden erkaufen, denn das vergrößert doch das Problem. Die Staaten, über die wir reden, die Probleme haben, Wachstumsprobleme und Schuldenprobleme, sind doch längst an der Grenze, dass sie kein neues Geld mehr bekommen, und deswegen sind zusätzliche Schulden keine Antwort. Wachstum durch Strukturreformen, zum Beispiel durch die Öffnung des Arbeitsmarktes, zum Beispiel durch eine Strategie gegen Jugendarbeitslosigkeit, sind sehr sinnvoll, und da war Deutschland auch nie der Grund, dass das bisher nicht geklappt hat.
Heuer: In Deutschland, Herr Toncar, wird ja auch die Finanztransaktionssteuer wieder neu verhandelt, um die Opposition beim Fiskalpakt mit ins Boot zu holen, und bisher war das ja Teufelszeug für die FDP. Stimmt es, wie wir heute lesen können, dass Ihre Partei nun doch einlenkt?
Toncar: Wir haben uns dem Grunde nach bereits bei Ausbruch dieser Staatsschuldenkrise darauf geeinigt, dass es möglichst im Rahmen der EU eine Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise geben soll. In Deutschland haben wir die Bankenabgabe übrigens ja auch schon eingeführt. Was die FDP nicht möchte ist, dass im Grunde eine Steuer, die nur in einzelnen Ländern in Europa eingeführt wird, dazu führt, dass Geschäfte, die heute übers Internet ziemlich leicht abzuwickeln sind, fast überall auf der Welt, dass die in Länder wandern, wo es keine Aufsicht gibt, keine Regulierung gibt. Da macht man Märkte nicht stabiler, sondern man macht sie fragiler und im übrigen werden dann die Steuern ja auch nicht hier bezahlt. Das heißt, wir müssen schon gucken, dass der Teilnehmerkreis groß genug ist, dass insbesondere auch London mit dabei ist. Ansonsten ist die Finanztransaktionssteuer vielleicht ein schönes Wort, aber sie wird überhaupt nicht die Erfolge bringen, die sich manche davon versprechen.
Heuer: Philipp Rösler hat gesagt, er schließt auch die Besteuerung auf Derivate nicht mehr aus. Geht Ihr Parteichef da vielleicht dann doch ein bisschen zu weit?
Toncar: Also wir müssen gucken, was in Europa machbar ist. Nachher mit drei oder vier Ländern was zu machen, was nichts bringt, weil alles dann um uns herum stattfindet, ist nicht so gut. Wenn wir uns orientieren an dem, was es zum Beispiel in Großbritannien schon gibt – das ist die sogenannte Stempelsteuer, die vor allem auf Börsengeschäfte erhoben wird -, wenn man es also möglichst nahe an dem macht, was Großbritannien bereits hat, dann sind die Verlagerungseffekte, dass Geschäfte nach London abwandern wegen dieser neuen Steuer, nicht so wahrscheinlich. Und dann muss man halt überlegen, wie wir mit den Derivaten umgehen können, die einen erheblichen Teil des Finanzmarktes ausmachen. Aber ich würde uns raten – und das ist auch das, was die Bundesregierung ja versucht, gerade auszuloten -, uns so nahe wie möglich an dem zu orientieren, was man mit einem großen Teilnehmerkreis durchsetzen kann, also was man beispielsweise auch mit den Briten machen kann.
Heuer: Und Sie sind zuversichtlich, dass Sie genügend Staaten zusammenbekommen?
Toncar: Es sind ganz schön schwierige Verhandlungen und das ist auch nicht so einfach, weil diese Steuer hat ökonomische Folgen, die nicht zu unterschätzen sind. Es ist nicht so einfach, sie einzuführen, auch technisch nicht im übrigen, denn man muss ja dann auch wissen, wie viele Transaktionen wo stattfinden, beispielsweise auch, was in London gehandelt wird, wenn man London mit einbeziehen will muss man wissen, was deutsche Banken dort handeln. Also das sind technisch sehr komplexe Fragen, deswegen mache ich da auch keine Prognose, wie es weitergeht. Aber wir bemühen uns, eine Lösung zu finden, die keine Wettbewerbsverzerrungen, keine Verlagerung von riskanten Geschäften in unregulierte Märkte mit sich bringt und die natürlich auch die Privatanleger, die Sparer, die Riester-Verträge schont. Auch das ist ein Gesichtspunkt, der uns wichtig ist.
Heuer: Der FDP-Haushaltspolitiker Florian Toncar im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen sehr, Herr Toncar.
Toncar: Vielen Dank, Frau Heuer.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.