Archiv


Top oder Flop

Physik. - Die kalte Kernfusion im Wasserglas ist ein alter Traum der Kernphysiker. Mehr als Träume sind bislang jedenfalls nicht produziert worden, wann immer die so genannte Bläschenfusion wieder einmal als geglückt gemeldet wurde, und es waren Träume, die obendrein schnell platzten. Ein Forscherteam aus den USA und Russland hat vor zwei Jahren entsprechendes in "Science" berichtet, wurde damals heftig kritisiert, hat erneut nachgemessen und - bleibt bei seinen Ergebnissen.

Von Haiko Lietz |
    In besagtem Experiment wird eine stehende Schallwelle in flüssigem Aceton erzeugt. Vorher sind in der Flüssigkeit die Wasserstoffatome durch das schwere Isotop Deuterium ersetzt worden. Die Schallwelle sorgt abwechselnd für Über- und Unterdruck im Aceton. Dadurch kommt es zyklisch zur Bildung von Dampfblasen. Zum Zeitpunkt des maximalen Unterdrucks wird das Becherglas nun mit schnellen Neutronen beschossen. Rusi Taleyarkhan, der ausführende Ingenieur von der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana, erläutert, was dann geschieht:

    Durch den Neutronenbeschuss wird das Aceton in seine atomaren Bestandteile geteilt. Die Deuteriumblasen wachsen für 27 Mikrosekunden um das 100.000fache, was man mit bloßem Auge beobachten kann. Wenn dann der Schalldruck positiv wird, beginnt ein Implosionsprozess. Binnen Nanosekunden schrumpfen die Blasen wieder zu ihrer Ausgangsgröße. Zu diesem Zeitpunkt werden Lichtblitze ausgesandt. Und wenn die Bedingungen heiß und komprimiert genug sind, messen wir die Produktion von Neutronen.

    Diese gemessenen Neutronen hätten genau die Energie, die sie haben müssten, wenn sie die Produkte einer Fusionsreaktion wären, berichtet Taleyarkhan. Zusätzlich sei im Aceton nach Ablauf des Experiments Tritium nachweisbar. Aufgrund dieser Messungen schließen die Forscher aktuell in den "Physical Review Letters" auf die Fusion von Deuteriumkernen. Als das Team 2002 erstmals von der Fusion im Becherglas berichtete, hagelte es Kritik von allen Seiten. Die ernsthafteste kam aus Taleyarkhans damaligem Forschungslabor:

    Wir wurden damals kritisiert, unser Neutronendetektor sei falsch kalibriert gewesen. Diesmal haben wir komplett neue Messgeräte benutzt, die in Summe 20 Mal effizienter sind. Wir können nun die Dynamik der Blasen über ihre gesamte Lebensdauer überwachen. Das gleiche gilt für die Messung der Neutronen und der Gammastrahlung. Wir müssen nun nicht mehr auf die statistische Auswertung warten. Die Daten bauen sich vor unseren Augen auf. Dadurch können wir sämtliche Prozesse in ihren ursächlichen Zusammenhang stellen.

    Lee Riedinger vom Oak Ridge National Laboratory hat Taleyarkhans Experiment damals wie heute kritisch begleitet. Wer in dem Streit vor zwei Jahren nun falsch lag, weiß er bis heute nicht. Wenn auch die neuen Daten "viel besser" seien als 2002, betont Riedinger, dass eine Fusion bisher weder bewiesen noch widerlegt sei. Riedinger weist auf ein besonderes Messergebnis hin, das manchen schon zu eindeutig ist, um richtig zu sein:

    Es gibt da eine Veränderung im vermeintlichen Neutronen-Spektrum. Aber sind das wirklich Neutronen? Es könnte auch Gammastrahlung sein, die auch entsteht - wenn keine Fusion stattfindet. Nun haben wir im Labor Möglichkeiten, diese zu unterscheiden: Gammastrahlung aus der Reaktorzelle erreicht den Detektor viel schneller als Neutronen. Taleyarkhan hat hier einen elektronischen Impulsunterscheider eingesetzt, um entweder Gammastrahlung oder Neutronen zu messen. Eine Sorge, die manche haben, ist, wie genau ist dieser Unterscheider? Ich glaube, er hat es korrekt gemacht. Doch weitere Messungen sind nötig, um sicher von einem Neutroneneffekt sprechen zu können.

    Um Klarheit zu schaffen, hatte Riedinger Taleyarkhan vorgeschlagen zu versuchen, das Neutronensignal "verschwinden zu lassen". Etwa, indem Absorber zwischen Reaktorzelle und Messgerät platziert werden. Dieses sei jedoch nicht möglich, sagt Taleyarkhan, da das ganze Experiment sehr kompakt ist. Was sein Team jedoch gemacht hat, sind Kontrollexperimente. Als normales Aceton ohne Deuterium beschallt und bestrahlt wurde, verlief die Fahndung nach Fusionsprodukten jenseits des allgegenwärtigen Rauschens erfolglos. Taleyarkhans Team ist sich auch daher sicher, dass es sich tatsächlich um Fusion handelt - zumal Berechnungen dieses auch vorausgesagt haben. Ob sich der Prozess eignen könnte, um daraus tatsächlich einmal Energie zu gewinnen, diese Frage will Taleyarkhan aber nicht eindeutig beantworten:

    Wir können dazu nur eine Aussage treffen: Es gibt interessante Zeichen, dass die Neutronenproduktion und somit die Energieausbeute exponentiell mit der Schallamplitude steigt. Es gibt keine Garantie, dass wir die Rentabilitätsgrenze irgendwann erreichen werden. Im selben Atemzug will ich aber auch sagen, dass es keinen Grund gibt davon auszugehen, dass dieses nicht der Fall sein könnte.