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Toncar: "Herbe Niederlage für die FDP"

Die Situation in Bayern sei für die Wähler "explizit" wahlentscheidend gewesen, sagt Florian Toncar, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender. Er glaube nicht, dass sich aus dem schlechten Abschneiden seiner Partei in Bayern "größere Rückschlüsse auf den nächsten Sonntag ziehen lassen".

Florian Toncar im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Kein Wunder von München – die Wählerinnen und Wähler haben die Liberalen ausgesperrt aus dem bayerischen Landtag, 3,3 Prozent. Vor fünf Jahren erzielte die FDP noch acht Prozent.

    – Am Telefon ist jetzt Florian Toncar, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Guten Tag.

    Florian Toncar: Guten Tag, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Toncar, warum halten die bayerischen Wählerinnen und Wähler die FDP für entbehrlich?

    Toncar: Dass das gestern eine herbe Niederlage war für die FDP in Bayern und auch in Deutschland, da reden wir nicht drum herum. Das ist so. Wir versuchen, das auch nicht schön zu reden. Glückwunsch an die CSU, die es wirklich geschafft hat, ihre Wähler auch zu überzeugen, dass sie sie wählen. Ich glaube, am Ende war entscheidend, dass viele Wähler auch gesehen haben, die CSU wird sehr, sehr stark sein. Und die möglicherweise gar keine Alleinregierung wollten, aber trotzdem auch gesehen haben, dass es wahrscheinlich, selbst wenn die FDP im Landtag ist, für eine absolute Mehrheit der CSU reicht. Also das hat nicht unbedingt mobilisiert. Ansonsten wissen wir auch, dass das eine Landtagswahl war, dass viele Wähler explizit angegeben haben, dass die Situation im Land, in Bayern für sie wahlentscheidend war. Also, ich glaube nicht, dass sich daraus größere Rückschlüsse auf den nächsten Sonntag ziehen lassen, auch wenn wir natürlich in einer wichtigen Phase des Bundestagswahlkampfes sind.

    Heinemann: So sagen Verlierer immer nach einer verlorenen Wahl. Betteln Sie jetzt um Zweitstimmen?

    Toncar: Na ja, ich kenne auch Verlierer, die versuchen, das Ergebnis schön zu reden. Das tun wir nicht ...

    Heinemann: Das wäre auch schwer in diesem Fall.

    Toncar: Ja! Aber wir haben gestern Abend bei Sozialdemokraten und Grünen ja durchaus auch entsprechende Versuche gesehen. Das machen wir nicht. Die Zweitstimmen sind die Stimmen, die die Bundestagswahl entscheiden. Und da werben wir dafür, weil das am Ende die Stimmen sind, die darüber entscheiden, in welche Richtung es mit Deutschland geht. Und ich glaube, dass es gute Argumente gibt, die jetzige Regierung zu bestätigen. Nur mit Schwarz-Gelb gibt es keine Steuererhöhungen, alle anderen Regierungen würden vermutlich die Steuern erhöhen. Wir sind als FDP die Einzigen, die im Wahlprogramm keine neuen schuldenfinanzierten Ausgabeprogramme drin haben. Und nur mit dieser Regierung gibt es auch eine Politik für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Europa, statt Eurobonds oder anderer Umverteilung. Also, die Argumente sind durchaus da und natürlich werben wir dafür, dass die Wähler dann eben auch diesen Argumenten ihre Stimme geben.

    Heinemann: Kleines Problem, Herr Toncar. Die Union will Ihnen keine Stimmen leihen!

    Toncar: Stimmen verleihen grundsätzlich in Deutschland nur die Wähler. Und das für vier Jahre, und dann entscheiden sie sich neu. Es gibt zum einen schon sehr viele Wähler, die durchaus zurzeit vorhaben, die FDP zu wählen. Es gibt aber auch noch viele Wähler, die sich noch nicht entschieden haben. Und um die kämpfen wir. Wir verleihen keine Stimmen, die Union verleiht keine Stimmen, keine Partei verleiht Stimmen, sondern das machen ausschließlich die Wähler selbst.

    Heinemann: Herr Toncar, nach fünf Jahren Regierung - der man müsste jetzt auf Berlin bezogen sagen nach vier Jahren -, legt die Union zu und die FDP stürzt ab. Und laut Umfragen ist das im Bund genauso. Wer hat da was falsch gemacht?

    Toncar: Also, ich glaube, dass die FDP in der ersten Zeit der Legislaturperiode sicherlich ihre Fehler gemacht hat, dass die Wähler darauf auch reagiert haben. Auf der anderen Seite muss man ja auch mal sagen: wenn man vergleicht, wo die FDP zu Beginn dieses Jahres stand und wo sie jetzt steht. Und wenn man sieht, dass Schwarz-Gelb im Bund eine echte Chance hat, wiedergewählt zu werden. Das hätte ja vor einem Jahr höchstens Belustigung ausgelöst, wenn man gesagt hat, Schwarz-Gelb hat echt eine Chance, wiedergewählt zu werden. Wir haben diese Chance, wenn die Wähler auch wirklich zur Wahl gehen und so entscheiden. Es ist ja durchaus erreichbar. Also wenn man das sieht, dann muss man doch sagen, dass wir in den letzten Monaten durchaus auch schon einiges an Überzeugungsarbeit erfolgreich geleistet haben. Und am Ende entscheiden, glaube ich, Sachargumente, die Frage, welche Richtung nimmt Deutschland. Und da glaube ich, dass diejenigen, die dafür sind, dass wir weiterhin das machen, was uns starkmacht, ein starker Mittelstand, eine Wirtschaftspolitik, die auf Wettbewerbsfähigkeit setzt, dass die in der FDP ein attraktives Angebot haben.

    Heinemann: Herr Toncar, in den 70er-Jahren war die FDP eine Partei der Bürgerrechte, durchaus linksliberal. Otto Graf Lambsdorff vergatterte die Liberalen dann auf einen wirtschaftsliberalen Kurs, die Partei der Besserverdienenden, noch abzulesen an der Hotelsteuer auch, also eine Klientelpolitik. Stimmt der Kurs der FDP?

    Toncar: Ich finde, man muss jetzt nicht alle Kampfbegriffe hier wieder in den Wahlkampf einführen. Die größte steuerliche Entlastung, die in dieser Wahlperiode beschlossen worden ist, war die Entlastung für Familien beim Kinderfreibetrag und beim Kindergeld. Das war mit Abstand die größte Entlastung. Wir haben weitere Dinge auf den Weg gebracht wie zum Beispiel die Abschaffung der kalten Progression. Die betrifft vor allem mittlere Einkommen und das war was, was Rot und Grün im Bundesrat letzten Endes aus parteitaktischen Gründen zerstört haben. Also, wir haben sehr wohl auch im steuerlichen Bereich eine ganze Menge für die Mitte dieser Gesellschaft getan.

    Und weil Sie die Bürgerrechte ansprechen: Wir haben die Wehrpflicht abgeschafft. Wir haben erfolgreich letzten Endes vier Jahre gegen die Vorratsdatenspeicherung, die Generalüberwachung aller Bürger gekämpft. Also wir haben auch im Bereich Bürgerrechte große Erfolge gehabt und auch die sind für mich Argumente, am Sonntag die FDP zu wählen.

    Heinemann: Florian Toncar, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Toncar: Vielen Dank, Herr Heinemann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.